Donnerstag, 10. Januar 2013

Das Dilemma der Transatlantiker

... ist zwar keines, das LePenseur direkt beträfe (denn er ist fürwahr keiner!), das ihn dessen ungeachtet aber mit einer Mischung von Sorge und Amusement erfüllt.

In Zeiten von Schokobama (a.k.a. Backaroma) haben es die — größtenteils doch auf der geistesgesunden, also rechten Seite der Mitte angesiedelten »Transatlantiker« nicht eben leicht: sie müssen auf Biegen und Brechen eine Allianz mit einem Land verteidigen — nein: propagieren! —, dessen Staatschef einen ebenso deutlichen wie erkennbar desaströsen Linkskurs fährt. Dessen Staatschef auch die traditionelle besondere Freundschaft mit Israel (einem weiteren Eckstein des Transatlantismus!) eher schaumgebremst pflegt. Dessen Staatschef wenig Talent und Neigung zeigt, die Alliierten (oder, bessergsagt: die Vasallen) seines Landes zu unterstützen — und zwar schlicht und einfach deshalb, weil ihm die Kohle dazu ausgeht. Unsere Kohle dazu ausgeht, um genau zu sein. Denn: »Ohne Göd ka Musi!«*) sagt der Wiener treffend ...

Ein typischer Repräsentant dieser bedauernswerten Spezies ist Blog-Kollege Zettel, der sich regelmäßig — und zwar auf transatlantische Hintergrundinformationen von »Stratfor« gestützt — um eine Deutung der Welt aus diesem Gesichtswinkel bemüht. Nun, beim Blickfeld kommt es eben auf den Winkel an, aus dem die Welt betrachtet wird, und ist dieser fern von Europa am der US-Ostküste angesiedelt, dann mag das eine oder andere, was »hierzukontinente« passiert, sich etwas verzerrt darbieten. Deutlich zu merken in Zettels jüngster Analyse »Rußland auf hegemonialem Kurs« (man beachte: »Rußland« ist dankenswerter- und hoffentlich nicht bloß irrtümlicherweise mit »ß« geschrieben. Das tut einem ausgewiesenen Verächter der neudeutschen Linksschreibe in der Seele wohl ... doch abgesehen von diesem orthographischen Wohlfühlfaktor freilich liest sich der Artikel etwas, sagen wir mal: eigenartig ...)

In vielem ist ihm zuzustimmen, keine Frage! Rußland verfolgt sicherlich hegemoniale Bestrebungen in seiner Machtzone — nur: was soll da unterschwellige Panikmache mit dem Wort »Sowjetunion«? Als wäre mit Putin ein heimlicher Bolschewist am Werken, der Marx und Lenin wieder zu Ehren bringen wollte!
Im Inneren wird es weiter Unruhen geben; aber keine, die ernsthaft die Herrschaft Wladimir Putins bedrohen. Dieser hat es auf eine beeindruckende Weise verstanden, eine Macht zu erlangen, die ihn - was diese Machtfülle und die schiere Dauer seiner Regierungszeit angeht - in die Reihe der großen Zaren und der kommunistischen Diktatoren Lenin und Stalin stellt. [...]

Putin und seine Berater sehen den Zerfall der Sowjetunion als eine Schmach an, die rückgängig gemacht werden muß.
Bitte, was soll das?! Denn das, was Kollege Zettel hier als »Sowjetunion« apostrophiert, ist nichts anderes (oder vielmehr: sogar um Finnland, das ganze Baltikum und halb Polen weniger) als das Territorium des Russischen Kaiserreiches von 1914! Es wäre eigentlich nichts als eine Wiederbelebung jenes zaristischen Rußlands, wie es so circa vor der ersten Teilung Polens seit Jahrhunderten bestand. Das mag man nun mögen oder nicht, mag man als Gefahr ansehen, oder für einen wünschenswerten Stabilitätsfaktor halten — darüber kann man mit Recht unterschiedlicher Meinung sein! Aber es als »Sowjetunion« zu denunzieren, um solcherart gegen Putin recht billig alte (seinerzeit berechtigte!) anti-kommunistische Reflexe zum Einsatz bringen zu können, ist ebenso lächerlich wie unredlich. Unredlich, weil Putin wohl etwa so sehr ein Kommunist ist wie Wolfgang Schäuble (mit dem ihn sein Hang zum Etatismus ebenso verbindet, wie ihn sein Charisma von ihm unterscheidet) — lächerlich, weil gegen Putin nun wer auch immer, aber sicher nicht die Seniorentruppe der russischen KP eine auch nur winzige Chance auf einen Wahlsieg hätte!

