Freitag, 21. Oktober 2016

"Das Attentat gegen die österreichische Moral"

... nennt "DiePresse" die Ermordung des k.k. Ministerpräsidenten Graf Stürgkh. Nun, der Artikel ist durchaus lesenswert, nur manche Bewertungen (so eben auch die in der Schlagzeile implizierte) sind doch einigermaßen schief:
Am 21. Oktober 1916 erschießt der Sozialdemokrat Friedrich Adler, Sohn des Parteigründers Victor Adler, den Ministerpräsidenten Karl Graf Stürgkh. Über einen in Vergessenheit geratenen "Tyrannenmord".

 (DiePresse.com


21. Oktober 1916 am frühen Nachmittag, im Wiener Cafe Meißl & Schadn. Während der österreichische Ministerpräsident Karl Graf Stürgkh ein angeregtes Gespräch führt und zum schwarzen Kaffee Zigarre raucht, isst ein paar Tische weiter ein Fremder seinen Pflaumenkuchen fertig und zahlt - er will schließlich kein Zechpreller sein. Dann steht der Mann auf und nähert sich dem Tisch von Stürgkh. Kurz darauf krachen drei Schüsse. "Graf Stürgkh sank zur Seite und dann zu Boden. Ein Blutstrom ergoß sich über sein Gesicht. Blut bedeckte seine Kleider, Blut spritzte auf das Tischtuch und auf die Speisenkarte, die noch auf dem Tische lag", schreibt die "Neue Freie Presse" einen Tag später.
Allein die in der Prozeßführung und der darüber stattfindenden Berichterstattung deutlich erkennbare (relative) Freiheit und Offenheit läßt erkennen, daß die ach so pöhse Kriegsdiktatur des Grafen Stürgkh so fürchterlich wohl nicht gewesen sein dürfte. Jedenfalls kaum fürchterlicher als die Kriegsdiktatur, die bspw. ein Roosevelt im 2. Weltkrieg unterhielt, mit Konzentrationslagern für japanischstämmige US-Bürger, Einschränkungen der Pressefreiheit und anderer Bürgerrechte etc. etc.

Wenn F.A. v. Hayek 1979 die enthusiastische Hymne auf den Mörder des Ministerpräsidenten aus dem Munde der damaligen SPÖ Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg  als Lobpreis eines Terroraktes bezeichnete (wobei vom Presse-Artikelschreiber "Terrorakt" natürlich gleich in relativierende Anführungszeichen gesetzt wird ...), und dafür von einem Arbeiterzeitungs-Schreiberling namens Marschalek wie folgt angerotzt wird:
Hayek, dem offenbar die bundesdeutsche Perspektive von 1979 den Blick für die historische Realität von 1916 verstellt hat, vergißt, daß die wahren Terroristen, die einen blutigen Weltkrieg angezettelt hatten, damals in der k.u k. Regierung saßen. Stauffenbergs Attentat auf Hitler war wohl auch ein verwerflicher 'Terrorakt'?
... kann einen das angesichts einer in sich kriminellen Vereinigung wie einer Sozialistischen Partei auch nur im mindesten verwundern? Die wahren Terroristen, die einen blutigen Weltkrieg angezettelt hatten, saßen nämlich nicht in der k.u.k. Regierung, sondern zu allererst einmal in Belgrad, dann in Paris, London und St. Petersburg. Daß ein Land, dessen Thronfolger von einem vom serbischen Geheimdienst angeworbenen Gymnasiasten ermordet wurde, gegen Serbien einschreiten würde, war in Zeiten intakterer Ehrbegriffe als heutzutage wohl klar. Daß die Alliierten das als willkommenen Anlaß sahen, die als lästige Konkurrenz betrachteten Mittelmächte zu zerstören, war dagegen keineswegs unvermeidlich, sondern von den Alliierten Mächten gewollt und geplant.

Die Attentate, zunächst das auf den Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin (was angesichts deren politischer Bedeutungslosigkeit nur als blanker Mord zu qualifizieren war!) und dann das auf den Grafen Stürgkh, brachten in Österreich jedenfalls einen auch für die damalige Zeit schon beispiellosen inneren Frieden zum jähen Ende. Ausländische Besucher waren immer verblüfft, wenn sie sahen, daß ein Kaiser Franz Joseph "einfach so" in der offenen Kutsche quer durch Wien fuhr, nur von ein paar Offizieren zu Pferd "geschützt", in Wahrheit des facto ungeschützt. Auch daß ein Ministerpräsident einfach in einem Restaurant, jederzeit ermordbar, beim Mittagessen saß, gehörte eben zu dieser Kultur der Friedlichkeit, die heute vor hundert Jahren unterging ...

Nein, ich korrigiere mich: ich erinnere mich, daß ich vor knapp vierzig Jahren einmal beim damaligen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes vorstellig werden sollte, und beim Eingang zur "Böhmischen Hofkanzlei" (wo Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof residierten) suchend um mich blickte. Der vor seiner Loge stehende Portier fragte mich: "Zu wem wollen S' denn?" Um mir auf meine Antwort "Zum Herrn Präsidenten Melichar" den Weg mit den Worten "Die Stiege rechts hinauf in den ersten Stock, und dort den Gang bis zum Zimmer Nr. ..." zu weisen. Das war zu einer Zeit, in der in Deutschland die Höchstgerichte bereits nur noch mit Ausweisleistung und Leibensvisitation zu betreten waren ...



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