Montag, 29. August 2016

Mein grünes Buch

... steht in der Bibliothek. Es beginnt so:

Hinter der Findermeute

   »Sau tot« und »Jagd vorbei« bliesen die Hörner, die Pleßschen kurz und hart, die hannoverschen lang und weich. Ich stand unter der Kuppe des Hallermundkopfs auf dem Wege und sah hinab in das Tal, ließ mir den Sturm um die Ohren pfeifen und mir gelbe Blätter um die langen Stiefel wehen und freute mich an dem Geläut der Meute, an dem Hu Su! der Rüdemänner, wie ich mich vorhin gefreut hatte an dem Knall der Büchsen, am Brechen und Blasen der Sauen. Ich sah das Fangeisen blitzen in des Kaisers Hand, sah das Hauptschwein nach den Hunden schlagen und sah es zusammenbrechen.
   Da tauchte unter mir in den rotlaubigen Winterbuchen und den hohen gelben Schmielen ein grüner Rock auf, ein grüner Hut, dazwischen ein derbes, rotbäckiges, bartumrahmtes Gesicht, schweißglänzend; ein Lächeln zog in das Gesicht, eine vom Schweiß der Sauen gerötete schwere Hand fuhr grüßend an den grünen Hut und streckte sich dann meiner Rechten entgegen.
   Es war der Rüdemann. Wie er so dastand, das Rüdemannshorn und die kurze Wehr an der Seite, die lange Rüdemannspeitsche in der Linken, rotbespritzt bis an die Oberschenkel, rote Schweißstreifen und Schweißspritzer am grünen Rock, da dachte ich mir: Ob es nicht viel lehrreicher für dich ist, morgen bei der Meute zu bleiben, mitzustürmen durch Dorn und Dickung, als hinter den Ständen zu bleiben? Im Jagen ist's doch schöner als hinterm Jagen.
   Am andern Morgen, als die Meute zu Holz zog, zog ich mit in dem sonderbaren wilden Zug. Voran die beiden Rüdemänner, dahinter die Hundeführer in ihren verschossenen Joppen, in ihren verwetterten Hüten und ihren geflickten Hosen. Jeder führte an der Koppel zwei Hunde; einige der Männer trugen die Saufedern, deren scharfes Blatt Lederkappen verhüllten.
   Mit lautem Hals zog die buntscheckige Meute bergan. Wütend rissen die jagdlustigen Rüden an den Koppeln und zerrten die Führer berganwärts, dem Gersieck zu. Der Sturm in den hohen Buchen pfiff ein lustiges Jagdlied; der Hals der Meute dazwischen, die Zurufe der Führer, das klang nach alten Zeiten.
(Hier weiterlesen
Kenner werden es kennen. Spötter werden darüber spotten. Es ist eine, zugegeben, fremde Welt für mich: ich bin kein Jäger. Dennoch ... trifft auf dieses Werk zu, was ein Germanist namens Hans- Albrecht Koch hochgemut abkanzelnd über das Werk seines Autors insgesamt schreibt (und damit in der deutschen Wikipedia genüßlich zitiert wird)? Nämlich:
„Banalste Gedichte, von denen einige durch Vertonung überlebt haben, und Provinzprosa, die der Blut-und-Boden-Literatur zumindest vorgearbeitet hat und für die der Ausdruck Kitsch noch ein Euphemismus ist: nicht viel anders wird wohl jeder, der über einigen literarischen Geschmack verfügt, das Werk von Hermann Löns charakterisieren.“
Ich wage die Prognose, daß in einer Zeit, in der die Schriften dieses Professors Hans-Albrecht Koch längst ungelesen im digitalen Friedhof germanistischer Institutsbibliotheken ruhen, es immer noch Menschen (auch solche, die über einigen literarischen Geschmack verfügen) geben wird, die Hermann Löns lesen ...

Heute vor 150 Jahren, am 29. August 1866, wurde zu Culm dieser „Schriftsteller der Heide“ geboren. Nach einem bewegten Leben ist er am 26. September 1914, also bereits kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs, an dem er 48-jährig als Kriegsfreiwilliger teilnahm, beim Sturmangriff französischer Truppen in der Nähe von Reims gefallen.


