Samstag, 12. Juli 2014

Mancher Leser dieses Blogs

... wird sich vielleicht eines Films erinnern, der vor zwanzig Jahren mit großen Erfolg in den Kinos zu sehen war: »Il postino« — auf gut Neudeutsch mit »Der Postmann« übersetzt, wiewohl der einzige Postmann, den LePenseur kennt, Neil mit Vornamen heißt und sich mit bloß einem »n« schreibt ... denn alle anderen nennt man auf Deutsch eigentlich »Briefträger« (oder, falls man unter Piefkes leben muß: »Postbote« ...). Aber das nur nebenfüglich ...

Dieser sympathische Film lebte nicht nur von der ins Ohr — und, im guten Sinne, ans Herz — gehenden Musik (die auch den, leider einzigen, Oscar von fünf Nominierungen einheimste) und dem tragischen Herztod des Darstellers der titelgebenden Hauptfigur am Tage nach dem Abschluß der Dreharbeiten, sondern sicherlich auch von der menschlich anrührenden, stimmigen Darstellungskunst des anderen Protagonisten — von Philippe Noiret als Pablo Neruda:


Womit wir beim Thema wären: ebendieser Pablo Neruda, geboren am 12. Juli 1904, wäre heute also 110 Jahre alt geworden — und sicherlich ist es neben der Nostalgie vieler Altachtundsechziger, mit der sie (mittlerweile längst im Establishment gut vernetzte und wohlsituierte Mitt- bis Endsechziger) ihrer marxistisch-leninistisch-maoistischen Idole gedenken — damals, als Pille und Minirock eben erfunden waren, als man die Feste noch feiern konnte, wie die Mädels fielen, als noch keine feministischen Klemmzicken was gegen Rudelbumsen einzuwenden hatten, ja damals, als man eben noch jung war ... — gedenken, also sicherlich ist es neben dieser Nostalgie auch der berührenden Darstellung des chilenischen Schriftstellern in diesem Film zu danken, daß Pablo Neruda in weiteren Kreisen, als für verstorbene Literaturnobelpreisträger üblich, bekannt und als sympathischer Mensch angesehen ist, als einer, der das Herz am rechten — d.h. also: linken — Fleck hatte.

Wenn man die linksgestrickte Panegyrik des Kulturjournaillismus' beiseite läßt — ist dieser Ruf eines menschlichen, sympathischen, engagierten Dichters im Falle von Pablo Neruda gerechtfertigt? Nun, ein lesenswertes Buch des Publizisten und Historikers Gerd Koenen »Die großen Gesänge« (mit dem barock ausufernden Untertitel: »Lenin, Stalin, Mao, Castro ... sozialistischer Personenkult und seine Sänger von Gorki bis Brecht — von Aragon bis Neruda«) bringt Hinweise dafür, daß diese Sichtweise wohl zumindest gröblich verkürzend wäre. Da LePenseur nur wenig Lust verspürt, sechs Buchseiten abzuschreiben, folgen diese hier im Faksimile:




Koenen hat sich mit seinem Buch keine Freunde gemacht: das Aufwachen aus dem sozialistischen Traum war und ist wenig erwünscht in unserer vermassten und gegängelten Gesellschaft, die das Wort »Freiheit« wohl stets im Munde, aber nie im Sinne hat ...

3 Kommentare:

  1. Zusätzlich noch eine kleine Auswahl von Neruda:


    »DIE KOMMUNISTEN

    Wir, die unser Herz wir legten in den Stein,
    ins Eisen, in harte Disziplin
    wir leben daselbst, aus Liebe nur,
    und man weiß nun, daß wir uns verbluten,
    da des Sternes Sinn verdreht wurde
    durch den düstren Mond der Eklipse.

    Nun werdet ihr sehen, was wir sind und wiegen.
    Nun werdet ihr sehen, was wir sind und sein werden.

