Dennoch: der Beginn des 41. Psalms ging mir unwillkürlich durch den Kopf, als ich gestern vor dem Schlafengehen noch kurz auf ORF-Teletext das Wetter für heute nachsehen wollte, und auf der Startseite die knappe Mitteilung las: »Ludwig Hirsch (65) in Wiener Spital verstorben«.
Ob er im Augenblick des Sprunges noch dachte: »ita desiderat anima mea ad te, Deus«? Wir wissen es nicht. Er wird es wissen. Das ist genug.
...ita desiderat ad te anima mea,
AntwortenLöschenDeus clementissime et misericordissime.
Sitivit anima mea ad te Deum fontem vivum,
quando veniam et apparebo ante faciem tuam!
O fons vitae, vena aquarum viventium,
quando veniam ad aquas dulcedinis tuae!
Quando veniam de terra invia et inaquosa,
ut videam virtutem tuam et gloriam tuam
et satiem ex aquis misericordiae tuae sitim meam!
Sitio, Domine, fons vitae, satia me.
Sito, Domine, sito te, Deum vivum.
O quando veniam et apparebo, Domine,
ante faciem tuam.
O dies praeclara et pulchra,
nesciens vesperum, non habens occasum,
in qua audiam vocem laudis, vocem excultationis,
et confessionis, in qua audiam:
Intra in gaudium Domini tui,
intra in gaudium sempiternum,
intra in domum Domini Dei tui.
O gaudium super gaudium,
gaudium vincens omne gaudium,
extra quod non est gaudium.
@Arminius:
AntwortenLöschenNun, ich bevorzuge hier den unparaphrasierten Vulgata-Text (Augustinus ist nicht gerade mein Favorit, sage ich ganz offen!), und der geht so weiter:
Fuérunt mihi lácrimæ meæ panes die ac nocte: * dum dícitur mihi quotídie: Ubi est Deus tuus?
Hæc recordátus sum, et effúdi in me ánimam meam: * quóniam transíbo in locum tabernáculi admirábilis, usque ad domum Dei.
In voce exsultatiónis, et confessiónis: * sonus epulántis.
Quare tristis es, ánima mea? * et quare contúrbas me?
Spera in Deo, quóniam adhuc confitébor illi: * salutáre vultus mei, et Deus meus.
Ad meípsum ánima mea conturbáta est : * proptérea memor ero tui de terra Jordánis, et Hermóniim a monte módico.
Abyssus abyssum ínvocat, * in voce cataractárum tuárum.
Omnia excélsa tua, et fluctus tui * super me transiérunt.
In die mandávit Dóminus misericórdiam suam : * et nocte cánticum ejus.
Apud me orátio Deo vitæ meæ, * dicam Deo : Suscéptor meus es.
Quare oblítus es mei? * et quare contristátus incédo, dum afflígit me inimícus?
Dum confringúntur ossa mea, * exprobravérunt mihi qui tríbulant me inimíci mei.
Dum dicunt mihi per síngulos dies : Ubi est Deus tuus? * quare tristis es, ánima mea? et quare contúrbas me?
Spera in Deo, quóniam adhuc confitébor illi : * salutáre vultus mei, et Deus meus.
Der Psalm ist für mich »glaubwürdiger«, weil zwiespältiger: Hoffnung und Zweifel, Schmerz und skeptische (Vor-)Freude. Augustinus' Paraphrase ist mir da zu glatt, zu ruhig, zu sicher ...
Für einen Ludwig Hirsch, der in seinen Texten seine Botschaften so oft gegen den Strich bürstete, daß sie trotz seiner sanften Stimme recht aggressiv wirken konnten, ist wohl der Originaltext zutreffender.
"Dunkelgraue Lieder" ... "Komm großer schwarzer Vogel" ... jetzt ist er endlich gekommen, der große schwarze Vogel.
AntwortenLöschenTod und Selbstmord kamen in seinen Texten auffallend oft vor. Manchmal mit schwarzem Humor verbrämt. Suizidale Persönlichkeit.
Ich sehe den Hirsch ziemlich problematisch: Ziemlich sicher hat er manche unsichere junge Menschen, die in den üblichen Lebenskrisen steckten, erst auf die Idee "Selbstmord ist die Lösung" gebracht.
Das war das eine.
Das andere ist: Er war thematisch sehr auf den Nadsional - Sozialismus fixiert. Das Lied "Die Oma" ist nur eines von vielen sehr ähnlichen.
Was in diesem Lied auch deutlich wird: Seine Überheblichkeit und Verachtung gegenüber der älteren Generation. Sein hartes Urteil über Menschen, die in einer bestimmten Lebenssituation, bzw. in einem bestimmten Abschnitt der Geschichte leben mußten und es einfach nicht besser wissen konnten. Die nach Leid und Zerstörung unter unsäglichen Mühen das Land wieder aufbauten, die ganze Infastruktur, enfach alles. Anstatt irgendwohin abzuhauen, wie heute, im 21. Jahrhundert, üblich.
