Dienstag, 13. Oktober 2015

»Übergangen: Welche Autorinnen den Nobelpreis verdient hätten«

Nach der Verleihung des diesjährigen Literaturnobelpreises an eine weißrussische Autorin, deren preisenswerter Hauptvorzug wohl darin liegen dürfte, Opposition zum pöhsen Präsidenten Lukaschenko zu betreiben (wie seinerzeit die Kür von Elfriede Jelinek v.a. als Ohrfeige  für die schwarz-blaue Koalition in Wien gedacht war, denn wegen ihrer ... ähm ... etwas fragwürdigen Literaturprodukte hätte die höchstens einen Blumentopf verdient), stellt uns »DiePresse« siebzehn Schriftstellerinnen vor, »die den Nobelpreis verdient hätten«. Wenigstens ihrer nach Meinnung ...

Nun ist es zwar so, daß einige der genannten Autorinnen tatsächlich würdige Empfängerinnen gewesen wären (Virginia Woolf, bspw.), bei anderen (z.B. Astrid Lindgren) fragt man sich, ob »DiePresse« da etwas zu scherzen beliebte, bei wieder anderen, wie Simone de Beauvoire, ist die angebliche »literarische Bedeutung« wohl ebenso vor allem eine linke, feministische Schreibe, die nach Ansicht »progressiver« Kreise per se schon auszeichnungswürdig ist). Marguerite Yourcenar wird genannt — ja, ihr Hadrian-Roman »Ich zähmte die Wölfin« ist nicht schlecht — aber auch nicht besser als tausende andere Romane von Autoren, die für ihr Werk ebenso nicht den Nobelpreis bekamen.

Überhaupt: wer Revue passieren läßt, welche Autoren allein aus dem deutschen Sprachraum bislang den Nobelpreis nicht bekamen (und erst recht: welche ihn hingegen doch bekamen!), der wird in dem Preis zwar eine nette Altersversorgung des Laureaten, aber kaum einen Qualitätsmaßstab erblicken können. Nicht bekamen ihn u.a. (ohne Anspruch auf Vollständigkeit, in alphabetischer Folge): 
  • Gottfried Benn, 
  • Hermann Broch, 
  • Heimito von Doderer, 
  • Marie von Ebner-Eschenbach, 
  • Max Frisch, 
  • Stefan George, 
  • Max Halbe, 
  • Hugo von Hofmannsthal, 
  • Ernst Jünger, 
  • Franz Kafka, 
  • Karl Kraus, 
  • Robert Musil, 
  • Franz Nabl, 
  • Rainer Maria Rilke, 
  • Joseph Roth, 
  • Arthur Schnitzler, 
  • Martin Walser, 
  • Stefan Zweig
Nein — der Literatur-Nobelpreis ist sicherlich angenehm für den Empfänger (nur besonders vergrätzte Exemplare wie Sartre lehnten ihn ab), und alljährlich ein nette Rätselraten für die Kulturseiten der Zeitungen. Mehr leider nicht.

2 Kommentare:

  1. Gutartiges Geschwulst13 Oktober, 2015 21:19

    Vielen Dank, Le Penseur, für Ihren besinnlichen Artikel. Indessen möchte ich noch Jakob Wassermann hinzufügen. Er hat es verdient!

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  2. Cher (chère?) »Gutartiges Geschwulst«,

    Jakob Wassermann, nun, warum nicht — obwohl ich davor doch noch ein paar andere Namen in die Debatte werfen tät' ...

    Aber so ist es eben in der Literatur: »de gustibus ...«. Mich ärgern ja bei den Schweden weniger die Laureaten, die sich (z.T. auch erst im weiteren Schaffen) als Fehlgriffe entpuppten (ob jetzt ein Le Clézio preiswürdig ist, oder es eine Mistral, oder ein Quasimodo waren, darüber läßt sich schwer streiten), sogar die stets geleugneten, aber faktisch unleugbaren »Trostpreis«-Laureaten für »kleinere Völker« (so nach dem Motto: »In Gottes Namen halt Yeats — damit Irland auch endlich einen Nobelpreis hat ...«) bringen mich nicht auf die Palme.

    Wohl aber, wenn die Akademie ein wohlkalkuliertes »épater le bourgeois«-Spielchen betreibt, und qualitativ mäßige, dafür stramm-linke Schreiberlinge preiskrönt, um damit »ein Zeichen zu setzen«.

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