9 Kommentare:

  1. Löns hat halt keine Anglismen verwendet. Daher schrieb er tief unter dem heute selbstverständlichen Level.

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  2. Eine ver-rückte Zeit, heute.
    Alles Verderbliche wird gepriesen,
    Alles Erhebende in die Gosse gekippt.
    Kunst aus Blut und Scheisse ist meisterlich,
    Kunst als das Bemühen dem Großen Künstler und seinen Werken nahe zu kommen, wird bestenfalls belächelt.
    Der Künstler, nicht das Kunstwerk wird beurteilt.

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  3. ... und mit demselben bis zum Halali-Pathos euphorisierten Hatz- und Abschuss-Fanatismus rannten sie bei ihres Kaisers Ruf zu den Waffen sofort begeistert los, um europaweit fortan Menschen zu jagen und zu töten.

    Sie erlegten eine bis dahin unerreichte Strecke von insgesamt etwa 17 Millionen Beutekörpern, bzw. lagen als zerfetzter Fleischbrei-Kadaver selber mitten drin. Das aber reichte ihnen in ihrem kleinkarierten perversen Größenwahn noch nicht, dann unterm Junkie Adolf und Morphinschlucker Göring mit ähnlich irren Jägermeister-Ambitionen schafften sie es danach, sogar ca. 50 Millionen Lebewesen zu exekutieren.

    Wer solchen hurrapatriotischen Massenmördern von den Befehlshabern bis zum Schützen Arsch heute noch Respekt zollt, hat aus der zweimaligen deutschen Weltkriegs-Geschichte vermutlich nix gelernt. Oder wollen wir vielleicht noch ein drittes Völkerschlachten anzetteln, um die Verlierer-Schmach der ersten beiden tollwütigen Horrorszenarien zu rächen?

    Und ob der Heide-Löns mit seinen langatmig an Manie grenzenden Naturbeschreibungen nun ein großer Dichter war oder nur in Ermangelung echter Künstler erhöht wurde, um bis heute Touristen anzulocken, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Jedenfalls stellte man im wachkomatösen Kaff Walsrode, auch als Hells-Angel-Filz-Dorf bekannt, eine Skulptur vom Hermann auf und rühmt sich vollmundig als Lönsstadt, zumal in der Nähe ja auch sein Grab recht werbewirksam heidnisch in Szene gesetzt ist. Diese Provinztrottel haben außer Drafi Deutscher, der dort mal wohnte bzw. hauste, ja auch sonst keinen Z-Promi, mit dem sie sich angeberisch aufwerten können.

    Ich muss aber gestehen, dass die typische Heidelandschaft eine gewisse romantisch verklärte Melancholie in mir auslösen kann, die dem hektischen Wir-schaffen-das-Zeitgeist völlig entschwebt. Voraus gesetzt, es rollen gerade keine Pferdebollerwagen mit Volkslieder krächzenden Besucherhorden vorbei, die mit ihrer groben Lautheit alles andere übertönen. Und dafür reist dieses meist urbane Herdentrieb-Grölpack dann extra in die Natur.

    Die Evolution zum Menschen, der diesen Titel auch verdient, scheint an vielen deutschen Nacktaffen spurlos vorbei gegangen zu sein.

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  4. Damaszenerklinge31 August, 2016 12:34

    @Heidjer:

    "Die Evolution zum Menschen, der diesen Titel auch verdient, scheint an vielen deutschen Nacktaffen spurlos vorbei gegangen zu sein."

    An dir offenbar auch.

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  5. @ Damaszenerklinge

    Oh, da fühlt ein sich besonders scharf geschliffen dünkender Stahlgewitter-Haudegen von mir schon wieder auf den spießbürgerlich akurat gebügelten Patrioten-Schlips getreten und meint, heldenhaft zurück trampeln zu müssen.

    Beim 1. Mal ja noch mit geschichtlichen Fantasie-Argumenten, die danach aber vom Kommentator Gernot zerpflückt wurden, und darum jetzt wohl ohne eigene Erklärung, aber dafür persönlich beleidigend.

    Janz jroßet Kino.

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  6. "Junkie Adolf und Morphinschlucker Göring mit ähnlich irren Jägermeister-Ambitionen schafften sie es danach, sogar ca. 50 Millionen Lebewesen zu exekutieren."


    Gernot hat hier aber auch"Putzgers Historischen Weltatlas" zu liegen, mit der eindrucksvollen Karte der Weltkriegstote, dort neutral als "Bevölkerungsverluste" bezeichnet. Nach diesem Werk kommt er auf überschlagen 30 Millionen Tote in Europa. Die wurden nicht alle von Deutschen getötet.
    Darunter befinden sich weit über 5 Millionen Deutsche. Die Nachkriegstoten sind dabei nicht berücksichtigt.

