Samstag, 9. Juni 2018

Wattestäbchen

von Fragolin

Wenn es um das Thema Umwelt geht, dann glänzt nicht nur unsere glorreiche Vereinigung der europäischen Bruder- und Bruderinnenvölker immer wieder mit innovativen Ideen, auch unsere medialen Herolde werden noch während des Verkündens von Begeisterung aus der Bahn geworfen.
So geschehen auf „nachrichten.at“, wo vor wenigen Tagen über die neuen Verordnungen des Truchseß von Brüssel hofberichterstattet wurde, wie wir die Meere vor Plastikmüll zu retten gedenken.

Denn immerhin, so tiriliert es aus den „nachrichten“-Studios:

Die EU-Kommission hat am Montag ein breites Plastikverbot vorgeschlagen. Es geht um zehn Einwegprodukte, die 70 Prozent aller Abfälle im Meer verursachen.“

Das müssen wir uns merken, denn weiter liest der Durchschnittsmedienkonsument eh nicht.
Zumindest ist jedem klar: zehn Einwegprodukte aus der EU verursachen 70 Prozent aller Abfälle im Meer. Und da ist es einfach, mal gegenzusteuern. Und im Gegensteuern ist unser weströmischer Kaiserhof bekanntermaßen unbestrittener Weltmeister.

Am Montag hat sie einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der ein Verbot der typischen Einwegteller, Bestecke und Trinkhalme aus Plastik vorsieht. Verboten werden sollen auch Rühr- und Wattestäbchen sowie Luftballonhalter aus Kunststoff.“

Jetzt bin ich ehrlich baff, denn ich hatte ein vollkommen falsches Bild von der Welt! Ich habe unzulässigerweise wieder einmal aus der persönlichen Erlebniswelt auf die EU-Kommissionsrealität zurückgeschlossen und mir gedacht, wenn allein bei unserem persönlichen Plastik-Hausmüll Wattestäbchen und Strohhalme nicht einmal Promille der Gesamtmasse ausmachen, dann können die nicht 70 Prozent am Gesamtmüll stellen. So kann man sich irren. Ich muss mal bei meinen Nachbarn in der Tonne nachsehen, die müssen ja proppenvoll mit Wattestäbchen, Trinkhalmen und Rührlöffelchen sein.

Ich dachte an Müllsäcke, Einkaufstüten, den ganzen Dreck der in Asien und Afrika einfach in die Botanik geschüttet und vom Monsunregen in den Indischen Ozean gespült wird. Aber weit gefehlt! Das Märchen vom Recycling unserer Einweggeschirre und -bestecke ist entlarvt, und auch der Plastik-Hausmüll, in dem bei uns Trinkhalme und Wattestäbchen entsorgt werden, wird nicht in die Müllverbrennung geschickt sondern im Pazifik verklappt. Jeden Tag legen heimlich große Schüttgutschiffe von europäischen Häfen ab und bringen jedes Jahr Millionen Tonnen an Wattestäbchen und Automatenbechern in den Pazifik. Damit ist auch das Geheimnis der Müllstrudel gelöst, in denen sich große Müllinseln sammeln – die werden nicht durch Meeresströmungen zusammengetragen sondern gezielt von Ohrenschmalzbombern befüllt!

Bei anderen Wegwerfwaren – von Plastikbehältern über Trinkbecher bis hin zu klassischen Folienverpackungen, etwa für Chips, und Tragetaschen – sollen der Einsatz reduziert und die Erzeuger an der Sammlung und Verwertung beteiligt werden.“

Die Erzeuger sind bereits an Sammlung und Verwertung beteiligt. Dass das Geld, das sie der Abfallwirtschaft für das Recycling zahlen müssen, anscheinend nicht dafür verwendet wird, zu recyclen, sondern den Müll in den Pazifik zu fahren, können sie ja nicht wissen. Wusste ich bisher auch nicht.

Laut EU-Kommission machen die zehn Produktgruppen, bei denen die Einweg-Richtlinie ansetzt, etwa die Hälfte der Kunststoffabfälle im Meer aus.“

Moment mal. Erst ein paar Sätze weiter oben hat die Woge der Begeisterung, die durch die Redaktionsstube schwappte, den informativen Müllstrudel hinterlassen, es handle sich um, ich zitiere wörtlich: zehn Einwegprodukte, die 70 Prozent aller Abfälle im Meer verursachen.