Jahrzehnte später ist jeder klüger. Zumindest die 68er Generation, die wußte dann natürlich alles besser. Hirsch war ein typischer Vertreter dieser 68er. Auch Georg Danzer war so einer.
Also nochmal, auch wenn die Mainstream-Künstler, zu denen auch Hirsch in seiner erfolgreichen Zeit gehört hat, immer noch darauf herumkauen:
Der Nadsional-Sozialismus ist vorbei und kommt in Europa nicht wieder. Ein kurzer Abschnitt der Geschichte.
Was aber auch bald vorbei sein wird, ist die Zeit der 68er. "Jetzt hupfn`s der Reihe nach in die Kistn", um die eigene makabere Ausdrucksweise des Ludwig Hirsch zu gebrauchen.
Der Danzer ist schon vorausgehüpft. Auf viele andere desselben Geistes wartet die Kistn noch. Heller, Jelinek, Mendt, Pluhar etc.
Nescio
@Nescio:
AntwortenLöschenNun, ich verstehe schon Ihren Punkt ...
Dennoch, als nur knapp unter der Grenze der »echten« 68er-Generation stehender (ich war 1968 eben noch auf dem Gymnasium und kein Student) erlaube ich mir den Hinweis: auch diese Zeit und diese Generation war differenzierter, als es jetzt den Anschein hat.
Und auch Hirsch war differenzierter. Hirsch war auch nicht Danzer oder Heller. Er hat seinen eigenen, manchmal abstrusen, manchmal rätselhaft-berührenden Stil gefunden, in seinen Texten Geschichten zu verschlüsseln.
Und darauf kommt's an: seinen Stil gefunden zu haben. Letztlich ist jede Ideologie (und ihre Bekämpfung) nur Mittel zum Zweck — und zwar zum einzigen Zweck, für den es sich letztlich lohnt zu leben: sich selbst zu finden.
Wem das gelungen scheint (oder von wem wir es wenigstens in guten Ansätzen verwirklicht ansehen können), dem sollten wir unsere Achtung nicht versagen, auch wenn sein Weg über — wenigstens für uns — unwegsames Gelände verlief. Selbst ein Irrweg kann für den Irrenden der einzig richtig erscheinende sein.
Und das drückt auch der Psalm 41 so treffend aus. Sein — für mich — ergreifendster, packendster Vers ist ziemlich in der Mitte zu finden:
Abyssus abyssum ínvocat, * in voce cataractarum tuarum.
Ein großartiges Sprachbild, das ich leider (egal in welcher Übersetzung) bis jetzt ins Deutsche nicht adäquat übertragen fand.
Wenn Ihnen Ludwig Hirsch bloß ein typischer Vertreter der 68er-Generation war, werden Sie das nicht nachvollziehen können — aber lassen Sie sich doch einfach auf seine Texte ein! So oft habe ich in meinem Leben festgestellt, daß mich Texte von »anderer« Seite weit mehr anregen konnten, als die, denen ich weltanschaulich jederzeit zustimmen konnte.
Und was »die Kistn« betrifft: die wartet auf uns alle ...
Ludwig H. hatte ein riesengroßes musikalisches und sprachliches Talent. Konnte sehr fesselnd erzählen und geradezu hynotisch wirksame sprachliche Bilder zeichnen.
AntwortenLöschenAls Christ glaube ich, daß er dort, wo er jetzt ist, gefragt wird: „Dir wurde ein herausragendes Talent geschenkt. Was hast du in deinem Erdenleben damit angefangen und bewirkt? Gutes?“
Mittels seines Talents über den Äther (Radio) Selbstmord und hochmütige Verachtung gegenüber der älteren Generation zu propagieren ist nichts Gutes. Das sind böse Gedanken, die leicht ansteckend wirken (in der Sprache der Bibel: Böse Geister).
Wie, er hat sich dabei selbst gefunden? Schön für ihn. Wäre besser gewesen, er hätte sich selbst in stiller, einsamer Meditation gefunden. Dabei hätte er keinen Schaden angerichtet.
Heute ist Sonntag, ein guter Tag um in der Bibel zu lesen.
Lieber Penseur, ich beneide Sie um Ihre Lateinkenntnisse. Meine sind leider im Laufe der Jahre verblichen.
Sie sprechen von Psalm 42. Abyssus abyssum invocat … Einheitsübersetzung: Flut ruft der Flut zu beim Tosen deiner Wasser, all deine Wellen und Wogen gehen über mich hin.
Luther: Deine Fluten rauschen daher, daß hier eine Tiefe und da eine Tiefe brausen; all deine Wasserwogen und Wellen gehen über mich.
King James: Deep calleth unto deep at the noise of thy waterspouts: All thy waves and thy billows are gone over me. "Stimme" als "Tosen" bzw. "noise" übersetzt, naja.
Noch lieber allerdings würde ich die Psalmen in der früheren hebräischen, aramäischen oder altgriechischen Version (Septuaginta?) lesen, was ich leider überhaupt nicht kann.