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  7. @ Gernot

    ich würde mich nicht auf eine einzige Quelle verlassen, denn es gibt schließlich auch reichlich andere seriöse Statistiken mit anderen Totenzahlen.

    Und wenn darin dann z.B. von allein 27 Millionen russischen Opfern die Rede ist, und es rund 6 Millionen deutsche Tote als unmittelbare Folge des 2. Weltkrieges geben soll, dann wurde bereits dadurch die von Ihnen genannte Zahl weit übertroffen.

    Ich denke aber, es steht uns trotz unserer persönlichen Gnade der späten Geburt als Verursachervolk solch unvorstellbaren Elends nicht zu, erbsenzählerisch darum zu feilschen, auf wessen Massenmordkonto dieser oder jener Tote zu verbuchen ist, um besser da zu stehen.

    Die deutsche Grundschuld ist Fakt und kann auch durch 10 Millionen mehr oder weniger umgebrachte Menschen nicht reduziert werden!

    Wir können darum nur eins tun: eine Wiederholung mit allen Mitteln vermeiden.

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  8. Cher (chère?) "Heidjer",

    den Aplomb, mit dem Sie sich in der Kommentarfunktion betätigen, weiß die Redaktion des LePenseur-Blogs wertzuschätzen. Es ist noch ein bisserl schwer einzuordnen, was Sie schreiben ... aber macht nichts: vielleicht klären sich mit der Zeit Ihre Standpunkte.

    Sie schreiben:

    ... es steht uns trotz unserer persönlichen Gnade der späten Geburt als Verursachervolk solch unvorstellbaren Elends nicht zu, erbsenzählerisch darum zu feilschen, auf wessen Massenmordkonto dieser oder jener Tote zu verbuchen ist, um besser da zu stehen.

    Die deutsche Grundschuld ist Fakt und kann auch durch 10 Millionen mehr oder weniger umgebrachte Menschen nicht reduziert werden!


    Erlauben Sie, daß dem hier in aller Deutlichkeit widersprochen wird. Es gibt da eine wunderbar illustrative Anekdote der legendären Lady Astor, die irgendwann, noch in den Zeiten von Hitlers Aufstieg als Oppositionspolitiker, bei einem Diplomaten-Dinner auf die beiläufig in die Runde gestellte Frage: "Wer eigentlich jemand, wo dieser Hitler geboren wurde?" blitzschnell die treffende Antwort gab: "In Versailles!"

    Dieses als erster Einwand bezüglich "Verursachervolk". Als zweiter Einwand: es gibt kein "Verursachervolk", es sei denn, Sie fänden die Ausrottung der Juden als "Volk der Christusmörder" besonders hipp, oder die Islamkeule auf jeden Araber (auch die nicht muselmanischen), denn das Arabervolk wäre dann unbestritten das "Verursachervolk" der Blutspur, die diese "Religion des Friedens" seit ihrem Bestehen durch die Geschichte zog und zieht (es gibt recht plausible, gut recherchierte Berechnungen, daß es sich dabei um > 250 Mio. Opfer handelt; eine Zahl, die Hitler & Stalin zusammen vor Neid erblassen ließe).

    Sorry, und der Ausdruck "deutsche Grundschuld" ist kompletter Unsinn. Genauso wenig, wie heutige Polen für die Vertreibung der Deutschen aus Schlesien oder Ostpreußen eine "polnische Grundschuld" haben, genauso wenig hätten Sie für einen (hypothetisch mal angenommen) Mörder-Großvater eine "Grundschuld".

    Schuld ist etwas höchstpersönliches und kann denkmöglich nicht vererbt werden. Sie kann bei heutigen Nutznießern früherer Schuld im Maße dieser Nutznießung als persönliche Schuld pro rata parte neu entstehen, aber das war's dann schon auch.

    In Betracht der flächendeckenden Zerstörungen in Deutschland und der Entwertung des Geldvermögens durch die Währungsreform, der jahrzehntelangen namhaften Sühnezahlungen an Naziopfer etc. etc. wird es - von einigen Arisierungs- und Kriegsgewinner-Erben mal abgesehen, aber solche pflegen ihre diesbezüglichen Schuldkomplexe durch Veranstaltung gefälschter "Wehrmachtsverbrechen"-Shows abzureagieren - beim "deutschen Volk" (als Gesamtheit betrachtet) eine solche Nutznießung früherer Schuld sicher nicht mehr geben. Der heute (noch!) bestehende Wohlstand wurde zum überwältigenden Teil durch den Fleiß in der Zeit nach 1945 geschaffen.