Putin ist zweifellos ein Machtpolitiker, und damit nicht vergleichbar mit der rückgratlosen, zaghaft auf die nächste Meinungsumfrage oder Zeitungsschlagzeile schielenden Politnomenklatura West- und Mitteleuropas — zum Glück für Rußland, kann man nur sagen! Nun ist das Glück Rußlands nicht unbedingt zugleich das unsere, doch sollte man wenigstens Fairneß genug aufbringen, dafür weniger Putin als vielmehr unsere unfähigen Staatsleitungs- und Abzock-Klüngel (die als die »Führer« unserer Staaten zu bezeichnen eine maßlose Überbewertung wäre!) verantwortlich zu machen. Vollends kurios (und nur aus transatlantischem Ressentiment erklärbar) wird die Einschätzung Zettels hinsichtlich der Energieabhängigkeit Deutschlands:
Es ist ausgeschlossen, die Energieversorgung auf Sonne und Wind aufzubauen, weil der Output dieser Energiequellen trivialerweise nicht steuerbar ist. Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, dann können ja in Deutschland nicht die Lichter ausgehen. Da wir in einem Akt kollektiver Besoffenheit zugleich aus der Atomenergie aussteigen, bleiben allein die fossilen Energien.

Und hier vor allem das Erdgas, bei dem wir von Rußland abhängig sind. Der deutsche "Ausstieg aus der Atomenergie" ist, außenpolitisch gesehen, ein Glücksfall für Rußlands Machtpolitik.

Wir können nur darauf hoffen, daß dank Fracking in den USA das dort geförderte Erdgas bald so billig wird, daß es verflüssigt rentabel in Schiffen nach Europa verfrachtet werden kann. Wenn nicht, haben wir den russischen hegemonialen Bestrebungen wenig entgegenzusetzen.
Dem ist bezüglich des wirtschaftlichen »Selbstmordes mit Anlauf«, den Deutschland derzeit mit seiner aberwitzigen Energiewendepolitik betreibt, völlig zuzustimmen. Auch, daß dieser Aberwitz für russische Machtpolitik ein Glücksfall ist. Nun, das ist aber Schuld Deutschlands, nicht Rußlands! Nur welch transatlantische Naivität liegt doch im Vertrauen, daß durch die neue Technik des »Fracking« (die die bescheuerten deutschen »Energiepolitiker« sicherheitshalber auch gleich als ganz pöhse CO2-Erhöhung hierzulande verbieten wollen!) in Hinkunft US-Amerika dem armen Deutschland uneigennützig zu Hilfe eilt, um bloß nicht die deutsche Industriekonkurrenz an den deutschen Wende-Energiepreisen vor die Hunde gehen zu lassen — na, das soll uns Kollege Zettel doch bitteschön erklären!

»Staaten haben keine Freunde, sondern Interessen« — dieser uralte Erfahrungssatz der Außenpolitik gilt nicht bloß gegenüber pöhsen Hegemonen wie Putin, sondern ebenso gegenüber den U.S.A. — und zwar piepegal, unter welchem Präsidentendarsteller in Washington!

Wer glaubt, daß Deutschland an der Energiekandare der U.S.A. weniger scharf geführt würde, als an der Rußlands, dem kann man nur zur perfekt gelungenen Hirnwäsche gratulieren. Oder, eigentlich: nicht ihm, sondern seinen Hirnwäschern! Die haben für sich gute Arbeit geleistet — ob auch für ihn, na, das wage ich dezent anzuzweifeln ...

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*) »Ohne Geld (spielt) keine Musik« — was man für Piefkes etwa mit »Ohne Knete keine Fête« verberlinern könnte.

2 Kommentare:

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