Einfach — großartig: die resigniert-schmerzliche Güte des von der unvermuteten Huldigung überraschten und gerührten Dichters, doch auch die wie nebenher fallende Bemerkung über den »Infanterieknall« einer bestimmten Sorte preußischer Offiziere ... das alles stand mir bereits als zehnjährigem Buben so plastisch vor Augen, daß ich es hätte zeichnen können (könnte ich gut genug zeichnen!). Und, wie ich viel später feststellte, als ich das Buch antiquarisch erstanden hatte: dieser »Letzte Rittmeister« besteht aus vielen solcher »Geschichten« — und eine besser als die andere (und je nach Stimmungslage immer eine andere) ...
Er hätte sich natürlich mit ein bißchen Schmiegsamkeit zu einer Art »Thomas Mann der Inneren Emigration« stilisieren können — ein wenig Anbiederung an Lederjacken und ein wenig weniger Bildungsbürgertum und Tradition hätten das schon hingebracht. Aber er war ein Balte und hatte für die »Weißen« gekämpft; so einer macht keinen Kotau, zu dem er nicht mit vorgehaltener Pistole gezwungen wird (und vermutlich nicht einmal diesen)!
Es war der Gedichtband »Die heile Welt«, der sein Verhängnis besiegelte. Darüber konnten linke Trümmerpoeten doch nur mokant die Lippen kräuseln. »Heile Welt« — wie das schon klang! Und daß einer in den 50er-Jahren in der Lage war, richtige Versfüße zu schreiben (wo doch das zeitgenössische Geschreibsel wenig Hand und Fuß hatte), und richtige Reime in all dem Ungereimten jener Zeit, das verziehen sie ihm nie ...
Und deshalb ein kurzes Gedicht (ich hoffe damit unter dem Radar für Urheberrechtsverletzungen zu bleiben), das beides zeigt:
Im Morgengrauen
O königlicher du und junger Vogel Tag!
Du zagst? O wage nur den ersten Flügelschlag.
Im schwarzen Kerker lagst du schlafend wie im Grab.
Schon schmilzt das frühe Licht sein Gitter, Stab um Stab.
Sieh, wie der Berge Schein dir rot entgegenglimmt.
Fahr auf! Vielleicht bist du zum Jüngsten Tag bestimmt.
Sowas war natürlich damals schon einfach Autobahn! Vielleicht nicht für gelegenheitsdichtende Benediktinerpatres, oder so — denen ließ man das noch durchgehen ... aber bei einem professionellen Dichter ...?
Nein, ich behaupte nicht, daß dies Bergengruens bestes Gedicht ist — ich kenne weitaus bessere, die zu zitieren mich wohl in Kompliklationen mit der Bergengruen-Gesellschaft (und ihren Verlagen) bringen würde. So sei statt dessen an die geneigten Leser appelliert, in den Antiquariaten nach den Romanen, Novellensammlungen und Gedichtbänden Bergengruens zu suchen — es gibt fürwahr Köstlichkeiten zum Schnäppchenpreis zu finden, denn er ist ganz und gar nicht »en vogue«. Und lohnt die Lektüre dennoch mehr als 99% dessen, was heute mit Literaturpreisen ausgezeichnet, oder gar auf Bestenlisten gesetzt wird ...
Danke für diese Anregung. amazon gibt übrigens mehr als 1000 Fundstellen ...
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