Sonntag, 4. März 2018

Zwar in gewissem Sinne einen Tag verspätet


... (denn das Gleichnis vom verlorenen Sohn findet sich eigentlich am gestrigen Samstag vor dem 3. Fastensonntag), doch immer hörenswert, was Claude Debussy in jungen Jahren aus diesem schon oft vertonten Evangelientext eigenständig zu gestalten versteht:

(die Dichtung von Édouard Guinand kann hier nachgelesen werden)

Mit diesem Werk gewann Debussy (im dritten Anlauf) endlich den »Prix de Rome« — in Wikipedia lesen wir darüber:
Der Prix de Rome war zu Debussys Zeit die höchste Auszeichnung, die einem französischen Komponisten zuteilwerden konnte. Im Januar eines jeden Jahres gab es eine Zulassungsprüfung, war diese bestanden, mussten sich die Aspiranten im Mai einer Vorrunde stellen. Vorzulegen waren eine vierstimmige Fuge und nach verbindlich vorgegebenem Text ein Chorwerk, die in sechs Tagen in Klausur zu fertigen waren. Nur maximal sechs Teilnehmer wurden zur Schlussrunde zugelassen. In dieser bestand die Aufgabe in der Vertonung eines ebenfalls vorgegebenen Textes als zwei- oder dreistimmige Kantate. Der Gewinner des Prix de Rome – der erste Preis wurde aber nicht zwingend vergeben – erhielt ein vierjähriges Stipendium für den Besuch der Académie des Beaux-Arts. 

Anfangs war Debussy wenig begeistert von der Idee, er solle an diesem Wettbewerb teilnehmen. Aber seine Teilnahme war sehr erfolgreich: 1883 belegte er den 2. Platz, 1884 schließlich ging er mit der Kantate L’Enfant prodigue als Sieger hervor. Nun durfte er vier Jahre lang auf Staatskosten in der römischen Villa Medici seinen musikalischen Studien nachgehen. 
Es ist irgendwie passend, daß Debussy mit seiner siegreichen Kantate über den verlorenen Sohn in seinem Aufenthalt in der Fremde nicht glücklich wurde ...

Doch  verlassen wir nun das Gebiet der Musik, und beschäftigen wir uns kurz mit dem Gleichnis, das wohl zu den »populärsten« in der Bibel gezählt werden darf. Die unzähligen Interpretationen, die sich mit dem Verhalten des verlorenen Sohnes und der Barmherzigkeit des ihn wieder aufnehmenden Vaters befassen — ach, geschenkt! Was an Neuem könnte hier dazu noch gesagt werden ...

Vor Jahren hörte ich allerdings eine Predigt eines alten Pfarrers, der sich mit der dritten, und zumeist übersehenen, Person des Gleichnisses beschäftigte — mit dem älteren Sohn, über den Lukas schreibt:
Erat autem fílius ejus senior in agro: et cum veníret, et appropinquáret dómui, audívit symphóniam et chorum: et vocávit unum de servis, et interrogávit, quid hæc essent. Isque dixit illi: Frater tuus venit, et occídit pater tuus vítulum saginátum, quia salvum illum recépit. Indignátus est autem, et nolébat introíre.
Pater ergo illíus egréssus, coepit rogáre illum. At ille respóndens, dixit patri suo: Ecce, tot annis sérvio tibi, et numquam mandátum tuum præterívi, et numquam dedísti mihi hædum, ut cum amícis meis epulárer: sed postquam fílius tuus hic, qui devorávit substántiam suam cum meretrícibus, venit, occidísti illi vítulum saginátum.
Und der alte Pfarrer entwickelte in einer schlichten, doch tiefsinnigen Betrachtung die Bedeutung der Rolle dieses älteren Sohnes, indem er sich mit der Antwort des Vaters auf dessen Vorhaltungen näher beschäftigte:
At ipse dixit illi: Fili, tu semper mecum es, et ómnia mea tua sunt.
... und klar machte, daß im christlichen Sinne »barmherzig« und »mitleidsvoll« eben nicht bloß heißt, dem reumütigen Gestrauchelten entgegenzugehen und sich über seine Umkehr zu freuen, doch darob die unspektakuläre, tägliche Pflichterfüllung des »nicht-verlorenen Sohnes« zu vergessen, sondern daß diese Barmherzigkeit ganz im Gegenteil auch bedeutet: der »nicht-verlorene Sohn« hatte ja schon immer seinen gerechten Teil (und mehr als das!) — an seinem Vater wie an seinem Erbe. Und darin lag doch ein Geschenk, das noch weitaus größer war als dieses Freudenfest, das sein Vater für den Zurückkehrenden ausrichten ließ.

