Freitag, 21. Oktober 2011

Blüh im Glanze dieses Glückes / blühe, libysch' Vaterland!

Die bekannte französische Tageszeitung »Le Figaro« ergeht sich in der jubeljournalistischen Köngisdisziplin des panegyrischen Kaffeesudlesens:
In Afrika und im Nahen Osten war Gaddafi der vollendete Vertreter eines gewalttätigen und korrupten Despoten, dem alle Mittel recht waren, um seine Nachbarn und diejenigen zu destabilisieren, die sich seinen bizarren Vorstellungen widersetzten. Manche hätten den Herrscher des Terrors gern vor Gericht gesehen. Möge sein ruhmloses Ende als Lehre dienen. Dem arabischen Frühling geht zur Zeit die Luft aus. Die Gewalt gegen Kopten in Ägypten, der mögliche Sieg der Islamisten bei den Wahlen in Tunesien am Sonntag und die blutige Unterdrückung in Syrien sind keine guten Zeichen. Die Libyer sind jetzt von Gaddafi erlöst und bilden die Vorhut der regionalen Emanzipation. Möge ihnen der Aufbau eines neuen Libyens gelingen. (Quelle)
Wie schön doch, daß wir nicht von korrupten Despoten wie Gaddafi regiert werden, sondern die Korruption sich ganz ohne Despotie auf das Kaufen der Zeitungsberichterstattung durch Verkehrsminister (und deshalb spätere Bundeskanzler) beschränkt. Und auf die Besetzung von 90% der Pöstchen in den öffentlich-rechtlichen Medien. Und auf ein paar Milliönchen, die an diese und jene Partei abfallen — quasi als süße Krümel vom reich gedeckten Tisch unserer Demokratie — , wenn wieder einmal Abfangjäger angeschafft oder Staatsimmobilien verkauft werden sollen. Und gewalttätig sind unsere p.t. Politiker natürlich auch nicht, wo denkt man hin! Kaum erwähnenswert, daß sie ohne gültige Rechtsgrundlage Libyen überfallen, oder Afghanistan zerbomben, oder den Irak, oder sonst ein Land, in welchen die Segnungen unseres politischen Systems noch nicht implementiert wurden. Da geht es natürlich nicht um Gewalttätigkeit, sondern um die Verteidigung Deutschlands am Hindukusch ...

Und bizarre Vorstellungen hatte eben auch nur dieser gewalttätige und korrupte Despot in Libyen — jedoch niemals unsere Politiker, die vielmehr stets vom gesunden Menschenverstand ausgehend, Billionen-Rettungsschirme zur Finanzierung von Pleitebanken basteln, oder das Heil der Menschheit in der Durchgenderung aller Lebensbereiche erblicken.

Vor bekannt unparteiischen Gerichten hätte man gerne den Herrscher des Terrors gesehen — dumm nur, daß die USA die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag nicht anerkennen, weshalb die Hintermänner der Terroristen leider, leider nicht belangt werden können.

Aber Hauptsache: die Libyer sind von Gaddafi erlöst und bilden die Vorhut der regionalen Emanzipation. Unter der behutsamen Leitung französischer und britischer Truppen und Berater werden sie sich von ihrer Eigenstaatlichkeit emanzipieren und ein neues Libyen aufbauen, zu dessen Gelingen wir ihnen doch nur das Allerbeste wünschen wollen: möge es doch friedlich wie Afghanistan werden, tolerant wie Ägypten oder Saudiarabien, wirtschaftlich boomend wie der Sudan, einig und stark wie der Irak! Das alles werden sie bekommen, dank der Segnungen französisch-britischer Beratung und Anleitung. Und ein Zentralbanksystem nach westlichem Muster noch dazu, damit auch die Libyer bald mit DKT-Scheinchen spielen dürfen.

Ja, möge ihnen damit der Aufbau eines neuen Libyens gelingen! Dann hätten wir nämlich in Libyen ein Vorbild, an dem wir unsere Hoffnung aufrichten könnten: »Damit das Mögliche entsteht, muß immer wieder das Unmögliche versucht werden«, schrieb schon Hermann Hesse. Und aus dem Unmöglichen, das wir gerade versuchen, wird alles Mögliche entstehen — das wollen wir doch unbesehen glauben ...

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