Mein Mißtrauen gegenüber der Vulgata ist im pater noster begründet: Da beten wir:
"… et ne nos inducas in tentationem … und führe uns nicht in Versuchung …" – das erschien mir immer schon seltsam. Denn WER führt in Versuchung? Siehe Eva und die Schlange im Paradies, siehe auch Hiob: Der Teufel führt in Versuchung.
Warum sollen wir also zu Gott beten "führe uns nicht in Versuchung"? Das wird er doch ohnehin nicht tun!
Später habe ich erfahren, daß man die griechische Originalversion der Evangelien genauer mit "lasse uns nicht der Versuchung erliegen" übersetzen müßte. Das ergibt Sinn. Genau dasselbe hat auch Schönborn vor Jahren in seiner Sonntags-Kolumne in der Kronen-Zeitung geschrieben. Was sagt Alipius dazu?
Nescio
So steht es im Nestle-Aland:
AntwortenLöschen»... καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν ...« (Mt 6,13)
Wörtlich steht da: »... und nicht hineinbringest du uns in Versuchung ...«. Das unterscheidet sich rein semantisch nicht von dem, was in der Vulgata steht. Vom Erliegen-lassen etc. steht dort absolut nichts, dabei ist höchstens der Wunsch der Vater des Gedankens.
Das »εἰς« mit Akkusativ heißt »in - hinein« (im Gemoll z. B. steht: »praep. mit acc. hinein, in, zur Bezeichnung der Richtung od. Bewegung in od. auf einen Gegenstand hin«; das findet sich so auch im Menge von 1903 etc.), also in dem Fall in etwas (wen/was?) hineinbringen.
»πειρασμόν« ist ein Akkusativ mit der Bedeutung »Versuchung« (von - aus dem Benseler von 1878 -: »πεῖρα, ion. πεἰρη, ἡ [...], 1) der Versuch, die Probe, die dadurch erlangte Erfahrung« etc.).
»εἰσ-εν-έγκῃς« ist ein Aorist Konjunktiv Aktiv in der zweiten Person Singular, mit der Bedeutung »hineinbringen«. (Cf. »έν-εργάζομαι«, nach Gemoll: »d. m. 1. darin arbeiten od. sein Geschäft treiben, von Buhldirnen, 2. hineinbringen, hineinarbeiten, […]; übertr. hervorbringen, einflößen, beibringen […].«) Der Unterschied zur Vulgata ist hier, daß »inducere« eben »(hin-)einführen«, »verleiten«, »verlocken«, »veranlassen« etc. heißt bzw. »inducas«, also die zweite Person Singular, Präsens Konjunktiv Aktiv, d. h. »hineinführest«. Der Aorist soll die punktuelle Aktionsart des Verbs verdeutlichen.
Das Münchener Neue Testament übersetzt »... und führe uns nicht hinein in Versuchung ...«, hält sich hier also ans bekannte »Hineinführen« aus der Vulgata.
In der Lutherbibel von 1912 heißt es auch: »Und führe uns nicht in Versuchung, ...«
P. Konstantin Rösch OFMCap übersetzt erwartungsgemäß: »Und führe uns nicht in Versuchung.«
Auf Rumänisch z. B. -- nur so, damit man es auch in weiteren lebenden Sprachen sieht -- heißt es ebenso: »... și nu ne duce în ispită ...«, also »... und nicht uns führe in Versuchung ...«.
An dieser Stelle gibt es also nicht wirklich etwas zu deuteln. Möglich ist wohl nur, die Versuchung im Sinne von »Probe« zu verstehen, was ja in »πεῖρα« auch enthalten ist.
@Anonym (der Deutero-Anonymus, sozusagen ;-)
AntwortenLöschenDanke für die philologische Lehreinheit, die mir erspart, meinen uralten Nestle hervorzukramen und selbst nachzusehen ...
Der Gedanke mit »Probe« ist irgendwie noch verdaubar (auch das wäre m.E. eines Gottes irgendwie unwürdig, aber bitte ...), der beim unbefangenen Lesen mit »... und führe uns nicht in Versuchung« verbundene Sinn ist freilich noch weitaus anstößiger. Ein Gott, der in Versuchung führt, ist kein wirklich lieber — außerdem widerspräche dieser Sinn eklatant Jacobus 1,13 ... aber das führt nun alles wohl etwas zu weit.
»... außerdem widerspräche dieser Sinn eklatant Jacobus 1,13 ...«
AntwortenLöschenJa, da kommt man nicht herum, das ist richtig. Dort wird nämlich exakt (mehrmals) dasselbe Wort verwendet. Niemand soll sagen: »ἀπὸ θεοῦ πειράζομαι« etc., also »Von Gottes werde ich versucht« (der Grieche verwendet ἀπὸ mit Genitiv, nicht wie wir, mit Dativ) etc.