Oft hat man in der Kirche den fatalen Eindruck, daß die Umsichtigen, die Ehrsamen, die Getreuen gering geschätzt werden, gegenüber denen, die die Kirche mit großer Geste wieder »versöhnend« an ihr Herz drücken kann. Sicherlich: die Umsichtigen, die Ehrsamen, die Getreuen stehen ihrerseits immer in der Gefahr, in Selbstgerechtigkeit und kleinliches Pharisäertum zu entarten — fraglos! Doch die anderen, die mit der großen, edelmütigen Geste ebenso (wenn nicht noch viel mehr) in der Gefahr der selbstgefälligen Heuchelei, des medienwirksamen Aktionismus': »Tue Gutes und sprich darüber!«

Und ist es bloß ein Zufall, daß mir in diesem Zusammenhang ein höchstrangiger Religionsführer der heutigen Christenheit ganz spontan in den Sinn kommt ...?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Forums-Trolls, die die Kommentarfunktion zugemüllt hatten, machten die Moderation von Kommentaren nötig. Da der Blogbetreiber weder Zeit noch Lust hat, ständig den Blog zu beobachten, können auch mehrere Tage vergehen, bevor ein Kommentarposting freigeschaltet wird. Bitte um Verständnis.

Mit dem Posten eines Kommentars erteilen Sie die gem. DSGVO notwendige Zustimmung, daß dieser im Falle seiner Freischaltung auf Dauer gespeichert und lesbar bleibt. Von der »Blogger«-Software vorgegeben ist weiters, daß Ihre E-Mail-Adresse, sofern Sie sie bekanntgeben, gespeichert wird. Dasselbe gilt für für Meldung als »Follower« u. dergl. Sollten Sie nachträglich die Löschung eines Kommentars begehren, können Sie dies unter Angabe des bezughabenden Artikels, sowie von Datum und Uhrzeit ihres Kommentars tun. Ihr Kommentar wird dann innerhalb einer dem Blogbetreiber zumutbaren Zeit gelöscht wird (auch dies kann mehrere Tage dauern).

Ob etwaige Daten eines Kommentators (IP-Adresse etc.) von der »Blogger«-Software automatisch gespeichert und/oder weiterverarbeitet werden, entzieht sich der Kenntnis des Blogbetreibers, ist von diesem aber weder beeinflußbar noch kontrollierbar. Zu diesem Fragen wenden Sie sich bitte an:

https://www.google.de/contact/impressum.html

Hier finden Sie auch einen Hinweis zur »Datenschutzerklärung«:

https://policies.google.com/privacy?hl=de

Auf diesem Blog herrscht auch hinsichtlich der Kommentare weitestgehende Redefreiheit. Gelöscht werden jedoch Kommentar
1. durch deren Stehenlassen sich der Blogbetreiber strafrechtlichen Sanktionen aussetzen würde;
2. die dazu dienen, diesen Blog öffentlich zu diskreditieren;
3. Werbeeinschaltungen (auch in Form von Schleichwerbung);
4. persönliche Beleidigungen und ähnliches (bitte argumentieren Sie möglichst sachlich).
5. Kommentare, die ohne oder nur geringen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Artikel oder dem daran schließenden Kommentarverlauf gepostet werden (»off topic«), können — evtl. nach Abwägung der Informationsinteressen im freien Ermessen des Blogbetreibers — durch den Administrator gelöscht werden.

Wem das nicht frei genug ist, dem sei dringend geraten, seinen eigenen Blog zu eröffnen.