Die bis jetzt kursierenden Textvarianten sind jedenfalls nur eines: literarisch erbärmlich. Wie gerade ein Minister namens Töchterle völlig richtig diagnostizierte: »Niemand hat das Recht, in einen poetischen Text einzugreifen. Das ist wie wenn man eine Skulptur umbaut«. Und der Wiener Germanist Franz Patocka empfindet die Ersetzung von »Heimat bist du großer Söhne« durch »Heimat großer Töchter, Söhne« als »... grammatikalisch grenzwertig und ästhetisch ein Gräuel«. Nun, wann wäre ideologische Verblendung je derartigen Erwägungen zugänglich gewesen ...
Dem allgemeinen Kniefall vor den Befürwortern — bzw. »BefürworterInnen« — hymnischer Quotentussen verweigert sich nur die FPÖ. »Das Textkunstwerk von Paula von Preradovic soll nicht beschädigt werden und muß im historischen Kontext verstanden werden«, erklärte deren Frauensprecherin Carmen Gartlgruber und schloß die Befürchtung an, jemand könne auf die Idee kommen, dem »Bundesadler noch ein Schminktäschchen statt der Sichel verpassen« zu wollen. Nun, das ist wohl übertrieben, aber daß politisch korrekte Textänderungen an der Bundeshymne demnächst metastasieren, davon kann fast mit Sicherheit ausgegangen werden. Schließlich wird die linke Devotionsbücke vor unseren muselmanischen Kültürbereicherern in vorauseilendem Gehorsam sicher bald die Zulässigkeit der Wortfolge »Land der Dome« hinterfragen, und die hartnäckige Nichterwähnung von LesBiSchwulen Lebenskonzepten ist eigentlich ein Skandal, nicht wahr? Und wer denkt in dem derzeitigen faschistoid-patriarchalischen Hymnen-Machwerk an die Transen?
Ich sage nur: »Söhn_innen« muß es heißen! Es lebe das/die/der Gender_Gap ...
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
P.S.: die erbärmliche Haltung (recte: Rückgratlosigkeit) der ÖVP bringt ein Leserkommentar in der »Presse« auf den Punkt:
Diesen Artikel sollte sich die ÖVP ausdrucken, einrahmen und aufhängen. Nur für den Fall, dass sich jemand fragt, warum die ÖVP viertstärkste Partei geworden sein wird.Wogegen bis auf das Wort »scheinbar« — das (früher, als der Duden noch Sprachpflege betrieb) richtigerweise »anscheinend« hätte lauten müssen — nun wirklich nicht das mindeste zu einzuwenden ist.
Unter Kreisky gab's den Witz: "Was ist der Wahlslogan der ÖVP im Jahr 2000?" - "ÖVP wieder ins Parlament". Mit einiger Verspätung kommen wir scheinbar dorthin.
» ... aber daß politisch korrekte Textänderungen an der Bundeshymne demnächst metastasieren, davon kann fast mit Sicherheit ausgegangen werden.«
AntwortenLöschenDie nächste verunstaltete Hymne scheint - nach den roten Femanzen - die Salzburger Landeshymne zu werden: »Land unserer ELTERN ...«
Das ist wirklich grotesk. Hw. Pichler schauen S' owa ...
PS. Netter Hinweis bzgl. scheinbar vs. anscheinend. Aus dem Großen Duden zur Rechtschreibung von 1958:
»... scheinbar (nur dem [der Wirklichkeit nicht entsprechenden] Scheine nach); er hörte scheinbar aufmerskam zu (in Wirklichkeit war das nicht der Fall), aber: er hörte anscheinend aufmerksam zu (wie es den Anschein erweckte, hörte er aufmerksam zu) ...«
Gegenwärtig steht im Duden zur Rechtschreibung:
»scheinbar (nur dem Scheine nach); er hörte scheinbar aufmerksam zu (in Wirklichkeit gar nicht), aber er hörte anscheinend (= augenscheinlich, offenbar) aufmerksam zu«
Wobei man schon auch sagen muß: Noch handelt es sich doch eher um "scheinbar", denn die VP schafft es wohl auch noch bei der nächsten und übernächsten Wahl recht leicht ins Parlament.