Donnerstag, 7. September 2017

Diffuse Ängste

von Fragolin

Bundeskanzleramt und Bundespräsidentensitz im bisher weltpolitisch eher verschlafenen Wien werden schön langsam zukunftstauglich gemacht. Ein Kommentarposter hat es hier witzig auf den Punkt gebracht: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Keiner will es gewesen sein, und die Wiener Bauarbeiter haben ja auch etwas Besseres zu tun – trotzdem wird, ohne dass es jemand entschieden haben will, eine Art Pollersperre mit Seitenteilen oder so mitten aus dem Ballhausplatz betoniert.

Haben unsere weisen Obertanen „diffuse Ängste“?
Wovor wollen sie sich schützen?

Da unsere eingeströmten passbefreiten Goldstückchen niemals nicht irgendwelche Terrortaten vollbringen würden, denn Terroristen würden ja niemals per Bus und Bahn über den Balkan kommen, wenn sie doch First Class fliegen können, wie wir gelernt haben, kann es mit den uns bereichernden Engelchen schonmal nichts zu tun haben.

Also sind es Vorsichtsmaßnahmen gegen rechtsradikale Anschläge durch die aufmarschierenden Springerstiefeltruppen der von „Zara“, die sich durch diese fleißige Sucharbeit zur künftigen Netzstasi qualifizierte, allseits verorteten Kellernazis? So eine Art „antifaschistischer Schutzwall“?

Oder haben unsere Regierenden Angst davor, dass es irgendwann dem eigenen Volk zu blöd wird und es zur Überreichung handfester persönlicher Petitionen ohne vorherige Anmeldung in den betreffenden Ämtern vorstellig werden könnte? Zieht sich der Hochadel hinter Burgmauern zurück, weil er diffuse Ängste hat, dass der Pöbel zur Mistgabel greifen könnte?
Da verschanzen sich Regierungs- und Staatsspitze hinter Betonwällen und lassen das Parlament ungeschützt. Naja, das eine sind eben die Fürsten, das andere nur die Parteisoldaten und Oppositionsnörgler...

Fragen über Fragen. Aber auffällig ist, dass mit den vollmundigen Erklärungen, dass unser freies Europa von freien Grenzen lebt und man auf jeden Schon-länger-hier-Lebenden auch jeden Vorbeiziehenden loslassen kann, das Einigeln genau jener Eliten einhergeht, die ihre Boboviertel mit Petitionen gegen den Zuzug von Asylanten schützen, ihre Kinder in Privatschulen mit Schweinefleisch am Speiseplan schicken und selbst mit gepanzerten Limousinen aus ihren alarmgesicherten und ummauerten Villen in ihre von Burgwehren geschützten Ämter fahren.

Es ist das Pappamobil-Paradox. Wenn sogar der Papst, der all seinen Schäfchen erklärt, dass ihr Leben in Gottes Hand liegt und sie keine Angst vor dem Tod haben müssen, weil sie als brave Katholiken sofort zu ihrem Heiland in das Paradies fahren, aus Angst vor einem Anschlag in einen schusssicheren Glaskasten klettert, dann passt da was nicht zusammen. Genau das Gleiche sind die Politiker, die ihren Schäfchen erklären, dass sie kleine Schisser sind, wenn sie nicht in einer Welt voller Terror und Kriminalität leben wollen, und sich selbst in gepanzerten Limousinen und hinter Betonpoller verstecken.

Ich könnte mir aber noch eine andere Nutzung für diese Mauer vorstellen: Stacheldraht drauf, Wachtürme dazu, ein doppeltes Schleusen-Stahltor, und wenn alle in ihren Ämtern und Büros sind, dann zumachen die Luke und schon sind alle da, wo sie hingehören. Das nicht ummauerte Parlament kann sich dann neu wählen lassen und aus den Vorgängen lernend einen Neustart hinlegen...

Nachtrag:

Schön, noch während dem Schreiben komme ich auf einen weiteren Link, und da ist der Bau schon gestoppt. Von dem gleichen Bundeskanzlerdarsteller, der erst vor wenigen Tagen die Bauarbeiter bei ihrem segensreichen Tun zum Schutze seines Amtes mit einer Kiste Bier beglückt hat. Und der jetzt Muffensausen hat ob der verheerenden Optik. Wird dann wohl die nächsten Wochen Hickhack geben, also die üblichen Wahlkampfpossen, und nach der Wahl weitergebaut.
Aber vielleicht hat der auch nur Angst, dass einer meinen obigen Vorschlag, die Mauer als Fundament für einen Knast herzunehmen, umsetzen könnte...

6 Kommentare:

  1. Das alles lässt sich auch kürzer sagen: Sie machen's halt den Ungarn nach.

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  2. Kürzer, vielleicht. Zutreffender aber nicht.

    Orban hat einen Zaun an der Grenze des Landes errichtet, um dessen Bewohner zu schützen. Kern wollte/will eine Mauer zum Schutz der Burg, in der er und der Almsascha sich verschanzen können.

    Wenn Sie den Unterschied nicht erkennen, kann man freilich auch nix machen ...

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  3. Worin soll der "Unterschied" bestehen zwischen einem Volk, das sich vor einer Bedrohung von außen verschanzt, und Einzelpersonen, die dasselbe tun??
    Der Unterschied ist rein quantitativ, nicht qualitativ.

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  4. Cher "Anonym",

    nein, der Unterschied ist v.a. qualitativ! Und zwar so, wie der Unterschied zwischen einem Arbeiter, der seinen Lohn am Wochenende nach Hause bringt, damit seine ganze Familie davon leben kann, und einem anderen, desr ihn nach Auszahlung bspw. im nächsten Puff durchbringt.

    Wenn Ihnen so etwas nicht auffällt, tun Sie mir leid.

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  5. @Anonym: event. sind Sie ja geistig damit überfordert, aber dennoch: bei der "Einzelperson", von der Sie schreiben, handelt es sich um den Bundeskanzler der Republik Österreich, der die Letztverantwortung für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung trägt. Und nicht nur die Verantwortung für die Sicherheit seiner Person, die vom Bundes-Grüßaugust und einiger Dutzend Beamter. Und die Finanzierung dieser Mauer trägt auch nicht die "Einzelperson" Kern, sondern wiederum die Gesamtheit der österreichischen Zwangsabgaben-Verpflichteten.

    Nachdem unsere Nomenklatura uns ja immer vorbetet, dass hierzulande keinerlei Gefahr besteht und die Ängste der Bevölkerung nur "gefühlt" sind, dann bitte auch konsequent sein und das Errichten von Mauern, die ausschließlich der eigenen Sicherheit dienen, zu unterlassen. Sonst kommt man schnell in den Verdacht, ein ebensolches Pharisäer-Arschloch wie die Schweine in George Orwells "Farm der Tiere" zu sein. Und einem solchen Verdacht sollte sich der Bundeskanzler der Republik Österreich doch nicht aussetzen, oder?

    FritzLiberal

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  6. Cher FritzLiberal,

    ... und einiger Dutzend Beamter.

    You've made my day! :-D

    Das ist fürwahr die Untertreibung des Jahres, wenn man weiß wieviel von beamtetem Steuergeldvernichtungspersonal in Bundeskanzleramt und Hofburg »arbeitet« ...

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