Das ist natürlich eine ganz interessante Geschichte. In der Forschung würde man jetzt etwas in diese Richtung sagen: Entweder kannte der Verfasser des Vaterunsers nicht den Jacobusbrief oder der Verfasser des Jacobusbriefs kannte das Vaterunser nicht. Letzteres wäre, wenn man als Verfasser des Briefs tatsächlich den Herrnbruder ansetzt, schon recht "witzig".
Oder sie kannten sich doch alle, waren sich aber nicht sonderlich "grün", was auch gut möglich ist, überhaupt wenn man gewisse Inhalte der paulinischen Briefe mit dem Jacobusbrief vergleicht oder wenn man sich auch nur die Actis Apostolorum ansieht.
Wie auch immer, ein schönes Bild im Sinne der Kirche will sich aus der Sache nicht ergeben ...
»Ich werde versucht« ist hier übrigens ein Indikativ. Im Griechischen kann man das auch in der ersten Person -- im Gegensatz zum Deutschen -- recht gut auseinanderhalten durch »ο-μαι«, kurz, im Gegensatz zu »ω-μαι«, lang.
AntwortenLöschenDanke, anonymer Griechischkenner.
AntwortenLöschenLeider hast du mich damit in arge Glaubenszweifel gestürzt. Nicht im Glauben an Gott an sich, aber im Glauben an das Christentum. Denn das Vaterunser ist ja nicht irgendein unbedeutender Text, sondern "so sollt ihr beten" von Jesus selbst diktiert. Angeblich.
Nescio
@Nescio
AntwortenLöschen»Leider hast du mich damit in arge Glaubenszweifel gestürzt. Nicht im Glauben an Gott an sich, aber im Glauben an das Christentum.«
Es gibt oftmals solche Härten. M. E. ist es immer irgendwie problematisch, wenn jemand eine Gotteslehre, eine natürliche -- oder gar übernatürliche! -- Theologie von der Théodicée her entwerfen will. Das hat man in den alten Zeiten, in der Scholastik, nicht bzw. nicht in diesem Ausmaß wie derzeit getan. Dabei wird dann versucht, Gott von allem und jedem frei zu halten, was uns Jetztmenschen irgendwie anstößig erscheint, also nicht nur von den moralischen, sondern auch von den natürlichen Übeln etc. pp., aber gleichzeitig die Texte der Bibel und auch irgendwie die kirchliche (Lehr-)Tradition beizubehalten. Das haut nicht hin.
Also entweder man hält das irgendwie aus oder man macht es wie Le Penseur, die Deisten oder gewisse antike Denker oder gar noch radikaler und verwirft alles. Die übliche liberalgläubige Variante empfehle ich nicht, die ist intellektuell unredlich und inkonsequent.
Der alte, traditionelle Katholizismus (wie man ihn jetzt bei Pius X. & Co. noch findet) ist so ein Beispiel dafür, wie man aus den Texten, die man nun einmal hat, das Bestmögliche rausholt, ohne sie in seinem Sinne zu verbiegen. Allerdings sind die "Freunde" und was sie so vertreten m. E. eher unangenehm, vorsichtig ausgedrückt.
@Anonym (den ich hiermit herzlich auffordere, sich einen Nick zu wählen! Bei der Eingabe einfach statt auf "Anonym" auf "Name/URL" klicken, die URL freilassen und einen — und bitte immer denselben, wenn's leicht geht — Namen hinschreiben ... sollte ja nicht so schwer sein ...)
AntwortenLöschenNun, ich halte es da in der Tat mit Deisten*) & Co.: alles verwerfen ist »nicht hilfreich« (um den Hosenanzug zu zitieren, und ausnahmsweise mal in sinnvollem Zusammenhang!), denn mir konnte noch kein Atheist plausibel machen, wie er mit seiner Anschauung nicht im Nihilismus endet.
Wer also Nihilismus nicht so fein findet, sollte daher einen »Gott der Philosophen« beibehalten. Meiner Erfahrung nach wenigstens ...
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*) (zu denen ich auch »schwache Theisten« — kurze Definition hier — wie mich zählen möchte.
Name/Url ... Werde ich ab jetzt machen, danke. Darf hiermit den anonymen Griechischkenner ersuchen, ein gleiches zu tun.
AntwortenLöschenWenn der Deist sagt: "Gott hat die Welt erschaffen, greift aber seither nicht mehr ein"
und der Theist: "Gott hat nicht nur die Welt erschaffen, sondern greift auch immer wieder ins laufende Geschehen ein", dann bin und bleibe ich Theist. Denn ich weiß, daß er, wenn er will, eingreift. Aus eigener Erfahrung, aus einem Erlebnis, dessen Direktheit mich völlig überzeugt hat. Bis zu diesem Tag war ich Atheist gewesen.
@Nescio:
AntwortenLöschenKann ich nachvollziehen. Ich hatte zwar bislang kein solches Erlebnis, aber ich bestreite nicht, daß es solche »persönlichen Gewißheiten« geben kann. Das Problem ist immer, daß die, die solches erlebt haben, oft dazu neigen, ihr Erlebnis als allgemein nachvollziehbar anzusehen, und die, die sie nicht hateen, es prinzipiell zu bezweifeln ...
