Mittwoch, 30. November 2016

"Papst-Kritikern droht Wegnahme des Kardinalshuts"

... titelt DiePresse mit merklicher Genugtuung. Nun, man wird sehen, ob Papa Buonasera wirklich so weit zu gehen wagt ...

DiePresse jedenfalls kramt in kirchenhistorischem Halbwissen und meint:
Erinnerungen an die Causa Groër werden wach.

 (Die Presse


Vatikanstadt. Franziskus überlegt offenbar, jenen vier Kardinälen, die ihn zuletzt öffentlich kritisiert haben, eine deutliche Antwort zu geben. Er könnte ihnen die Kardinalswürde aberkennen, ihnen ihre „roten Hüte wegnehmen“, wie es der Chef des obersten Zivil- und Strafgerichts des Vatikans, Rota, Pio Vito Pinto, formuliert.


Die Vorgeschichte: Der frühere Kölner Erzbischof Joachim Meisner, Ex-Vatikan-Geschichtsinstitutsleiter Walter Brandmüller, der strafversetzte Protektor des Malteserordens, Leo Raymond Burke, und der Alterzbischof von Bologna, Carlo Caffarra, hatten das päpstliche Schreiben „Amoris laetitia“ kritisiert. 
Nein, da werden keine Erinnerungen wach, sondern hier werden die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen (oder eigentlich, von der Verschiedenartigkeit her, eher mit Smartphones) verglichen.

In der "Causa Groër" ging es um (angebliche oder wirkliche, eine eingehende Klärung unterblieb hiezu bis heute) sittliche Verfehlungen eines Kardinals, dem aber nicht der Kardinalsrang aberkannt wurde, sondern der als Erzbischof von Wien schnell "resigniert wurde", worauf sein Koadjutor Schönborn nachrückte. Als Schönborn einige Zeit später selbst Kardinal wurde, trat Groër in Rom sehr wohl im Kardinalspurpur auf (was linke "Wir sind Kirche"-Funktionäre zur Rotglut erhitzte).

Auch die beiden anderen im Artikel genannten Fälle (Billot und O'Brien) sind nicht vergleichbar: bei dem ersteren war es seine pronocierte Unterstützung einer recht militant politischen Organisation, die Pius XI zum Ziehen einer "Notbremse" veranlaßte, beim anderen ging es um Mißbrauchsvorwürfe ähnlich dem Falle Groër. Es gehört aber schon viel Phantasie dazu, zwischen Mißbrauchsvorwürfen oder politischer Agitation einerseits, und Kritik an einer Änderung von innerkirchlichen Normen zum Sakramentenempfang einen Vergleich herzustellen.

Außer der "Vergleich" läge darin, daß die Grundnorm der Katholischen Kirche (wie deren Kritiker ja behaupten) darin läge, daß der Papst ein über jeden Einwand erhabener Diktator sei, bei dem Kritik als Majestätsverbrechen (oder warum nicht gleich: Gotteslästerung) schärfste Sanktionen nach sich zieht.

Franziskus sollte sich im Fall eines so drastischen Entschlusses, der in der Vergangenheit der letzten Jahrhunderte, wenigstens seit der Zeit nach dem Abendländischen Schisma, kein Vorbild hätte, allerdings besser umbenennen auf Papst Joseph I. 

Nicht zu Ehren des Nährvaters, sondern vielmehr des Kirchenvaters aller rücksichtslosen Diktatoren, Joseph Wissarioniwitsch Dschugaschwili, a.k.a. Josef Stalin.

Ich bin alt genug, mich persönlich noch des Dokumentes einer Gruppe von Kardinälen unter Führung von Ottaviani zu entsinnen, welche damals gegen verschiedene Neuerungen im Novus Ordo Missae schwerwiegende Vorbehalte anmeldeten. Paul VI reagierte darauf nicht mit einer Absetzung der betreffenden Kardinäle. Zu Zeiten Pius XII (dem mangelnde Wertschätzung für die Position des Päpstlichen Stuhles fürwahr nicht vorgeworfen werden kann!) gab es einen Kardinal, welche aus Protest gegen Pius' XII Kirchenpolitik den Vatikan nie betrat. Auch er wurde seines Kardinalates nicht entkleidet.