    Wir sind das reine Silber der Erde,
    des Menschen wahrhaftes Erz,
    wir verkörpern das Meer, das währende:
    die Feste der Hoffnung:
    eine Minute Dunkel macht uns nicht blind:
    wir werden in keiner Agonie hinsterben.«


    Zu Mao und China:

    »DER GROSSE MARSCH

    Aber etwas geschah in der Welt.
    Dein Bildnis überzeugte uns nicht.
    Schön war deine armselige Herrlichkeit,
    aber sie genügte uns nicht.
    Vom Pulver geküßt,
    wogte das Sowjetbanner
    inmitten der Menschenherzen.
    Du, China, fehltest uns, und über die Meere hinweg
    hörten wir plötzlich, daß des Windes Stimme
    schon nicht mehr einsam sang auf deinen weiten Wegen.
    Mao stand auf,
    und mitten durch China
    und in der Unermeßlichkeit
    so vieler Leiden
    sahen wir aufragen seine Schultern,
    vom Frührot unhüllt.

    Aus der Ferne, aus Amerika, an dessen Gestaden
    mein Volk jeder Woge des Meeres lauschte,
    sahen wir hervortreten sein gelassenes Haupt,
    und seine SChritte gen Norden richten.
    Yennan zu wandte
    sich im staubigen Kleid seine starke Bewegung:
    Und von nun an sahen wir, wie Chinas ausgeraubte Erden
    ihm Menschen darbrachten,
    geringe Menschen, runzlige Alte,
    Kinderlächeln.

    Wir sahen das Leben.

    Nicht öd war und verlassen das alte Land,
    nicht die weiße Seerose war es,
    die die gespenstische Archäologie mit Leben erfüllte.
    Jeder Stein ein Mensch,
    ein neues Herz mit einem Gewehr,
    so sahen wir dich, China bevölkert von deinen Soldaten,
    von den Deinen, endlich ohne Brot,
    ohne Wasser, Gras essend zogen sie durch den langen Tag,
    auf daß das Morgenlicht anbreche.«


    »DER FRIEDE, DEN WIR DIR SCHULDEN

    Deinem Blut, Korea,
    Beschützerin
    der Blüten,
    verdankt die Welt den Frieden.

    Mit deinem Blut, Korea,
    mit deiner zerfetzten tragischen Hand
    verteidigst du uns alle!

    Durch dein Blut, Korea,
    konnte die Freiheit in meiner Epoche,
    in diesen harten Jahren, ihren Namen nennen
    und ihr Erbe weiterhin dauern.

    Die Lampen,
    sie werden weiterleuchten
    und das Saatkorn die Erd aufsuchen.«

    (Damit kein Mißverständnis darüber aufkommt, welches Korea
    letztlich gemeint ist, schreibt er in einem anderen Gedicht:

    »[...]

    Sie kamen nach Korea.

    Sie kamen.

    Mit Napalm und mit Dollars,
    [...]«)


    Wenn es nicht gerade um Stalin oder Mao geht, klingt es eher so:

    »ASCHE

    Dies ist das Zeitalter der Asche.
    Asche verbrannter Kinder und
    kalter Probeläufe der Hölle,
    Asche von Augen, die weinten,
    unwissend, worum es ging,
    bevor man sie verheizte.
    Asche gotischer Madonnen
    und vergitterter kleiner Fenster,
    Asche heiserer Weinkeller,
    eingestürzter Läden,
    Asche hehrer Hände.
    Und um das Aschenkapitel
    zu Ende zu erzählen:
    der Sieg in Berlin
    mit der Asche des Mörders
    in seinem eigenen Aschenbecher.«

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  2. Jaja, dieser Murksismus ischt und bleibt das Opium für die Intellektüllen.- Generationen haben sich schon mit dieser W....-Vorlage durch ihr irres Leben onaniert. - Und immer die gleiche Paranoia, die gleiche Verbissenheit, Verstiegenheit und Verblasenheit, mit der sie in ihren ideologischen Wolkenkuckucksheimen herum halluzinieren. Und immer wieder kommt ein neuer Aufguss von Besessenen, die dahertönen, jetzt, nach dem Scheitern der vielen Stümper/Verbrecher-Vorläufer, kommen sie, die den wahren, echten Murksismus "umsetzen", das ad infinitum.

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  3. Grauenhaft.
    Dagegen wirken Marianische Hymnen geradezu nüchtern.

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