I
AntwortenLöschenDa ist der Name, auf allgemeinem Wunsch. (Αἰνησίδημος und Gottlob Ernst Schulze dürften vielleicht bekannt sein.)
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Es sind diese Dinge immer so eine Sache. Persönlich habe ich -- im Gegensatz zu so manchen -- kein tiefergehendes Interesse daran, jemanden seinen Glauben auszureden, es sei denn, der Glaube wird (für mich) gefährlich. So hätte ich kein besonderes Problem damit, wenn Taliban, Hizbollah- und Hamâs-Leute, wie auch gewisse römisch-kathische Tradis, protestantische Fundis etc. die Sache mit dem Glauben an den Nagel hängten. Schaden dürfte das wohl nicht. Das ist aber eine andere Geschichte, da sich Exemplare diese Art von Gläubigen hier (zumindest momentan) wohl nicht herumtreiben. Lästig sind auch Atheisten, die meinen, das intellektuelle Nonplusultra zu sein, dabei aber können sie einem gut ausgebildeten Piusbruder nicht das Wasser reichen. Auf die trifft man öfters im Netz.
Was den Nihilismus betrifft: Es kommt auch darauf an, was man (schon) darunter versteht. Der Nihilist ist wohl eigentlich (1) Amoralist -- was nicht heißt, daß er deswegen zwangsläufig in irgendeiner herausgehobenen Weise auffällig wird --, vertritt wohl das, was ich mit Nietzsche die "Idiosynkrasietheorie" der Wahrheit nennen möchte und sich bei ihm äußert mit »es ist nichts mit der Wahrheit [insgesamt]«, also ist (2) "Idiosynkrasietheoretiker", ist (3) Antiessentialist -- d. h. es gibt kein immanentes, feststehendes Wesen der Dinge (wie bei Platon, Aristoteles, der Scholastik oder auch in neuerer Zeit Husserl) --, lehnt jegliche Teleologie in der unbelebten Natur, wie auch bei allen Tieren (vielleicht mit Ausnahme mancher höherer Säugetiere (gewisse Affen), wie natürlich auch beim Menschen – manche machen nicht einmal hier eine Ausnahme, wobei sie keine Nihilisten sein müssen) ab, ist also jeweils eine Art (4) "Funktionalist" und (5) negiert jeglichen objektiven, vorgegebenen Sinn der Geschichte und des Daseins überhaupt. Das dürfte eine nicht ganz unbrauchbare Bestimmung des Nihilisten im eigentlichen Sinne sein. Selbst unter 1 000 hundertprozentigen Atheisten wird sich wohl kaum einer von dieser Sorte finden. Mindestens ein Punkt (in den überwiegenden Fällen wahrscheinlich sogar (1) & (2)) wird nicht vertreten, wegen der Praktikabilität im Alltag und wegen der inneren Kohärenz, also quasi aus Gründen der praktischen und theoretischen Vernunft, allerdings kann man auch an der Ablehnung von (2) berechtigt zweifeln. Wenn ein Atheist (5) nicht vertritt, ist er wahrscheinlich kein Atheist mehr, allerdings gibt es auch hier Ausnahmen wie z. B. bedingt manche marxistischen Atheisten. Eine Ethik kann man, im Sinne einer Rechtfertigung einer funktionierenden Moral, eigentlich ganz gut gott-los begründen, auch bzgl. so heikler Dinge wie PID, Abtreibung etc. Die Affinität vieler Atheisten für diese Dinge, ist ja nicht notwendig gegeben. Man sah es ja auch hier, auf diesem Blog, bei der PID-Debatte: Niemand versuchte zuerst einen Gottesbeweis zu führen und dann noch zu zeigen, daß von Gott dies und das hinsichtlich PID, Abtreibung etc. gefordert wird, sondern so ziemlich alle Argumente derer, die PID, Abtreibung etc. ablehnten, lassen sich auch nach dem Grundsatz »Etsi Deus non daretur« formulieren. Ein Differenz ist aber vielfach die Absolutheit resp. der Absolutheitsanspruch. Diese absoluten, völlig letztgültigen, ewigen Grundsätze werden meist verworfen, allerdings macht mir persönlich das eher weniger Sorgen und scheint mir den Gegebenheiten der Welt eher angemessen -- und auch ein Aristoteles verzichtete allgemein auch auf eine Letztbegründung und war deswegen aber noch nicht irrational oder amoralisch.