Bloße Kritiker ihrer Ämter und Ränge zu berauben, ist stets das Zeichen diktatorischen Vorgehens. Die vier Kardinäle haben ja nicht mit einem Schisma gedroht, oder ihrerseits den Papst zum Rücktritt aufgefordert, oder gar einen Kardinalsputsch unter dem Vorhalt einer Geisteskrankheit oder sonstigen Amtsunfähigkeit des derzeitigen Papstes angezettelt. Sie haben in offenen Worten ihrer Sorge Ausdruck verliehen, und das muß auch in einem Autoritätsapparat, der nicht zu einer totalitären Maschinerie à la KPdSU verkommen will, möglich und zulässig sein.

Sollte Papa Buonasera tatsächlich zu dem Mittel greifen, Kardinäle wegen einer Kritik an seinen Neuerungen zu degradieren, werde ich für meine Person jedenfalls die Konsequenz daraus ziehen, und aus der Kirche austreten. Es wird dem Papst zwar herzlich egal sein, ob ein Schäfchen aus der Herde von mehr als einer Milliarde davongeht, aber irgendwie wäre dieser Schritt für einen Freiheitsfreund wie mich dann ebenso logisch wie unaufschiebbar. Einer Organisation anzugehören, die mit solchen Mitteln ihre "Disziplin" wahren muß, ist nicht nach meinem Geschmack. 

Was die jetzt unter Beschuß geratenen Kardinäle betrifft, wünsche ich ihnen, der Kirche und uns allen, daß sie suaviter in modo, doch fortiter in re dem Papst durch ihre Verhalten zeigen, daß auch seine kanonisierte "Unfehlbarkeit" nicht mit schrankenloser Willkür und Alphatier-Gehabe identisch ist. Im Fall der drei bereits emeritierten Kardinäle Meisner, Brandmüller und Caffarra wäre die Drohung mit einem vollständigen "Rausschmiß" darüberhinaus das Anzeichen bodenloser Menschenverachtung: es gibt Pietätspflichten gegenüber alten, langgedienten und verdienten Mitarbeitern auch für einen Papst, auch für einen kurialen Apparat! Im Falle von Kardinal Burke hat dieser bereits die schnell erregbare Ungnade des derzeitigen Papstes zu spüren bekommen, indem er faktisch schon in die Wüste geschickt, und auf eine bloße Titularfunktion abgeschoben wurde.

Ich wünsche den betroffenen Kardinälen den Mut, vor den unverhohlenen Drohungen und der seitens "geschmeidigerer" Kurialer einsetzenden sozialen Ausgrenzung nicht einzuknicken. Alles andere wäre Verrat an Geschichte und Geist des Kollegiums, dem sie (noch) angehören. Dieser Geist war wenigstens vor einigen Jahrzehnten noch lebendig, damals, als die Reform des Kardinalskollegiums alle über 80-jährigen Kardinäle des Papstwahlrechts beraubte; auch das schon ein beispielloser Eingriff in die Rechte der Kardinäle, in Gang gesetzt aus dem Bestreben Pauls VI, sich ein ihm erwünschtes Wahlorgan für seine Nachfolge schneller ernennen zu können. Gleichzeitig wurde die bisher immer vom ältesten Kardinal-Bischof ausgeübte Würde des Kardinal-Dekans (als formellem primus inter pares des Kollegiums) zu einer gewählten Funktion umgebaut, und der Papst-Günstling und damalige Staatssekretär Villot im Blitzverfahren zum Kardinalbischof ernannt: ein Wink mit dem Zaunpfahl, nach dem Ableben von Kardinal Tisserant diesen noch relativ jungen Kardinal gefälligst zum Dekan zu wählen!