    Was nun die von Ihnen offenbar befürchtete "Wiederholung" betrifft: wovon sprechen Sie da überhaupt?

    Von KZs? Die sind in Deutschland weitaus unbekannter als in anderen Staaten in West und Ost. Soweit sie nach 1945 auf deutschen Boden bestanden, waren sie in der früheren DDR, und wurden nach 1990 nicht weiterbetrieben; und nicht einmal die SED-Nachfolgepartei wirkt so, als ob sie eine Wiedereinrichtung ernstlich anstrebte.

    Von Angriffskriegen? Auch hier fällt einem bei einem kurzen Blick in die Annalen nach 1945 eher die eine oder andere Supermacht ein, aber nicht die rückgratgebochene Buntesrepublik Merkelstan.

    Ihre Befürchtungen einer "Wiederholung" sind daher etwa so real, wie die Angst mancher erzprotestantischer Kreise vor der Wiedereinführung der Inquisition durch den Papst.

    Ein größerer Meteoriteneinschlag, der die Zivilisation der Erde zum Erlöschen bringt, wäre da vermutlich die wahrscheinlichere Gefahr.

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  9. Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, dass die Toten der Säuberungswellen Stalins, der vielen Angehörigen sowjetischer Völker, die gegen die SU kämpften
    (Litauer, Letten, Esten, Ukrainer, Georgier, Kalmücken, russische Rona u.v.m.), der europäischen und vorderasiatsichen Verbündeten Deutschlands, der sowjetischen Judenverfolgung, der polnischen Judenpogrome während der Besatzungszeit, der vielen sich bekämpfenden Partisanen- und Regierungskräfte auf der Balkanhalbinsel, in Frankreich usw. sowie diejenigen alliierter Kriegsverbrechen (Hamburg, Dresden) auch nicht einfach den Deutschen zugeschoben werden können.
    Es bestehen bestehen gravierende Unterschiede zwischen bloßer Kausalität, Ursachen und Schuld. Letztere ist immer etwas Individuelles.

    Die Zahlenangaben sind in einschlägigen Geschichtswerken gleich. Putzgers Almanach ist offizieller Schulstoff.
    Manchmal werden allerdings Nachkriegstote
    (außer Rheinlager, Vertreibung, Bleiburg, Barbara-Stollen, Rache- und Lynchjustiz usw., da sind m.W. noch gar keine Zahlen gesichert; die Angaben widersprechen sich um zehntausende, ja hundertausende)
    hinzugezählt, z.B. die sowjetischen Maßnahmen gegen ihre befreiten Kriegsgefangenen, das Verhalten ggü. den Völkern der annektierten Sowjetrepubliken, die mit den Deutschen sympathisierten, die Ermordung der Kosaken oder die Säuberungsaktionen in Frankreich ("Kollaboration"), die Verluste durch die fortdauernden Bürgerkriege in der SU ("Waldbrüder") in Griechenland und teilweise in Italien usw.

    Wenn ich auch eine Wiederholung eines in irgendeiner Weise auch von Deutschland ausgehenden Krieges, z.B. in pathetischer Charismaübersteigerung für "Befreiung und Demokratie" treu an der Seite der VSA, unter allen Umständen vermeiden wollte, obwohl mir jegliche Mittel dazu fehlen, finde ich es doch nicht unbedeutend, ob 10 oder 20 Millionen Menschen mehr oder weniger umkamen. Man muss sich mal überlegen, wovon man da spricht. Der gewaltsame Tod ist nämlich für jeden Einzelnen die ultimative Singularität, und die vollzog sich (oder vollzog sich nicht) millionenfach, doch immer individuell. Das kann man nicht mit "Erbsenzählen" abtun, und ums Besserdastehen geht es dabei schon gar nicht, sondern ums Erforschen der Ursachen, u.a. zwecks Vermeidung von Wiederholung.
    Ich wünschte einfach, es wären so wenige Menschen wie historisch möglich betroffen gewesen. Aber ich halte es für verkehrt, Tote verschiedener Ursachen in die Schuld einer Seite zu rücken.

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