... kennt man (und der Musikbeflissene vielleicht auch Wagners Siegfried Idyll) — aber wer kennt schon Siegfried Wagner (und falls doch: was von ihm)?
Söhne berühmter Väter haben es schwer! Selbst wenn sie keine ausgemachten Trottel sind, wie bspw. der des großen Goethe, ist ihre Existenz kein Honiglecken. Das durfte auch Siegfried, der Anlaßgeber des gleichnamigen Idylls, genugsam erfahren ...
Sicher: sein Vater war dort Genie, wo der Sohn »bloß« Talent war; und dennoch: was für ein Talent! Die Märchenoper war sein Gebiet, auf das er sich in treffsicherer Selbstbescheidung zurückzog, und in diesem Genre hat er kaum seinesgleichen. Und natürlich ist es nicht so, daß ihm eine neidvolle Umwelt jeglichen Erfolg versagte: gleich der Erstling des 29-jährigen, die Oper »Der Bärenhäuter«, op. 1 (1898), hatte einen überraschenden, fast schon Sensationserfolg:
Diesen konnte Siegfried Wagner allerdings trotz weiterer, anfänglich jeweils durchaus erfolgreicher Opern nicht wiederholen. Was schade ist, denn der »Bärenhäuter« ist halt doch mit den Vorzügen, aber eben auch den Mängeln eines Erstlingswerkes behaftet. Man sieht überall die »Eierschalen« des frisch geschlüpfen Komponisten ankleben, sozusagen.
Zwanzig Jahre später entstand bspw. seine Oper »Sonnenflammen«, die schon in der Ouvertüre eine unvergleichlich gereifte thematische Arbeit und Orchesterbehandlung verrät:
In den 1920er-Jahren wurden die Aufführungen von Werken Siegfried Wagners rarer und rarer — die allgemeine Krise nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg begünstigte eher experimentelle Werke, ja sogar pervers-sensationelle »Sumpfblüten«, als gekonnte, in der Tradition stehende Kompositionen; bei der 1923 entstandenen Oper »Rainulf und Adelasia« fand die Uraufführung nur mehr konzertant statt, die folgenden Opern blieben teils unvollendet, jedenfalls aber zu Lebzeiten unaufgeführt.
In seiner letzten, unvollendeten Oper »Das Flüchlein, das Jeder mitbekam« zeichnet Wagner nicht nur in der Handlung ein durchaus nicht schmeichelhaftes — wenn auch geschickt verhülltes — Bild des andämmernden NS-Regimes, sondern überzeugt auch rein musikalisch durch zwar auch für damalige Begriffe »konservative«, aber eben weit mehr als »handwerklich perfekte« Kompositionstechnik:
Siegfried Wagners vielfach kolportierte Neigung zum eigenen Geschlecht — die seine dominante Mutter Cosima Wagner wohl veranlaßt haben dürfte, eine Ehe des damals 46-jährigen mit einem völlig unerfahrenen 18-jährigen Mädchen, Winifred, zu arrangieren — hatte freilich ihren Anteil an seinem vergleichsweisen Scheitern, ja: der heimlichen Verachtung, die von der vermuteten sexuellen Deviation auf eine Minderwertigkeit seines Werks rückschloß.
Nochmals eine große Stufe unbekannter als der Opernkomponist Siegfried Wagner ist der Schöpfer von Orchesterwerken. Auf eines dieser, die Tondichtung »Sehnsucht« (nach einem Gedicht von Friedrich v. Schiller), hat dieser Blog schon vor fünf Jahren hingewiesen. Hier nun die Symphonische Dichtung »Glück« aus dem Jahre 1923, die für dieses Entstehungsjahr zwar ein wenig »aus der Zeit gefallen« anmutet, und dennoch ein kleines Meisterwerk darstellt:
Interessant auch das melodisch-melancholische »Violinkonzert (in einem Satz)« aus dem Jahre 1915:
1922 entstand das federnde, heiter-hintergründige Orchester-Scherzo »Und wenn die Welt voll Teufel wär!«
Beschlossen sei dieser Gedenkartikel aus Anlaß der 150. Wiederkehr des Geburtstages dieses so sehr unterschätzten Komponisten mit dem 2. Satz aus seiner Symphonie in C-Dur:
Werter Penseur, herzlichen Dank für diesen Beitrag. Das Siegfried-Idyll gehört schon sehr lange zu meinen persönlichen Favoriten; das Werk von Siegfried Wagner war mir dagegen völlig unbekannt. Mit begeisterten Grüßen, B.
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