Papst Franziskus hat den ersten Abendmahlsgottesdienst seines Pontifikats am Gründonnerstag in der römischen Jugendhaftanstalt Casal del Marmo mit 49 jungen Gefangenen - 38 Männern und elf Frauen - zelebriert. Zwölf Jugendlichen verschiedener Nationalitäten und Religionen wusch der lateinamerikanische Papst die Füße. Zu ihnen zählten auch zwei Mädchen, darunter eine osteuropäische Muslimin.Ach so, um eine »Geste« Jesu Christi geht's dabei also ... na, dann ...! Gesten liebt die Presse. Da kann man wunderbar von berichten, Hintergründe abwägen, Signale ausloten — mit einem Wort: Gesten sind das Schmiermittel, mit denen die uns von den Medien Präsentierten den Medienapparat am laufen halten. Ein »Yes, we can!« ist daher viel wichtiger, als ob er's dann wirklich kann (Probe: negativ).
"Jeder von uns muss sich fragen: Bin ich wirklich bereit, dem anderen zu dienen und ihm helfen?", fragte der Heilige Vater. "Wir müssen uns gegenseitig helfen, das ist das, was uns Jesus lehrt und das ist das, was ich tue. Es ist meine Pflicht, doch ich tue es von Herzen", sagte der Papst. Die Fußwaschung erinnere an Jesus von Nazareth, der seinen Jüngern als ein Zeichen der Liebe und Demut die Füße wusch, berichtete der Papst. Er bezeichnete Jesus' Geste als "bewegend". (Hier weiterlesen)
Es gibt natürlich ein paar Unbelehrbare, die an allem was auszusetzen finden, und die sogar die »bewegende Geste« Jesu in ihrer aktuell-päpstlichen Umsetzung als Fußwaschung bspw. an einer im Jugendgefängnis einsitzenden osteuropäischen Mohammedanerin nicht so ganz glatt runterbekommen. Und da meint doch einer gar:
Es wäre besser gewesen, er hätte den Opfern dieser Kriminellen oder Armen auf der Straße die Füße gewaschen. So sehe ich das nur als eine Verbeugung vor denen, welche die Täter bedauern und Opfer sich selbst überlassen!Also, nein — wie fühllos, sowas zu sagen! Aber der kecke Kommentarposter wird auch gleich gebührend (correctio fraterna) zurechtgewiesen:
Hierbei geht Francesco Jesu Auftrag nach, Gefangene zu besuchen und anderseits durch die Fußwaschung sie zu "reinigen", auf dass sie Anteil an Ihm bekommen können. Man könnte es eine erste Resozialisierungsmaßnahme verstehen: Wie groß auch immer Eure eigene Schuld, wie groß der Anteil derer, die Euch vernachlässigt oder zuvor ungerecht behandelt haben, es gibt Hoffnung, die ausreicht, deswegen nicht zu verzweifeln oder gar den Weg der Gewalt weiter zu gehen.»Amen«, kann man da nur sagen. Moment mal: »Amen« heißt doch »So ist es!« ... ... ist es denn so? Nun, bei näherer Betrachtung können einem da durchaus Zweifel kommen. Blättern wir also kurz im Kapitel 13 des Johannes-Evangeliums, welches uns die »bewegende Geste« Jesu berichtet:
Es ist den Opfern, der Gesellschaft und den Tätern am meisten geholfen, wenn es neben der Strafe für Täter, dann auch Menschen gibt, die sie zurückführen wollen zu einem normalen Leben.
