von Fragolin
Ein siebenjähriges Mädchen, Tochter einer tschetschenischen
Familie, wird mitten in Wien geschächtet (mediale Umschreibung: „mit
Stichwunden im Hals“) und dann im Plastiksack in der Mülltonne
entsorgt. In einer Mülltonne, zu der nur Hausbewohner des Blocks
Zugang haben.
Natürlich blühen die Phantasien und Theorien, und dass diese
Indizien gepaart mit bereits erfolgten Erfahrungen mit bestimmten
Ethnien und Religionszugehörigkeiten ein fragwürdiges Licht auf die
Familie werfen, ist verständlich. Das muss man nicht schönreden,
dass das unappetitlich und pietätlos ist. Aber man kann daran eine
wunderbare Automatik erleben, wie Medien heute funktionieren.
Jeder denkt ja, dass es fein ist, dass große Tageszeitungen ihre
Artikel gratis ins Internet stellen, immerhin kann man so die
interessierenden Artikel lesen und gleich auch noch kommentieren.
Leserbrief is out, Kommentarposting is in. Und dann kann man auf die
Kommentare auch noch antworten oder diese mit grün oder rot
bewerten. Tolltolltoll!
Aber keiner denkt nach, wie das funktionieren kann mit dem „gratis“.
Nun, es geht so:
Jede Zeitung bedient ihre Klientel. Man wirft kleine Stöckchen hin,
von denen man weiß, dass die Forengemeinde nur darauf wartet. Man
kennt seine Schäfchen und weiß, wie die ticken. Es gibt Trigger,
auf die springen die an wie Nachbars Lumpi auf eine läufige Hündin.
Da weist die „Krone“ ihre traditionell eher rechts und
hausfraulich geprägte Klientel darauf hin, dass das Kind permanent
allein draußen gelassen wurde und oft bis in die Nacht unterwegs
war. Riecht nach Vernachlässigung. Dazu passt auch die Anzeige um
halb zwölf in der Nacht. Durchschnittliche Siebenjährige sind zum
Abendbrot drin. Und schon spult sich der ganze Reigen empörter
Eltern ab, die es nicht fassen können, wie eine Familie so ignorant
mit einem kleinen Mädchen umgeht, aber wir wissen eh, Moslems und
Mädchen, und Tschetschenen sowieso, und dann auch noch Stiche in
den Hals – die Blase kocht. Hunderte Kommentare, zigtausende Clicks
– und mit denen verdient dann die „Krone“ ordentlich Geld, denn
die halbe Seite besteht ja aus Werbeeinblendungen, und die werden
nach Clicks bezahlt. Es ist eine reine Geldbeschaffung. Und bei
hunderten Kommentaren sind eben auch mal drei oder vier dabei, die
wirklich unappetitlich sind.
Daraus macht dann der „Standard“ einen Artikel darüber, dass
„rechte Hetzer“ im Internet eine „Welle des Hasses“ gegen die
arme Familie losgetreten hätten – und schon kreischt deren
Klientel auf und es gibt hunderte Kommentarpostings, bei denen ebenso
einige vor Hass und Hetze nur so triefen, und zigtausende Clicks –
samt den damit verbundenen Werbeeinnahmen. So geht Medienbusiness
heute. Empörung schüren, Leute aufstacheln, Clicks generieren.
Fakten?
Pfeif drauf!
Emotionen schaffen Kontostand!
Da werden wildeste Vermutungen angestellt, da wird aufgebauscht, da
wird Aufregung geschürt. Es ist ein postfaktisches,
emotionsgesteuertes Geschäft mit gefilterten und über geschickte
Wortwahl mit gewollter Bedeutung gefülllten Informationen
Jeder Artikel in einer Zeitung hat nur einen Zweck: Geld damit zu
verdienen. Früher ging das über Straßenverkauf und Abonnement,
heute über Clicks im Netz. Medien sind eben nicht, wie sich gerne
selbst sehen, die großen Informationslieferanten und
Wertevermittler, Wahrheitsritter und Weltgestalter, sondern einfach
nur Händler, deren Ware nur dann reißend Absatz findet, wenn sie
entsprechend reißerisch daherkommt. Das Geschäftsmodell ist, genau
die Emotionen anzusprechen und möglichst aufzuwühlen, über die man
dann auch noch berichten kann, um noch mehr Emotionen aufzukochen.
Man kann sich schön langsam fragen, ob diese Medien, und das meine
ich quer durch die Bank, nicht die eigentlichen Spalter und
Radikalisierer in unserer Gesellschaft darstellen, denn je empörter
und tobender der Mob, desto größer die Einnahmen. Und das würde
auch erklären, warum wirklich gratis angebotene Blogs und Websites
so bekämpft und pauschal als Brutstätten von Hass und Hetze
bezeichnet werden – wenn die Leute erst mitbekommen, dass sie von
denen, die keine finanziellen Interessen haben, besser informiert
werden als von denen, die mit Emotionalität reich werden, könnte
ihnen ein fettes Geschäft entgehen.
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