Die Eminenzen entschieden anders: sie wählte Amleto Kardinal Cicognani zu ihrem neuen Dekan. Den Ältesten unter ihnen. Gegen den der Papst jedoch, da er selbst ihn wegen seiner außerordentlichen Fähigkeiten und seines Elans weit über die von ihm verfügte Altersgrenze von 75 als Staatssekretär im Amt verlängert hatte, keinen Einwand erheben konnte.

Paul VI soll damals, so raunen eingeweihte Kreise, über diesen klugen und souveränen Schachzug der Purpurträger vor Wut geschäumt haben. Daß er sie wegen dieser symbolischen Ohrfeige jedoch ihrer Ämter enthoben hätte, war nicht der Fall. Nun ist zwar Paul VI jener Papst, an den ich meine ersten klaren Erinnerungen bis ins junge Erwachsenenalter hinein habe (denn ich habe zwar schon Pius XII "erlebt", aber schon Johannes XXIII ist mir nur in confuso im Gedächtnis geblieben, genau erinnere ich mich eigentlich nur mehr an die Fernsehübertragung seines Requiems); dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, war ich nie wirklich ein "Fan" Pauls VI, muß ihm jedoch konzedieren, hier korrekt reagiert zu haben.

Sollte der derzeitige Papst jedoch die Stirn haben, auf eine bloße Kritik mit Degradierung höchster kirchlicher Würdenträger zu reagieren, dann wäre das nicht bloß für ihn die blamable Enttarnung als rachsüchtiger Kleingeist (nun, dies wäre, wenigstens für mich, nicht überraschend ...), sondern für die gesamte Kirchenleitung ein fatales Signal eines bedenkenlosen Agierens par ordre du mufti, der ungute Assoziationen in Richtung auf eine doch recht andere "abrahamitische Religion" aufsteigen ließe ...


4 Kommentare:

  1. Sehr viel Zeit und Zeilen werden hier auf einen Fall bezogen, den niemand für realistisch hält. Der Rota-Chef hat hier aus rein taktischen Gründen eine Räuberpistole gezündet. Da kommt gar nix. Die vier Kardinäle haben ihre "Dubia" der Welt eröffnet. Kann man machen. Der Papst nimmt das zur Kenntnis, antwortet ihnen aber nicht. Kann er ebenso machen. Ung gut is.

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  2. Cher (chère) Anonym,

    nun, ich habe schon für weitaus unrealistischere Fälle, die mir aber wichtig erschienen, Zeilen geschrieben ... es ist ja niemand gezwungen, sie zu lesen (und gar noch Zeilen auf einen Kommentar zu verschwenden ;-) ...).

    Dennoch: auch wenn das, wie Sie meinen, eine bloße "Räuberpistole" wäre, so verriete diese eine höchst bedenkliche Verluderung der Rechtssitten. Denn der Chef der rota ist ja nicht irgendwer, sondern (wenn man mal von der Signatura Apostolica, der pikanterweise Kardinal Caffarra als Mitglied angehört, absieht) der Präsident des vatikanischen Höchstgerichtes.

    Wenn so jemand mal anfängt, "Räuberpistolen" abzuschießen, dann sind balkanesisch-mafiöse Verhältnisse nicht mehr weit.

    Wenn so jemand aber von "höherer Stelle" (und das kann dan eigentlich nur mehr The Pope himself sein) vorgeschickt wird, um alle prospektiven Kritiker mundtot zu machen, dann ist das erst recht ein Skandal. Dann wäre die RKK jene stalinistische Diktatur, als die sie ihre Gegner stets bezeichnen.

    Egal sein sollte das niemandem ... egal wie er zum jetzigen Papst oder zur RKK überhaupt steht.

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  3. "Päpstlicher Stuhl" - das ist sehr zutreffend. Mehr ist nicht zu sagen.
    D.a.a.T.

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  4. @D.a.a.T.

    Ihr "Witz" ist so alt, daß er vermutlich bereits, in Hieroglyphen gemalt, an den Latrinenwänden der aus Ägypten geflüchteten Israeliten zu lesen war ...

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