Sonntag, 22. Mai 2016

Wort zum Sonntag: »Blutsauger!« ... also: wer nun?

Papst Franz predigt (rv 19.05.2016 cs):
Seinen eigenen Reichtum auf der Ausbeutung anderer aufzubauen, ist „Blutsaugertum” und Todsünde. Das sagte Papst Franziskus an diesem Donnerstag in der Morgenmesse in der vatikanischen Casa Santa Marta.

Er nahm vor allem die in Italien, aber auch anderen Ländern weit verbreitete Unsitte aufs Korn, befristete Verträge anzubieten, die keinerlei Pensionsansprüche und soziale Sicherheit bieten. Dieses sogenannte Lohndumping sei modernes Sklaventum, das aufs Schärfste zu verurteilen sei. „Denken wir nur im Hier und Heute: Auf der ganzen Welt passiert das gleiche. ,Ich will arbeiten’ – gut; sie bieten dir einen Vertrag an. Von September bis Juni. Ohne die Möglichkeit einer Rente, ohne Krankenversicherung… Im Juni setzen sie den Vertrag aus,, im Juli und August muss der Arbeitnehmer Luft essen. Und im September bekommt er den Vertrag wieder. Die, die das machen, sind wahre Blutsauger und leben von den Blutspenden der Menschen, die sie zu Arbeitssklaven machen!“
Seltsam genug: wenn ich irgendwann im Juli oder August von meiner Arbeit genug habe und zwei, drei Wochen auf Urlaub gehe, dann merke ich ein paar Wochen später eine deutliche »Delle« auf meinem Konto: eigenartig ... aber in meinem Klientenkreis will mir keiner ein Honorar dafür zahlen, daß ich mir im Süden die Sonne auf den Bauch scheinen lasse ... ... diese Blutsauger! Die wollen doch glatt Leistung für ihr Geld — welch eine Frechheit!
Die Praxis der befristeten Arbeitsverträge, die den Arbeitnehmer insbesondere über die Sommermonate ohne Gehalt und Broterwerb lassen, hat in Italien bis in den Staats-dienst Einzug gehalten. Sogar Aushilfslehrer müssen für die Sommermonate Arbeits-losenunterstützung beantragen, die in den seltensten Fällen zeitnah und in aus- reichendem Maße bewilligt wird. Diese Unsitte werde bereits in der Bibel verurteilt, sagte der Papst und bezog sich auf die Lesung des Tages aus dem Jakobusbrief, in dem „die Schreie“ der Arbeiter bis zu Gott hallen. 
Haben Seine Heiligkeit mal darüber nachgedacht, warum Arbeitnehmer ohne Gehalt und Broterwerb  gelassen werden? Bekanntlich stellen qualifizierte Mitarbeiter auch ein durchaus wesentliches asset eines Betriebs dar, und kein Unternehmer ist gut beraten, die Mitarbeiter nicht möglichst pfleglich zu behandeln, sonst wechseln sie nämlich zur Konkurrenz. Und das wäre doppelt schlecht: sie arbeiten nicht nur nicht für einen (und mindern damit den sonst erzielbaren Profit), sondern tun dies sogar für den Konkurrenten am Markt (und mindern damit sogar den Umsatz, und indirekt nochmals den Profit). So zu handeln ist also unklug.

