Montag, 8. April 2019

Christoph Hein


... feiert heute seinen 75. Geburtstag. Gegebener Anlaß, einen der großen Schriftsteller zu würdigen, die der DDR (jetzt als geographischer Begriff genommen, nicht seinem Regime) bis zu ihrem Untergang die Treue hielten, und in ihren Werken wertvolle Hinweise auf dieses so eigenartige mixtum compositum aus Stalinismus, Bespitzelung und kleinbürgerlicher Ehrpusseligkeit zu geben verstehen. Und mehr als nur das, wie man bei Hein sofort hinzusetzen muß.

Denn einige seiner Novellen und Romane gehören zum »eisernen Bestand« dessen, was deutsche Literatur (sofern es sie dann noch gibt) in hundert(en) Jahren bilden könnte. »Drachenblut« etwa (in der DDR ursprünglich unter dem Titel »Der fremde Freund« erschienen), oder »Horns Ende« — eine für westliche Leser gewöhnungsbedürftige, verunsichernde Geschichte aus früheren Zeiten der DDR, als Ulbricht noch einerseits als lupenreiner Stalinist das Heft in der Hand hielt, aber großen Wert darauf legte, daß alles »demokratisch aussehen muß«. Und so erlebt man in verwirrender Rückblende beides: Selbstkritik-Zeremonien in übelstem Sowjet-Stil, gemischt mit mit bürgerlich-demokratischer Staffage bei Stadträten, bildungsbürgerlichem Arzt aus reichem Haus — und dem »Einbruch« von alle Bewohner gleichermaßen verstörenden Zigeunern in das philiströse Idyll eines fiktiven Kurortes Guldenberg.

Begegnet bin ich dem Autor Christoph Hein erstmals bei seinem Roman »Der Tangospieler« — der in seiner unnachahmlich lapidaren Art die beklemmende Enge des damaligen DDR-Regimes vor das geistige Auge des Lesers zu zaubern versteht. Die Figuren — und da merkt man wohl den versierten Bühnenautor Hein — gewinnen schon mit ganz wenigen, wie andeutenden Strichen Eigenleben und Kontur: die Schäbigkeit der conditio humana (um es pathetisch auszudrücken) wird manifest. Der zynische Schluß des Buches ist das einzig mögliche, nicht triviale Ende. Was einen nur wundert, daß so ein Buch tatsächlich in der DDR veröffentlicht werden konnte.

Nach der Wiedervereinigung blieb Christoph Hein — anders als manch andere DDR-Autoren, die wohl mit den SED-Größen auf besserem Fuße standen, und so mit ihnen fielen — literarisch präsent. Seine Romane des »Alterswerks« (wenn man darunter pauschal alles nach dem Sechziger des Autors subsumieren möchte) sind teilweise sprachlich noch karger als die früheren, aber gleichzeitig in der prägnanten Dichte ihrer Darstellung den früheren Werken nicht nur ebenbürtig, sondern überlegen. Mit »Landnahme« fängt es an, und endet (bis dato) mit einer Folge dreier meisterlicher Romane: »Glückskind mit Vater« (2016), »Trutz« (2017) — über diesen Roman allein könnte man einen langen Artikel schreiben! — und »Verwirrnis« (2018).

Mancher Leser wird sich fragen, warum in diesem Jubiläumsartikel keine Bühnenwerke erwähnt wurden. Ganz einfach: ich kenne sie nicht (oder doch nur aus kurzen Leseproben), und maße mir — im Gegensatz zu »professionellen« Rezensenten, die nurrr zu gerrrne ihrrre Unfehlbarrrkeit im Licht der TV-Kameras glänzen lassen woll(t)en — kein Urteil an über Werke, die ich kaum kenne. Und, unter uns gestanden: Dramen waren ja eher nie mein Ding ...

Wünschen wir uns und dem Jubilar noch viele Jahre von ungebrochener Schaffenskraft! Die deutsche Literaturgeschichte wird, so wie wir als Leser, einige Meisterromane mehr ja durchaus zu schätzen wissen.


2 Kommentare:

  1. Werde meine völlige Unkenntnis des Werkes von Christoph Hein aufgrund Ihrer Empfehlungen umgehend beenden müssen. Vielen Dank!

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  2. Dickes danke für diese schöne Würdigung eines wirklich Großen, der leider als solcher immer noch zu weniggewürdigt ist.

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