von Fragolin
Der Weinberg ist geplündert (bis auf die Bordeaux-Trauben, die
brauchen noch zwei oder drei Wochen und bleiben dem Weinbauern als
September-Hobby erhalten) und der Urlaub somit beendet. Der
Kofferraum war auf der Heimreise voller als auf der Hinfahrt, was
aber mangels Interesse keinem der gelangweilt in ihrem
Grenzmanagementhäuschen sitzenden Zollbeamten an der Grenze quer
durch Österreich-Ungarn aufgefallen ist.
Ja,
die Weinlese fand in diesem Jahr im schönen südlichen Ungarn statt,
nahe der Stadt Pécs, auch unter dem Namen Fünfkirchen
bekannt. Zumindest den dort lebenden Donauschwaben, einem fleißigen
Völkchen, dessen deutsche Wurzeln zwar in den letzten drei
Generationen ordentlich gerupft wurden, die aber immer noch stolz
Deutsch sprechen. Also gut, wir nennen es Deutsch, aber es holpert
schon mal ein bisschen und ist recht gewöhnungsbedürftig. Was auch
daran liegt, dass die ganz Alten auch untereinander immer noch
Deutsch sprechen, während die folgenden Generationen das immer
weniger taten und die jungen Leute sich auch untereinander nur noch
auf Ungarisch verständigen. Einige Junge allerdings lernten es ab
den Neunzigern wieder in der Schule und sprechen wieder recht
fließend Deutsch, leben und arbeiten zum Teil auch in Deutschland
oder Österreich und verleben nur noch ihren Sommerurlaub bei den
Eltern.
Das zum
Thema Integration.
Einen
Tag besuchten wir Fünfkirchen, den kleinen aber feinen Zoo für die
Kinder, den Fernsehturm für den Weitblick und die Innenstadt, um das
für eine Stadt dieser Größe in unseren Breiten schon recht
ungewöhnliche Erlebnis, zwar innerhalb recht kurzer Zeit an zwei
Moscheen vorbeizugehen aber den ganzen Tag nicht ein einziges
Kopftuch oder einen grimmigen Fusselbart zu sehen. Das versuche man
mal in Wien, Linz, Graz, Salzburg oder Innsbruck. Ich habe auch
nichts von Gruppenvergewaltigungen oder Messerstechereien gehört,
aber ich verstehe ja auch die ungarischen Nachrichten nicht.
Einen anderen Tag unterbrachen wir die Lese für einen Besuch der
Therme Harkany, nahe der kroatischen Grenze. Die letzte Ferienwoche
lockte bei über 30 Grad nochmal viele Familien ins Freibad. Wer ein
bestimmtes Klischee von Ungarinnen hat, was deren rassige Schönheit
und laszive Eleganz angeht, dem sei bescheinigt: es stimmt. Bei
gefühlt etwa einer von hundert. Ansonsten kommen beiderlei
Geschlecht auf eine, ich will es mal so sagen, durchschnittlich recht
hohe Volksmasse. Das Leben mit Speck und Wein scheint deutliche
Spuren zu hinterlassen. Andererseits aber auch nicht ganz ungesund zu
sein scheint, denn wir trafen einige sehr betagte Leute.
Die mit Abstand beeindruckendste Frau des Urlaubs war die Mutter des
Weinbauern, eine fast 90-jährige gebeugte aber hellwache Oma wie aus
dem Bilderbuch, die es sich nicht nehmen ließ, jeden Tag mindestens
zwei Stunden bei der Lese mitzuhelfen. „Was sullet ich denn sunst
machet uf de Weinberg, nur sitzet und wartet bis ich sterbe?“
Wenn man nach Werten und Leitkultur fragt, möchte man dieses
Großmütterchen vor den Vorhang schieben. Menschen, die sich mit 90
noch schämen würden, keinen Beitrag leisten zu können, als
Kontrast zu Leuten, die mit 20 schon lachend spazierengehen und
keinen Genierer haben, den Rest ihres Lebens als Schmarotzer zu
existieren, die nicht eine Sekunde darüber nachdenken, für
empfangene Gaben eine Gegenleistung zu erbringen.
Aber genug davon, der Urlaub ist vorbei, die Kür gelaufen, jetzt
wartet wieder die Pflicht. Es wird mal wieder viel Arbeit für den
Chef liegengeblieben sein. Und ich haue mich noch heute nacht auf
einen Artikel der „Süddeutschen Zeitung“, über den ich zufällig
gestolpert bin und der mich ordentlich beschäftigt. Wird wohl ein
etwas längeres Pamphlet, aber dazu morgen mehr…
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