II
AntwortenLöschenDann bleibt noch die Frage nach dem Sinn von allem: Ein solcher wird unter diesen Bedingungen nicht angenommen. Damit kann ich persönlich eigentlich ganz gut leben, andere weniger gut und manche von denen, die damit auch leben können, sind tatsächlich eher unangenehm, das stimmt natürlich auch. Persönlich halte ich in dieser Hinsicht an die Zen-Buddhisten, Hume und manchen Existenzialisten, die damit recht souverän umgingen. Man kann das natürlich auch alles irgendwie als "Nihilismus" betiteln, aber wenn, dann ist diese Form nicht so schlimm -- ein "lachender Nihilismus", sozusagen:
»Ein Schüler fragte [Dayi] Daoxin [jap. Dôshin]: ›Was bleibt?‹ Daoxin antwortete: ›Nichts‹ und lachte herzhaft.«
Und vielleicht von Bedeutung in diesem Zusammenhang auch Fichte:
»Was für eine Philosophie man wähle, hängt davon ab, was für ein Mensch man ist.«
---
»Aus eigener Erfahrung, aus einem Erlebnis, dessen Direktheit mich völlig überzeugt hat.«
Das kenne ich. Im Nachhinein finde ich es allerdings weniger überzeugend. »Erlebnisse« oder besser Erlebnisgehalte sind nun einmal per definitionem nicht objektivierbar, sondern höchstens intersubjektiv "verständlich" zu machen. Diese Erlebnisgehalte sind natürlich offen für Deutungen und werden in der Regel auch irgendwie gedeutet. Diese Deutungen werden nach einem Referenzsystem vorgenommen und selbst in ein System integriert. Der vorchristliche, freie griechische Großgrundbesitzer deutete die Angelegenheit wie Hesiod oder Homer und die tamilische Kleinbäuerin in einem Dorf in Tamil Nadu deutet das dann eventuell als etwas von Kârtikeya/Murugan, ganz im Sinne des örtlichen Vipra, der gläubige Christ in Europa oder Amerika als von der Dreifaltigkeit und der Naturalist, deutet es mit Hilfe irgendeiner naturwissenschaftlich zulässigen Kausalerklärung. Was soll man dazu sagen?
Kritisiert wurde das alles bereits vielfach. Schon von den griech. Sophisten und seit der Aufklärung fast schon inflationär: So z. B. von Hume, Diderot, d'Holbach, Kant, Feuerbach, Nietzsche, Freud, den log. Empiristen (z. B. Carnap, Ayer etc.), weiters Gomperz, Topitsch, Blumenberg, der Kritischen Theorie (Horkheimer, Adorno, Habermas etc.), bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit Schnädelbach, Assmann, Sloterdijk & Co. Praktisch alle haben sie richtige Aspekte getroffen, alles zusammengenommen bleibt nicht so viel übrig von diesen Dingen.
Schnell noch zwei Stellen korrigiert:
AntwortenLöschenNatürlich muß es »römisch-kathOLische«
heißen und »dieseR Art«. Verzeihung.
@Änesidem:
AntwortenLöschenKritisiert wurde das alles bereits vielfach. Schon von den griech. Sophisten und seit der Aufklärung fast schon inflationär
[*snip*] bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit Schnädelbach, Assmann, Sloterdijk & Co. Praktisch alle haben sie richtige Aspekte getroffen, alles zusammengenommen bleibt nicht so viel übrig von diesen Dingen.
Umgekehrt wird ein Schuh draus: wenn jemand so ein Erlebnis hatte und es in einer für ihn sinnvollen Weise deutet, dann hat das essentielle Bedeutung für ihn. Vielleicht nicht für jemand anderen — mag sein, aber das ist letztlich auch das Problem jemandes anderen.
Wenn ich so ein Erlebinis gehabt hätte, wäre mir's ehrlich gesagt wurscht, was ein Schnädelbach oder Sloterdijk daran herumkritisieren. Ich ließ mir von diesem lispelnden Literatur-Giftzwerg im Fernsehn auch nicht vorschreiben, welcher Roman mir zu gefallen hat, ich gehe auch in kein Restaurant ein zweites Mal, dessen Fraß ich schrecklich fand, und wenn es noch so viele Hauben hätte — warum soll ich mir meine höchstpersönliche Glaubensentscheidung durch scheinrationale Argumente vermiesen lassen?
Noch ein Wort zu Ihrer Meinung:
Eine Ethik kann man, im Sinne einer Rechtfertigung einer funktionierenden Moral, eigentlich ganz gut gott-los begründen
Ich weiß, jedesmal werde ich von Atheisten damit konfrontiert. Nur macht es die Wiederholung nicht richtiger. Eine Ethik ohne Gott ist eine Ethik ohne Verbindlichkeit und Sanktionen (jedenfalls, wenn man's geschickt genug anstellt). Und eine Ethik ohne Verbindlichkeit ist etwa so sinnvoll, wie Straßenbahnfahrscheine ohne Kontrolle. Schönwetterethik. Oder Ethik für edle Menschen (was uns vor die Frage stellt: wohin mit den ca. 95% anderen?). Oder eine Ethik für Heuchler.
