Dienstag, 18. Dezember 2018

Unglücksfall

von Fragolin

Unoffizielles Protokoll einer fiktiven Gerichtsverhandlung.

„Herr Rat, das war ein ganz dummer Unfall! Ich hatte etwas Hunger und da wollte ich mir ein Brot schmieren.
Jaja, eine solche lange Klinge ist nicht gut zum Schmieren, aber Herr Rat, Sie müssen mir glauben, ich wollte ja auch erstmal eine Scheibe von dem Brot abschneiden.
Ja, Herr Rat, das stimmt, dass in dem Kinderzimmer eigentlich gar kein Brot war, aber man muss auch keines haben, um es essen zu wollen, oder? So viele Menschen wollen gerne ein Brot abschneiden und haben dann gar keines. Wo ich herkomme gibt es so viele Menschen, die gerne mal eine Scheibe Brot abschneiden wollen, aber gar kein Brot haben. Wir müssen flüchten weil wir sonst verhungern. Keiner hat ein Brot!

Genau, Herr Rat, deshalb haben wir auch immer ein großes Messer dabei. Auch im Kinderzimmer. Man weiß ja nie, wann man endlich mal an ein Brot kommt, und wenn man dann eines liegen sieht und hat kein Messer zum Abschneiden, muss man hungern. Ich bin vor dem Hunger geflüchtet, und hier gibt es ganz viel Brot und endlich kann ich soviel Brot essen wie ich will, da wäre es doch blöd, wenn ich dann kein Messer dabei hätte, oder?

Ich habe also so das Messer in der Hand gehalten und geschaut, wo ein Brot herumliegt, da ist mir meine Freundin, um die ich sooo sehr weinen muss, plötzlich in das Messer hineingelaufen. Ich weiß nicht, warum, plötzlich war sie da und…
Ja, Herr Rat, es waren zwei Messerstiche, weil sie mir zweimal in das Messer reingelaufen ist. Durch das Erstemal war sie schon etwas wackelig auf den Beinen, wissen Sie, wegen dem Blutverlust und so.

Es stimmt, Herr Rat, die Messerstiche waren im Rücken, aber das liegt daran, dass sie mir rückwärts in das Messer gelaufen ist. Ich weiß auch nicht, warum sie rückwärts gelaufen ist, Frauen sind halt manchmal unergründlich, nicht wahr Herr Rat, und es erklärt ja auch, dass sie mir in das Messer gerannt ist, denn hinten hat sie ja keine Augen.
Warum zweimal? Naja, vielleicht hat sie es beim ersten Mal nicht so gemerkt.

Natürlich war da alles voller Blut, aber Allah, gepriesen sei sein Name und der seines Propheten, weiß, dass bei den Frauen jeden Monat tagelang alles voller Blut ist, woher soll ich wissen, ob das nicht normal ist? Ich weiß nicht, ob das Bluten bei einer Frau wirklich davon abhängt, ob sie in ein Messer rennt. Machen die das so, Herr Rat, dass sie deshalb mutwillig jeden Monat in Messer rennen, damit das Blut wie von Allah vorgesehen ablaufen kann? Ich weiß es nicht, das wurde mir im Integrations- und Deutschkurs nicht gesagt, an beiden Tagen nicht. Vielleicht war es Thema an den anderen 78 Tagen, aber da konnte ich leider nicht teilnehmen, weil ich Brot schneiden musste.

Warum ich ihr nicht geholfen habe?
Na wie denn, Herr Rat? Wollen Sie mich beleidigen? Wenn ich eine unreine blutende Frau berühre, komme ich für den Rest der Zeit direkt in die Hölle! Ich habe sie sooo geliebt, dass mir der Schmerz das Herz zerreißt, aber deshalb kann ich doch nicht meine Seele besudeln?!
Nein, ich habe mich dann nicht ein paar Stunden neben die Leiche gelegt und erstmal ausgeschlafen, sondern ich habe meditiert und für das Seelenheil meiner armen Freundin stundenlang intensiv gebetet! Durch so einen grausamen Unfall ums Leben zu kommen…

Den Kasten habe ich vor die Tür geschoben, damit die Schakale nicht reinkommen. Wo ich herkommen, muss man die Toten gegen Getier schützen, das habe ich so gelernt. Gilt das hier nicht? Das muss auch an einem anderen Tag…
Ja, Herr Rat, ich bin dann aus dem Fenster geklettert um Hilfe zu holen. Wie sollte ich denn sonst raus, mit dem blöden Kasten vor der Tür? Ich bin dann zu meinem Imam des Vertrauens und habe ihn gefragt: „Du, meine Freundin ist mir in das Messer gelaufen, kannst du nicht helfen?“
„Klar“, hat er da gesagt und mir eine Adresse gegeben.
Ich dachte das wäre ein Arzt, ich konnte doch nicht ahnen, dass die Adresse einem Passfälscher gehört. Niemals hätte ich hier fliehen wollen! Sehe ich aus wie jemand, der vor Schwierigkeiten flüchtet, Herr Rat?“

1 Kommentar:

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