Abgesehen davon, dass Produktgruppen nicht unbedingt Produkte sind, schaffen wir hier das rechnerische Wunder, dass diese einerseits die Hälfte der Kunststoffabfälle, aber gleichzeitig 70 Prozent aller Abfälle im Meer ausmachen. Der allzu häufige Umgang mit Kriminalitätsstatistiken scheint die Rechenfähigkeiten nachhaltig geschreddert zu haben.

„„Wir holen schon jetzt mehr Plastik aus dem Meer als Fisch“, sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans am Montag.“

Ach, der Fransi, die alte Lügenschleuder.
Der weltweite Fischfang (nur Wildfisch) liegt bei über 80 Millionen Tonnen pro Jahr.
Aus dem Meer geholt wird momentan noch gar nichts.
Also Lüge.
In das Meer gelangen weit weniger Abfälle als Fische rausgefischt werden, aber das ist irrelevant und sicher immer noch zu viel. Deshalb ist ja, trotz aller unwidersprochen veröffentlichten dreisten Lügen des auch sonst mit legendärer Wahrheitsliebe ausgestatteten Herrn Timmermans, durchaus lobenswert, die Vermüllung der Ozeane einzubremsen.
Dann schauen wir mal, wo der Müll so herkommt:



Äh.
Also doch Asien und Afrika?!
Also werden die Inder jetzt weniger der von ihren Müllbergen in den Ozean geschwemmten Plastiksackerl benutzen, wenn nur wir endlich beginnen, uns die Ohren mit Holzpflöcken auszuschmalzen? Oder liefern wir die gebrauchten Wattestäbchen als Entwicklungshilfe nach Afrika, wo sie nochmal benutzt und erst dann in die Flüsse gekippt werden? Verzichten die Afrikaner generell auf Kunststoff, wenn auch wir unsere Kaffeebecher wieder aus Tropenholz schnitzen?

Mit den geplanten Einschränkungen und Regeln soll es aber gelingen, diese Abfälle um die Hälfte zu reduzieren und neue Chancen für Unternehmen aufzutun. Denn nichts von dem, was verboten werden soll, wird in Europa produziert.“

Aha, wir reduzieren Abfälle um die Hälfte, die wir weder produzieren noch in die Meere kippen. Und ist das jetzt eine Hälfte von der Hälfte oder doch von den 70 Prozent – oder von sich selbst, dem Gesamtplastikaufkommen, dem Jahreskunststoffeinsatz von Aldi oder dem durchschnittlichen Verbrauch an Kaffeebechern von EU-Parlamentariern während ihrer Sitzungen?
Es gibt Nächte, da suche ich mit dem Teleskop den Nachthimmel ab, um endlich einmal den Planeten zu entdecken, auf dem die EU-Kommission wirkt.

Ab 2030 soll in der EU kein Plastik mehr verwendet werden, das nicht recycelt werden kann.“

Aus was machen die dann ihre Windräder? Momentan gibt es ja das klitzekleine Problem, dass die Dinger aus Epoxidharz-Verbundwerkstoffen geformt werden und zu gar nichts zu gebrauchen sind außer zum Schreddern und giftstoffreich Verbrennen. Sowas nennt sich Nachhaltigkeit und wurde von den Grünen erfunden.

Ach ja, einen Trost gibt es:

Diese Produkte werden nicht verschwinden, sie werden nur aus anderen Materialien gemacht werden. Sie können weiter Picknicks machen und Ihre Ohren säubern.“

Plastikbesteck braucht man nicht für Picknick, das Zeug brauchen nur Fressbuden und Caterer. Aber für die Ohren machen sich Wattestäbchen bisher doch besser als Holzpflöcke oder Spiralbohrer. Aber das ist wohl nur Gewohnheit, wir müssen eben lernen damit zu leben.
Wie mit den EU-Duschköpfen, dem Glühlampenverbot und den daraus folgernden Quecksilberschleudern in jedem Haushalt, mit der Klospülungsreglementierung, der verlangten Harnstoffeinspritzung in Abgasanlagen und dem kreischenden Düsenstaubsauger mit der am Normteppich mit Normstaub festgestellten Normkonformität.

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