Das, was ich von Ethik will, bieten alle drei Varianten nicht. Den Münchhausen'schen Zopf, an dem der Atheist, der an keinen objektiven Sinn des Lebens glaubt, sich in die Gefilde der Tugend hinaufziehen könnte, auch wenn's für ihn erhebliche Nachteile bringt (und erst ab da beginnt Ethik interessant zu werden — davor ist sie ja eher zum Krenreiben!), den Zopf habe ich noch nicht ausnehmen können.
Aber vielleicht zeigen Sie ihn mir ja noch ...
»… warum soll ich mir meine höchstpersönliche Glaubensentscheidung durch scheinrationale Argumente vermiesen lassen?«
AntwortenLöschenNun sind allerdings die verschiedenen Argumente, die im Laufe der Zeit in dieser Hinsicht zusammengetragen wurden, alles andere als »scheinrational«*, während ein Erlebnisgehalt samt seiner völlig kontingenten Deutung überhaupt kein Argument oder besonders rational ist, sofern man auf so etwas wert legt. Daß so etwas eine subjektive Bedeutung für irgend jemanden hat, ändert an dieser Sachlage allerdings wenig. Sicher, wenn es nicht darum, sondern bloß ums »Nicht-vermiesen-lassen« geht, ist es ohnehin völlig egal. Von mir aus braucht sich ohnehin niemand irgendwas von irgendwem »vermiesen zu lassen«, obwohl es in manchen Fällen vielleicht für andere Personen besser wäre (cf. Fanatiker und Schwärmer und ihre Auswirkungen).
»Nur macht es die Wiederholung nicht richtiger.«
Ich weiß nicht, was Sie sich so unter einer Ethik vorstellen bzw. davon erwarten. Daß der überwiegende Teil der Ethik(en) aller Zeiten (nicht nur in der Gegenwart, auch diverse griech. Ethikkonzeptionen, wie auch z. B. die konfuzianische Ethik oder die Ethik im Zen- und Theravâda-Buddhismus) dieser Erwartung nicht entsprechen, heißt allerdings nicht, daß sie keine sind. Zum einen ist die Moral bzw. ethische Konzeptionen zu einer Moral, nicht das Strafrecht, zum anderen benötigen sie, um zu funktionieren, nur eine relative, keine absolute »Verbindlichkeit«. An eine Art Oberlehrer über den Wolken, der mit dem Rohrstock den bösen Buben nach deren Ableben auf die Finger klopft oder einen "Superjuristen" im Himmel (jeweils bildlich gesprochen) glaube ich nicht und sehe keinen Grund, so etwas anzunehmen, d. h. also keinen objektiven, transzendenten Agenten, der nach angeblichen unwandelbaren, ewig seienden Normen unmoralisch handelnde Menschen mit Sanktionen belegt. Es läßt sich aus der Moral auch kein Gottesbeweis (denn ein solcher Gott oder göttliches Wesen wäre ja erforderlich für die zugedachte Rolle) ziehen, noch wurde gezeigt, daß Menschen, die auf Basis einer säkularen Ethik handeln, das Zusammenleben irgendwie gefährden, ja nicht einmal, daß sie zu keinem, auf der Basis und nach den Maßstäben ihrer selbstgegebenen Normen, für sie gutem Leben fähig sind, schätzungsweise, weil es schlicht nicht der Fall ist. Selbst bei letzterem Punkt alleine, erscheint mir die Negation der Sinnhaftigkeit ethischer Konzepte, die ein funktionierendes Zusammenleben regeln und ziemlich sicher auch gewährleisten, was man am Verhalten ganz gewöhnlicher "Gottloser" aller Art in Europa und Nordamerika ersehen kann, die sich gleich gut oder schlecht wie Gläubige aller Art verhalten, doch umgekehrt eher sinnfrei. Oder auch: Wer darauf angewiesen ist und ein Interesse daran hat, daß der "Betrieb" funktioniert, braucht keinen Kontrolleur, wer kein Interesse daran hat, obwohl er darauf angewiesen ist und sich nicht um den Betrieb schert, schädigt sich selbst, wird von daher auch "sanktioniert", wer sogar so weit geht und den Betrieb, auf den andere Akteure angewiesen sind, schädigt, so daß es in deren Interesse liegt, den Störenfried entsprechend zu sanktionieren, wird sogar handfest von den Akteuren sanktioniert, so daß es wiederum in seinem Interesse liegt, den Betrieb nicht zu stören. Allem Anschein nach funktioniert das so bzw. nach allem, was wir bisher so wissen, nicht schlechter, als mit einem Kontrolleur, der ohnehin nie eingreift (bzgl. letzterer Angelegenheit sind sich Atheisten und Deisten ja durchaus einig, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen).
