Freitag, 6. Mai 2016

Im memoriam Adolph Freiherr von Knigge

Wem es darum zu tun ist, dauerhafte Achtung sich zu erwerben; wem daran liegt, daß seine Unterhaltung niemandem anstößig, keinem zur Last werde; der würze nicht ohne Unterlaß seine Gespräche mit Lästerungen, Spott, Tadelsucht und Satire, und gewöhne sich nicht an den auszischenden Ton der Spottsucht! Das kann wohl einigemal, und, bei einer gewissen Klasse von Menschen, auch öfter gefallen; aber man flieht und verachtet doch endlich den Mann, der immer auf anderer Leute Kosten oder auf Kosten der Wahrheit die Gesellschaft vergnügen will, und man hat Recht dazu; denn der gefühlvolle, verständige Mensch muß Nachsicht haben mit den Schwächen anderer.
(Adolph Freiherr von Knigge, Über den Umgang mit Menschen, Kap. 1, Nr. 28)
Diese kurzen Bemerkungen sammeln Kohlen auf LePenseurs Haupt (und wohl nicht nur auf seines …), und sind doch so wahr und unmittelbar einsichtig! »Über den Umgang mit Menschen«: ein Buch ebenso tiefer, wie praktischer Lebensweisheit, ein munter sprudelnder, erquickender Quell der Vernunft. Ohne Balthasar Gracians Handorakel, von dem ein Schopenhauer so angetan war, daß er es neu übersetzte, geringschätzen zu wollen — aber Knigges Werk ist von unvergleichlich größerer Vielseitigkeit und praktischem Wert. Es hat nicht die amoralische Unbedenklichkeit des Romanen, der (auch als Priester, der dieser Don Balthasar ja war!) so manche Klugheitserwägung über das setzt, was man auf gut Deutsch mit einem alten, kaum noch gebräuchlichen Wort »Anstand« nennt.

Man mißversteht den Freiherrn von Knigge (der übrigens heute vor 220 Jahren, am 6. Mai 1796, und viel zu früh, verstarb) völlig, wenn man von ihm ein »Benimmbuch« erhofft. Wie man Messer und Gabel hält, welches Glas benützt, oder wer nun wem (und wie) in Gesellschaft vorzustellen ist — all das wird, als selbstverständlich, stillschweigend vorausgesetzt! Doch davon, was erst einen Menschen von einer bloß pedantisch antrainierten »Benimm«-Kenntnis zu einem angenehmen, und damit zu einem wirklichen Gesellschafter macht, davon handelt das Buch mit seinen (je nach Ausgabe) rund 360 Seiten zur Genüge. Es wäre einer Verbesserung der heutigen Umgangsformen mehr als dienlich, wenn wenigstens die »besseren Kreise« (bloß übungshalber) ein Jahr lang an jedem Tag eine andere Seite, nur eine einzige, dieses wunderbaren Buches läsen — und beherzigten!

Genug des Lobes über ein Werk, einen Autor, die rechtens keines Lobes mehr bedürfen, denn die Geschichte hat längst ihr wertschätzendes Urteil gesprochen: welchem Autor wurde schon die Ehre zuteil, daß sein Name quasi zum Begriff einer ganzen Schriftengattung wurde (nun ja — vielleicht auch Baedeker, das sei konzediert …)!

»Leseempfehlung«, pflegt LePenseur in solchen Fällen zu schreiben. Doch das ist zu wenig: »Zur Nachahmung empfohlen!« — das wäre in diesem Fall der richtigere Wunsch …

1 Kommentar:

  1. "der würze nicht ohne Unterlaß seine Gespräche mit Lästerungen, Spott, Tadelsucht und Satire,"

    Wie soll ich nicht lästern? Wie nicht spotten. Das mit der Satire braucht es schon nicht mehr. Was derzeit läuft ist zutiefst zynisch.

    Grundsätze die schon lange Bestand hatten und immer Bestand haben werden, werden gebrochen. Diejenigen die darauf dringen diese Grundsätze hochzuhaltne, werden verachtet, verspottet, als ewig gestrige abgetan, intellektuell hingerichtet. Natürlich nicht mit Argumenten sondern mit speziellen Keulen.



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