Warum aber handelt der Staat mit seinen Aushilfslehrern trotzdem so? Ganz einfach: er braucht eine Konkurrenz nicht zu fürchten, denn es gibt sie (fast) nicht. Sie wird durch unfaire Startvorteile des Staates als Bildungsanbieter nämlich sehr effektiv marginalisiert:
  1. durch Lohnnebenkosten (die dem Staat letztlich egal sein können, da er sie mit der linken Hand bezahlt und mit der rechten gleich wieder vereinnahmt) zwingt er die Privatanbieter in Preisregionen, die ihre Leistungen einfach zu teuer machen. Nämlich u.a. deshalb, weil
  2. die Höhe der Steuer- und Beitragslasten bei allen (d.h. sowohl Unternehmern wie auch Arbeitnehmern) zu wenig Netto vom Brutto übriglassen, als daß man sich teure Privatschulen leisten könnte. Und ist auch das noch nicht ausreichend, um das faktische Staatsmonopol zu erhalten, dann gibt es
  3. gesetzliche Anforderungen und Beschränkungen, die jedes sinnvolle  Konkurrenzangebot zu Tode regulieren, und so entweder zu einem weitgehend »staatskonformen«Bildungsangebot führen (dann fragt sich der Interessent zu recht, warum er für etwas zahlen soll, was er auch — scheinbar! — umsonst bekommen kann), oder zum faktischen Ausschluß durch »administrative Hemmnisse«.
Und was hier am Bildungsmonopol exemplifiziert wurde, gilt von den unzähligen anderen (und fast stets staats- bzw. politik-induzierten!) Monopolbereichen ebenso. Aber immerhin:
„Der Reichtum an sich ist etwas Gutes“, stellte der Papst klar, aber er sei relativ zu sehen, nicht absolut. Es sei falsch, eine „Theologie des Wohlstands“ zu entwickeln nach dem Motto: „Gott zeigt dir, dass du würdig bist, wenn er dir viel Reichtum gibt“.
Doch wer verträte so einen Unsinn? Nun, vielleicht ein paar durchgeknalle Kalvinisten (die darob nicht zu beneiden sind, denn die dürfen »moralisch« ihren Reichtum ja nur anhäufen, aber nicht genießen, denn im Kalvinismus darf man bekanntlich nur alles tun, wenn’s einem keinen Spaß macht!) — doch deren Zuhörerzahl wird bei päpstlichen Meßpredigten doch eher bescheiden sein.
„In der Audienz gestern haben wir über den reichen Mann und Lazarus meditiert. Dieser Reiche lebte in seiner Welt, er merkte gar nicht, dass es auf der anderen Seite seiner Tür jemanden gab, der Hunger litt. Aber das hier ist schlimmer: Menschen zu einem Hungerlohn arbeiten zu lassen, um selbst Profit daraus zu ziehen. Vom Blut dieser Menschen leben. Das ist Todsünde! Und es braucht sehr viel Reue, es muss sehr viel rückerstattet werden, um sich von dieser Sünde loszukaufen.”
Ist Seiner Heiligkeit denn noch nicht aufgefallen, daß die Hungerleider und die Nicht-Hungerleider sich heute keineswegs nach der alten »Klassengrenze« von »(blutsaugenden) Unternehmern« und »(ausgesaugten) Arbeitnehmern« scheiden, sondern vielmehr nach den Kategorien »ist im geschützten Bereich tätig« bzw. »ist nicht im geschützten Bereich tätig«. Wer in ersterem Bereich tätig ist, also im Feudalsystem des heutigen Berufspolitiker- und Beamtentums, im gewerkschaftlich wohlgeschützten Bereich, der kann bei recht bequemem Leben gut verdienen! Die anderen dagegen beißen die Hunde. Denn der Markt belastet sie nicht bloß mit der unter ihnen herrschenden Konkurrenz (was ja einen gerechten Leistungsansporn darstellen würde!), sondern auch noch mit der Finanzierung der Konkurrenzlosigkeit des anderen Sektors. Und hier wäre Seiner Heiligkeit ja beizupflichten, wenn Heiligkeit geruhten, die folgenden Worte:
Das sei, so wiederholte Franziskus, moderne Sklaverei. Zwar führe man dazu nicht nach Afrika, um Sklaven für Amerika zu bekommen, doch die Sklaverei geschehe hier und jetzt, in unseren Städten und vor unseren Augen. 
... zugunsten der armen Hunde, die außerhalb des privilegierten Sektors arbeiten — und darben — müssen, zu sprechen. Dies geruhen freilich Heiligkeit nicht, sondern geruhen weiterhin die alten marxistischen Thesen von Mehrwert und ungerechter Ausbeutung zu pervulgieren ...
„Denken wir an das heutige Drama: das Ausbeuten der Menschen, das Blut dieser Menschen, die Sklaven werden, die Menschenhändler, und darunter nicht nur die, die Prostituierte und Kinder für Kinderarbeit verkaufen, sondern dieser sozusagen ,zivilisierte’ Menschenhandel: Ich bezahle dich bis hierher, ohne Ferien, ohne Krankenversicherung, ohne… Alles schwarz… Aber ich werde reich! 
Das ist befreiungstheologischer Vulgärmarxismus κατἐξοχήν! Wenn bspw. in Österreich die geradezu asozial hohen sogen. »Soziallasten« und Lohnnebenkosten ca. 60% des vor (!!!) Lohnsteuerabzug verbleibenden Nettoeinkommens ausmachen, dann ist die (ohnehin nur ganz heimlich mögliche) Auflehnung gegen derartige Abruzzenräuberei keine »Todsünde«, sondern jeder ein Feigling oder Trottel, der dies unter günstigen Umständen nicht wenigstens versuchen würde! Und nochmals wäre Seiner Heiligkeit beizupflichten, wenn Heiligkeit die Predigt schließen mit einem:
Möge der Herr uns verstehen lassen, was uns Jesus im heutigen Evangelium sagt: Ein Glas Wasser im Namen des Herrn ist wichtiger als alle Reichtümer, die auf Ausbeutung beruhen.“
... geruhten Heiligkeit diesfalls auch hinzuzusetzen, daß die Reichtümer all jener Staatsparasiten, die auf Kosten der leistungsbereiten Unternehmer und Arbeitnehmer des nicht privilegierten Bereichs über Steuern und Beiträge abgezockt wurden, auf sündhafter Ausbeutung beruhen. Dann hätten Heiligkeit nämlich einmal die (wirtschaftliche) Wahrheit gesagt ...


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P.S.: ein Schweizer Wirtschaftsethiker (und katholischer Theologe), Prof. Dr. Martin Rhonheimer, hat vor einigen Tagen in der FAZ einen höchst lesenswerten Artikel unter dem Titel »Welche Wirtschaft tötet« verfaßt, der nur nachdrücklichst zur Lektüre empfohlen werden kann. Auch (und gerade!) Seiner Heiligkeit, wenngleich LePenseur nicht verhehlt, daß er die Annahmewahrscheinlichkeit dieses Rates leider nicht hoch zu veranschlagen wagt ...


P.P.S.: Peter Winnemöller (der schon wegen seiner Kühnheit, aus dem LePenseur-Blog zu zitieren gewagt zu haben, von Links-Katholibans & einschlägigem Berufsantifanten-Mob gescholten wurde) wird die Warnung:
»Hier lässt Le Penseur, auch wenn ihm inhaltlich zuzustimmen ist, eindeutig jenen Vorschuss an Sympathie, ohne den es kein Verstehen gibt, vermissen. Es ist blanke Polemik, wie er schreibt. Man kann das machen, am Ende ist man damit sehr einsam.«
 loslassen. Nun,
 das ist ein Risiko, das man eingehen muß. Denn wie schon Ibsen schrieb: »Der ist der stärkste Mann auf der Welt, der allein steht« ...



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