1 Ante diem festum Paschæ, sciens Jesus quia venit hora ejus ut transeat ex hoc mundo ad Patrem : cum dilexisset suos, qui erant in mundo, in finem dilexit eos. 2 Et cœna facta, cum diabolus jam misisset in cor ut traderet eum Judas Simonis Iscariotæ : 3 sciens quia omnia dedit ei Pater in manus, et quia a Deo exivit, et ad Deum vadit : 4 surgit a cœna, et ponit vestimenta sua, et cum accepisset linteum, præcinxit se. 5 Deinde mittit aquam in pelvim, et cœpit lavare pedes discipulorum, et extergere linteo, quo erat præcinctus. 6 Venit ergo ad Simonem Petrum. Et dicit ei Petrus : Domine, tu mihi lavas pedes ? 7 Respondit Jesus, et dixit ei : Quod ego facio, tu nescis modo : scies autem postea. 8 Dicit ei Petrus : Non lavabis mihi pedes in æternum. Respondit ei Jesus : Si non lavero te, non habebis partem mecum. 9 Dicit ei Simon Petrus : Domine, non tantum pedes meos, sed et manus, et caput. 10 Dicit ei Jesus : Qui lotus est, non indiget nisi ut pedes lavet, sed est mundus totus. Et vos mundi estis, sed non omnes. 11 Sciebat enim quisnam esset qui traderet eum ; propterea dixit : Non estis mundi omnes. 12 Postquam ergo lavit pedes eorum, et accepit vestimenta sua, cum recubuisset iterum, dixit eis : Scitis quid fecerim vobis ? 13 Vos vocatis me Magister et Domine, et bene dicitis : sum etenim. 14 Si ergo ego lavi pedes vestros, Dominus et Magister, et vos debetis alter alterutrum lavare pedes. 15 Exemplum enim dedi vobis, ut quemadmodum ego feci vobis, ita et vos faciatis. 16 Amen, amen dico vobis : non est servus major domino suo : neque apostolus major est eo qui misit illum.Auch bei bloß oberflächlichem Lesen ist erkennbar, daß Jesus diese seine Fußwaschung seinen Jüngern (!) als Beispiel gab, auch untereinander ebenso zu verfahren (»Si ergo ego lavi pedes vestros, Dominus et Magister, et vos debetis alter alterutrum lavare pedes. Exemplum enim dedi vobis, ut quemadmodum ego feci vobis, ita et vos faciatis.«) Was soll also eine Fußwaschung an Nicht-Christen (und die meisten Insassen des römischen Jugendgefängnisses sind mohammedanische Ausländer) bedeuten? Wird die eindeutige Aussage Jesu »Qui lotus est, non indiget nisi ut pedes lavet, sed est mundus totus«, die sich ja explizit auf seinen allerengsten Jüngerkreis bezieht, nicht völlig ihres Sinnes entleert? Ja, etwas näher betrachtet sind publicity-trächtige Gesten, wie der Wiener treffend sagt, »a Hund« ...
Und auch der Hinweis auf das Gebot, Gefangene zu besuchen, geht etwas ins Leere. Erstens ist dies wohl nicht eine spezifische Aufgabe des Papstes — und am römischen Jugendgefängnis gibt es einen katholischen Anstaltskaplan, obwohl in diesem Gefängnis unter vielen Mohammedanern bloß acht katholische Italiener einsitzen, von einem Seelsorgs-Notstand daher keine Rede sein kann. Zweitens ist das Gebot des Gefangenenbesuches auch aus dem Zustand der Rechtspflege und der Gefängnisse in antiken Zeiten zu begreifen: herrscherliche Willkür bracht viele Unschuldige hinter Gitter, und die hatten damals ein fürwahr elendes Leben! Beides kann bei einem Jugendgefängnis in Rom 2013 eher ausgeschlossen werden. Denn um heute in ein Jugendgefängnis zu kommen, muß man schon massiv was ausgefressen haben, und daß die Sträflinge in bedauernswertem Verpflegungs- und/oder Gesundheitszustand wären, ist ebenso schwer vorstellbar.
Natürlich gäbe es auch heute noch Häftlinge, denen Papst Franz die Füße waschen könnte, um damit ein demonstratives Zeichen zu setzen. Etwa jenen, die wegen irgendwelcher obskurer »Blasphemie«-Vorwürfe in saudi-arabischen, iranischen, sudanesischen oder pakistanischen Kerkern sitzen, und denen es dort wirklich dreckig geht (natürlich ginge das auch in symbolischer Form, indem er in der Lateranbasilika erklärt: »Diese Fußwaschung erfolgt in Gedanken an Pastor X., der wegen angeblicher Förderung des Abfalls vom Glauben in Pakistan im Gefängnis sitzt« — denn reinlassen werden die ihn wohl nicht!). Oder er könnte auch Fußwaschungen an jenen Häftlingen erwägen, die wegen bloßer Meinungsäußerungen (also »Propagandadelikte«, wie sie entlarvenderweise bezeichnet werden!) auch in EU-Staaten in skandalöser Weise oft jahrelang eingebuchtet werden. Aber das wäre medial natürlich nicht wirklich gut vermarktbar ...
