Heute kennt man ihn (wenn überhaupt) nur als Freund von Arnold Schönberg, vielleicht noch als Lehrer von Erich Wolfgang Korngold. Daß er alles beide nicht ohne ur-eigenste Berechtigung war, ist hingegen fast vergessen. Dabei war Alexander von Zemlinsky ein vielseitig begabter Komponist, der von Liedern, über Klavier- und Kammermusik, mehreren Opern bis hin zu Tondichtungen und Symphonien ein eindrucksvolles Gesamtwerk hinterließ.
Eines der schönsten Werke des reifen Komponisten ist sicherlich die Lyrische Symphonie in sieben Gesängen für Sopran, Bariton und Orchester nach Rabindranath Tagore op. 18 (1922/23):
Einige Jahre zuvor ging Zemlinskys Oper Eine florentinische Tragödie op. 16 als Uraufführung über die Bühne des Stuttgarter Hoftheaters. Ein rundes Vierteljahrhundert trennt diese beiden Werke von Zemlinskys Symphonie in d-moll, mit der dieser seine Musikstudien abgeschlossen hatte, und in Gegenwart von Johannes Brahms deren ersten Satz im Juli 1892 beim Semester-Abschlußkonzert dirigierte (die Uraufführung der gesamten Symphonie erfolgte einige Monate später durch seinen Kompositionslehrer Robert Fuchs):
Dazwischen liegt die Komposition von Psalm 23 für Soli, Chor und Orchester op. 14 (1910), und welche Komposition wäre besser geeignet, als Totengedächtnis für den heute vor 75 Jahren im Exil in Larchmont, einer kleinen Sadt in der Nähe von New York, verstorbenen Komponisten zu dienen, als die Vertonung dieses Psalms, dessen Worte (speziell im angelsächsischen Kulturkreis) einer der meistverwendeten Texte für Trauerfeiern ist:
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf grüner Aue,
er führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im
Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir
folgen mein Leben lang, und ich werde
bleiben im Hause des Herrn immerdar.
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P.S.: immer wieder interessant ist es, nicht nur Interpretationen desselben Werkes zu vergleichen, sondern (und vielleicht noch mehr) Vertonungen desselben Textes! Der Psalm 23 (bzw. in Vulgata-Zählung Ps. 22) ist naturgemäß unzählige Male vertont worden. In einer Fassung für großes Orchester und Chor gibt es eine, zeitlich von Zemlinskys Werk nur wenige Jahrzehnte entfernte, in ihrer Weise ebenfalls großartige Komposition von Max Bruch, welche die fast unvorstellbar große Spannweite der musikalischen Entwicklung in nur wenigen Jahrzehnten um das Jahr 1900 herum unmittelbar vor Ohren führt.
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