Montag, 25. Dezember 2017

Kleiner Nachtrag zu Frank Thiess

Wie so oft ist es lohnend, Prof. Anselm Salzer OSB — dessen auf diesem Blog übrigens ebenfalls gedacht worden ist — zu einem seiner Zeitgenossen zu befragen. So auch im Falle von Frank Thiess (welchen er »Thieß« schreibt) im fünften Band seiner »Illustrierten Literaturgeschichte«:
Getragen von Pessimismus ist die Weltanschauung des Livländers […]. In dem Buche »Das Gesicht des Jahrhunderts, Briefe an Zeitgenossen« (1923) analysiert er mit wissenschaftlicher Genauigkeit die seelische Grundhaltung des modernen Menschen und zeigt an den verschiedenen Beispielen, dem Journalismus, der Wissenschaft, Musik, Literatentum, dem kunstfremden Kino usw., wie sehr der Verfall der europäischen Kultur fortgeschritten ist. Auc wir finden die Zeit entsetzlich, doch wollen wir nicht mit der gleichen Einseitigkeit alles verdammen, denn es können gegen den Kulturpessimismus der Ausführungen Thieß’ gewichtige Einwände erhoben und Ansätze zu einer Aufentwicklung genannt werden. Immerhin sind diese Briefe reich an beachtenswerten Einzelheiten und in einem kultivierten Deutsch geschrieben. Die in den Briefen angeschlagenen Leitmotive kehren in seinen Dichtungen nicht nur wieder, sie finden dort erst scheinbar zwingende Gestalt. Ohne Zweifel besitzt Thieß ein nicht gewöhnliches künstlerisches Talent, doch scheint uns manches Lob, des seine Romane finden, übertrieben. Er ist, wie Georg Schäfer ihn bezeichnet, ein Zivilisationsliterat, einer, der mit großer Geschicklichkeit das ‚Instrument unserer Sprache beherrscht, der das Leben kennt und davon auch fesselnd zu erzählen weiß; aber es fehlt ihm das Letzte, die Beherrschung der Form, die matte Verschmelzung von Sinn und Sein. Man kann seine moralischen Absichten schätzen — auch da, wo die Übereinstimmung mit seinen Ideen fehlt — aber das kann nicht den Mangel an Wärme, die aus der innigen Beziehung zu den Dingen kommt, ersetzen.
(Salzer, Illustrierte Literaturgeschichte V, S 2279 f.)
Daß der zwar höchst belesene, doch zumindest ebenso katholische Pater Anselm Salzer die über Jugendwirrungen handelnden Romane »Das Tor zur Welt« (1926) und »Abschied vom Paradies« (1927) mit starkem Vorbehalt sieht, überrascht nicht: das Thema des erwachenden Eros’ wird von ihm mit ebensoviel Skepsis aufgenommen, wie Thiess’ Ansichten über Nietzsche et al.

»Die Verdammten« (1923) wurden, wie im Gedenkartikel erwähnt, von den Nazis nach ihrer Machtergreifung »den Flammen übergeben« — doch auch Salzer findet die darin geschilderte Geschwisterliebe »… ein heikles Thema«. In der Tat: es geht bis hin zur erzwungenen Abtreibung, nach welcher die Schwester den nach Jahren wiedergefundenen Bruder verläßt.

Bei diesem durchaus wertschätzenden, doch insgesamt recht kritischen Urteil Salzers ist freilich zu bedenken, daß die Mehrzahl der »großen« Werke des Autors damals (1932) noch in der Zukunft lagen — Thiess war, wenn man so will, ein literarischer Spätentwickler, der sein Meisterwerk »Tsushima« erst als Mittvierziger veröffentlichte, von den essayistischen Werken über Byzanz, bei deren Abfassung er schon in den Sechzigern stand, ganz abgesehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Forums-Trolls, die die Kommentarfunktion zugemüllt hatten, machten die Moderation von Kommentaren nötig. Da der Blogbetreiber weder Zeit noch Lust hat, ständig den Blog zu beobachten, können auch mehrere Tage vergehen, bevor ein Kommentarposting freigeschaltet wird. Bitte um Verständnis.

Mit dem Posten eines Kommentars erteilen Sie die gem. DSGVO notwendige Zustimmung, daß dieser im Falle seiner Freischaltung auf Dauer gespeichert und lesbar bleibt. Von der »Blogger«-Software vorgegeben ist weiters, daß Ihre E-Mail-Adresse, sofern Sie sie bekanntgeben, gespeichert wird. Dasselbe gilt für für Meldung als »Follower« u. dergl. Sollten Sie nachträglich die Löschung eines Kommentars begehren, können Sie dies unter Angabe des bezughabenden Artikels, sowie von Datum und Uhrzeit ihres Kommentars tun. Ihr Kommentar wird dann innerhalb einer dem Blogbetreiber zumutbaren Zeit gelöscht wird (auch dies kann mehrere Tage dauern).

Ob etwaige Daten eines Kommentators (IP-Adresse etc.) von der »Blogger«-Software automatisch gespeichert und/oder weiterverarbeitet werden, entzieht sich der Kenntnis des Blogbetreibers, ist von diesem aber weder beeinflußbar noch kontrollierbar. Zu diesem Fragen wenden Sie sich bitte an:

https://www.google.de/contact/impressum.html

Hier finden Sie auch einen Hinweis zur »Datenschutzerklärung«:

https://policies.google.com/privacy?hl=de

Auf diesem Blog herrscht auch hinsichtlich der Kommentare weitestgehende Redefreiheit. Gelöscht werden jedoch Kommentar
1. durch deren Stehenlassen sich der Blogbetreiber strafrechtlichen Sanktionen aussetzen würde;
2. die dazu dienen, diesen Blog öffentlich zu diskreditieren;
3. Werbeeinschaltungen (auch in Form von Schleichwerbung);
4. persönliche Beleidigungen und ähnliches (bitte argumentieren Sie möglichst sachlich).
5. Kommentare, die ohne oder nur geringen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Artikel oder dem daran schließenden Kommentarverlauf gepostet werden (»off topic«), können — evtl. nach Abwägung der Informationsinteressen im freien Ermessen des Blogbetreibers — durch den Administrator gelöscht werden.

Wem das nicht frei genug ist, dem sei dringend geraten, seinen eigenen Blog zu eröffnen.