" Was soll also eine Fußwaschung an Nicht-Christen (und die meisten Insassen des römischen Jugendgefängnisses sind mohammedanische Ausländer) bedeuten? Wird die eindeutige Aussage Jesu »Qui lotus est, non indiget nisi ut pedes lavet, sed est mundus totus«, die sich ja explizit auf seinen allerengsten Jüngerkreis bezieht, nicht völlig ihres Sinnes entleert?"
AntwortenLöschenMit grossem Latinum wäre das nicht passiert. Es heisst auch "Diliges alterum ut te ipsum" - und nicht den Entferntesten, wie es die anderen Gutmenschen tun.
Gibt es einen Grund, warum Bibeltexte hier auf Latein zitiert werden? Wenn der Autor seine humanistische Bildung hervorkehren möchten, könnte er dies ja auch tun, indem er sich an den Originaltext des NT hält. Und wenn schon 2. Übersetzung (Jesus wird ja kaum zu seinen Landsleuten in Altgriechisch gesprochen haben), warum dann nicht in der Sprache, die vermutlich von den meisten Lesern dieses Blogs verstanden wird?
AntwortenLöschenSehr geehrter Le Penseur,
AntwortenLöschenich schliesse mich Raysons als Frage verpackter Kritik an den langen lateinischen Zitaten an. Wer kann schon so gut Latein, um dem gewachsen zu sein?
Ich verstehe durchaus Ihre Liebe zum Latein und zu dem, wofür es symbolisch steht. Aber, frei nach dem FOCUS-Markworth: Denken Sie diesbezüglich doch bitte etwas mehr an Ihre geneigten Leser.
Gruß, Herzog
@ S.H. Herzog Rayson ;-)
AntwortenLöschenGrund gibt es, sogar zwei.
1.) LePenseur mag einfach Latein, speziell in religiösem Kontext. Da die entsprechenden Zitationen dabei stehen, kann der, der es weniger mag (oder kann) unschwer in einer für ihn angenehmeren Textvariante — darf auch Aramäisch oder Altgriechisch sein ;-) — finden.
2.) ist der Vulgata-Text nach einer Definition des Tridentinums dogmatisch authentisch (um die betreffenden Canones mal etwas verkürzt zusammenzufassen). Nun mag der Nicht-Katholik darauf sagen: »So what? Das Tridentinum kratzt mich nicht!« — ein Argument, dem ich nicht ohne Sympathie gegenüberstehe (meine »Katholizität« ist eher formeller, als materieller Art).
Aber:
a) die RKK ist immer noch etwa gleich groß wie »alle anderen« zusammengenommen, also sind Debatten, die ihren dogmatischen Standpunkt einfach ignorieren, eher fruchtlos, und
b) wenn ich mich daher auf den von Tridentinum definierten Vulgata-Text beziehe, dann beziehe ich mich auf den »offiziellen Text«.
Nun mag der dogmatische Feinspitz einwenden: »Warum die Vulgata und nicht die Neo-Vulgata?« Ganz einfach:
a)die gemeinfreie Vulgata habe ich als Textkorpus jederzeit zur Verfügung, bei der Neo-Vulgata könnte es Urheberrechtsprobleme geben, aber noch wichtiger
b) die Neo-Vulgata ist im Gegensatz zur Vulgata nie als dogmatisch authentisch definiert worden.
Deshalb werde ich auch in Zukunft meistens den Vulgata-Text zitieren, wem's nicht gefällt, der möge mit der praktisch immer beigefügten Quellenangabe sich die Sache bitte nach Wunsch selbst heraussuchen.
Die Zitierung des NT im griechischen Originaltext hätte natürlich seine Reize und wäre ungemein bildungsbürgerlich beeindruckend, keine Frage. Nur: 1. LePenseur kann Altgriechisch nicht so tolle gut, daher wäre das (fast) reine Angabe, und
2. können dann ca. 99% das Zitat nicht einmal mehr lesen. Aber Rayson zuliebe kann ich an oder ab auch mal den griechischen Text zitieren, wenn er unbedingt will :-) ...