Generell halte ich diverse Vorstellungen, die aus dem Bereich der Religion stammen (auch bereits von der griech. Philosophie her -- bei Platon, der dbzgl. von großer Bedeutung ist, wurden die religiösen Einflüsse recht schön von Karl Albrecht herausgearbeitet) umgekehrt nicht für sinnvoll bzw. für sehr zweifelhaft. Überhaupt Sinn ergeben sie nur, wenn man die entsprechenden Grundlagen voraussetzt, die m. W. bisher noch nirgends letztbegründet oder auch nur von groben Inkonsistenzen bereinigt wurden, was ich allerdings alles nicht mehr näher ausführen werde, da ich ehrlich gesagt von Anfang an keine besondere Lust auf derart weitreichende religionsphilos. Debatten hatte. Schon alleine von daher werde ich Ihnen dbzgl. nicht wesentlich mehr erzählen. Ich hoffe auf Ihr Verständnis.
AntwortenLöschenAch ja, was das mit der Tugendhaftigkeit in einer Situation die erhebliche Nachteile bringt angeht: Ich wüßte nicht, wozu diese gut sein soll, wenn sie in niemandes Interesse liegt (was allerdings sein kann, trotz der Nachteile, aber nicht muß). Hier schnell etwas Intrinsisches reinzulegen, wäre eine mehr oder minder nette Behauptung, mehr nicht.
---
* Zum Exemplar Sloterdijk will ich jetzt nichts sagen bzw. ist das Niveau der Zeitgenossen (Harris, Hitchens, Dawkins) nicht allzu hoch, das gebe ich gerne zu, die letzten Bedeutenderen, wie z. B. Mackie und Topitsch sind ja bereits verstorben. Jan Assmann ist, obwohl nicht direkt Religionskritiker, zumindest vielfach interessant, was die monotheistischen Offenbarungsreligionen angeht.
** Damit wird natürlich niche die Verbreitung bei der Masse angezeigt.
Änesidem schrieb:
AntwortenLöschen"»Aus eigener Erfahrung, aus einem Erlebnis, dessen Direktheit mich völlig überzeugt hat.«
Das kenne ich. Im Nachhinein finde ich es allerdings weniger überzeugend. »Erlebnisse« oder besser Erlebnisgehalte sind nun einmal per definitionem nicht objektivierbar, sondern höchstens intersubjektiv "verständlich" zu machen. Diese Erlebnisgehalte sind natürlich offen für Deutungen und werden in der Regel auch irgendwie gedeutet. Diese Deutungen werden nach einem Referenzsystem vorgenommen und selbst in ein System integriert. Der vorchristliche, freie griechische Großgrundbesitzer deutete die Angelegenheit wie Hesiod oder Homer..."
Ich werde es etwas deutlicher sagen, auch wenn es dadurch noch rätselhafter wird: Das Wesen, das mich besuchte, erschien weder in menschlicher noch in tierischer Gestalt. Insofern ist es kaum möglich, es in das Referenzsystem eines antiken Griechen zu integrieren. Ein indianischer Schamane hätte dieses Erlebnis vielleicht geringfügig besser deuten können. Aber, um einer naheliegenden Frage zuvorzukommen: Ich habe nie Drogen oder Psychopharmaka genommen, es war zu dem Zeitpunkt hellichter Tag, und ich war wach und völlig nüchtern.
@Änesidem:
AntwortenLöschenIch weiß nicht, was Sie sich so unter einer Ethik vorstellen bzw. davon erwarten.
Ganz einfach: Aussagen über richtiges Verhalten. Und zwar nicht deskriptve, sondern normative. Und eine Norm, über deren Einhaltung nicht gewacht wird, ist keine (zumindest keine, die mich in der Praxis besonders interessieren würde).
Normeinhaltung kann nun prinzipiell über zwei Systeme erreicht werden:
1.) die Normeinhaltung ist notwendig, weil absolut zwingend. Das hat mit Ethik/Moral*) nichts zu tun, sondern ressortiert in die Naturgesetze.
2.) die Normeinhaltung ist sanktionsbewehrt (d.h. die Norm kann verletzt werden, dies führt jedoch zu einer Bestrafung). Das nun ressortiert in Ethik/Moral und Recht (den Unterschied zwischen den beiden würde ich vereinfachend darin setzen, daß Recht Sanktionen nur diesseitig, Ethik/Moral jedoch dies- und jenseitig verheißt).
Normen, die mangels Sanktionierung nicht durchgesetzt werden können, sondern bloße Postulate sind, würde ich als »Moralästhetik« bezeichnen. Hart geasgt: für die sprichwörtliche »Wetti-Tant'« ...
Wie die Sanktion nun erfolgt, ob durch einen theistischen Gott oder ein deistisches/karmatisches Seinsprinzip ist mir letztlich egal. Hauptsache, sie erfolgt.
Ich weiß, ich bin Jurist, kein Philosoph ...
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*) Eine wirkliche Unterscheidung von Ethik und Moral habe ich eigentlich nie nachvollziehen können. Aber vielleicht kann mir das auch noch jemand erklären ...
@ Le Penseur
LöschenIch bitte einen "dritten Weg" zu berücksichtigen:
Auch eine positive Sanktion bewehrt die Norm.
Das ist in unserem Rechtssystem zwar nicht unbedingt gängig, ist aber ein prinzipiell sehr effizienter Weg die Einhaltung von Normen zu fördern.