Das Latein der Vulgata ist zwar wirklich kein stilistisch "berühmtes" Latein, beim Lesen mancher Stellen zieht es einem schlicht die Schuhe aus, aber besonders schwer zu verstehen ist es eher nicht.
AntwortenLöschenDie Entscheidung für die eigentliche Vulgata halte ich auch für sehr gut, denn authentischer und den Dogmen der Kirche angemessener ist sie allemal, die Textgrundlage und Übersetzung der Nova Vulgata krankt an denselben Problemen, wie alle modernen Bibelübersetzungen. Von daher bin ich ganz zufrieden mit den lat. Zitaten - um LePenseur mal eine positive Rückmeldung zu geben.
Dank für die heidnische Belobigung
AntwortenLöschen:-)
Aber Rayson zuliebe kann ich an oder ab auch mal den griechischen Text zitieren, wenn er unbedingt will :-)Ich bitte doch, meine bescheidene Frage, die ohnehin wenn überhaupt auf etwas, dann auf die Verwendung der hier üblicherweise gesprochenen und geschriebenen Sprache abzielte, nicht in dieser Hinsicht misszuverstehen.
AntwortenLöschenAber vielen Dank für die ausführliche Erläuterung. Bei unsereinem hat die Vulgata zwar einen üblen Leumund, aber wenn Le Penseur sich in der Rolle als katholischer Dogmatiker gefällt ;-)... Es könnte ja schlimmer sein. Er könnte die "Bibel in gerechter Sprache" verwenden.
Und besten Dank für den Adelstitel. Ich sehe das als österreichische Form des "Hey, Alter!".
@Rayson:
AntwortenLöschenBei unsereinem hat die Vulgata zwar einen üblen Leumund, ...
Wieso? Und wer ist nach Ihrer Definition »unsereiner«? Altkatholiken? Latinitäts-Gourmets? U.A.w.g. ...
... wenn Le Penseur sich in der Rolle als katholischer Dogmatiker gefällt
Nö, geht nicht wirklich glaubwürdig! Aber LP hat (hobbyweise) eine ziemliche Menge Ahnung davon — und wenn er über RKK-Dogmatik referiert bzw. sich mit ihr auseinandersetzt, will er das halt von »offizielen« Grundlagen aus machen.
Und besten Dank für den Adelstitel
Gerne! Ergab sich allerding nur daraus, daß ein anonymer Herzog thematisch gleichlaufend postete, und sich Sie beide in einer Antwort gleichzeitig bedachte. Sie wurden daher einfachheitshalber mit-nobilitiert :-)
@Le Penseur
AntwortenLöschenWieso? Und wer ist nach Ihrer Definition »unsereiner«? Altkatholiken? Latinitäts-Gourmets? U.A.w.g.
Ja, Altkatholiken. Ich selbst habe zu wenig Ahnung davon, um das näher zu begründen. Muss ich auch nicht, weil ich weder genug Latein noch Altgriechisch lernen werde, um in die Verlegenheit zu kommen, mich an Unterschieden zu stören. Die Altkatholiken haben wohl überwiegend die protestantische Kritik übernommen, also "zu viele Fehler" und vor allem: "romzentriert" (wohl z.T. inhaltlich, was die berühmte und bei uns eher berüchtigte "Du bist mein Fels"-Stelle betrifft, und z.T. durch die Wirkung wg. Verdrängung der volkssprachlichen Texte). Frag mich aber nicht nach Einzelheiten.Dazu müsste ich irgendwo "den Küry" auftreiben.
Nö, geht nicht wirklich glaubwürdig!
Das weiß ich doch. Wir reden ja nicht zum ersten Mal über solche Sachen. Deswegen ja auch der Smiley und das Wort "Rolle".
Ergab sich allerding nur daraus, daß ein anonymer Herzog thematisch gleichlaufend postete, und sich Sie beide in einer Antwort gleichzeitig bedachte. Sie wurden daher einfachheitshalber mit-nobilitiert :-)
Da habe ich es aber besser getroffen als der Herzog, der einfach nur einen ihm sicher völlig unwichtigen Namen verpasst bekam.