Wenn hingegen ein römisch-katholischer Kardinal, zwar ohne Wissen, dafür mit Überzeugung, in einer »Ethikkommission« dilettiert, die über nichts weniger als die weitere Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland befinden soll, kann man das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn im Gegensatz zum Kardinal, welcher dereinst, egal was kommt, seine ewige Ruhe in der Bischofsgruft finden wird, und bis dahin von konkordatär verbrieften Leistungen durchaus auskömmlich sein Leben wird fristen können, sind Otto & Ottilie Normalverbraucher ohne konkordatäre Leistungszusage darauf angewiesen, ihren Unterhalt aus dem Wirtschaftsstandort direkt zu beziehen. Oder eben nicht mehr zu beziehen, wenn's das Umfeld nicht hergibt.
Aber solch Quisquilien kümmern den Purpurträger der Heiligen Mutter Kirche nicht besonders: »„Die Kirche“, so auch Papst Benedikt XVI. „hat keine technischen Lösungen anzubieten“«, versichert uns Marx, »vielmehr erarbeitet die Katholische Soziallehre — auf der Grundlage sachlicher Informationen — ethische Kriterien, die verantwortliche Entscheidungen ermöglichen«. Na, da sind wir aber doch gleich beruhigt! Denn beim Gedanken, daß etwaige »technischen Lösungen« à la Marx vermutlich ein ähnlicher Murks wie die in den »Arbeitshilfen Nr. 245 „Der Schöpfung verpflichtet. Anregungen für einen nachhaltigen Umgang mit Energie. Ein Expertentext zu den ethischen Grundlagen einer nachhaltigen Energieversorgung“« gedrechselten Worthülsen sein dürften, wird einem etwas blümerant zumute ...
Also, dann lesen wir mal diesen »Expertentext zu den ethischen Grundlagen einer nachhaltigen Energieversorgung« ein bisserl quer ...
Schon das Marx'sche »Geleitwort« verrät dem Leser: alles wird in einen Kontext nachhaltiger Bescheidenheit gestellt, auf die wir unsere Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen gefälligst herabzustimmen haben. Manichäismus im grünen Zeitgeist-Gewand:
Die dramatischen Geschehnisse in Fukushima werfen ein neues Licht auf die Notwendigkeit eines nachhaltigen Umgangs mit Energie. Drastisch führen sie uns vor Augen, dass auch sehr unwahrscheinliche, aber mit einem hohen Risiko behaftete Ereignisse eintreten können und dass die Folgeprobleme der Kernenergienutzung weiterhin ungelöst sind. Die Frage nach der Sicherheit der Kernenergie wird neu gestellt. Diese aktuelle Debatte darf aber nicht die anderen Entwick-lungen außer Acht lassen, die bei einer umfassenden Bewertung zu berücksichtigen sind, beispielsweise der globale Klimawandel und die Zunahme außergewöhnlicher Naturkatastrophen sowie die Folgen der Abholzung oder Übernutzung von Flächen, etwa hinsichtlich der biologischen Vielfalt. All diese bedrohlichen Umweltprobleme machen deutlich, wie dringend erforderlich dringend erforderlich ein umwelt- und energiepolitischer Kurswechsel, also eine „Energiewende“ ist.Ach ja, wirklich? ... Also irgendwie fühle ich mich vom globalen Klimawandel etwa so bedroht, wie von den dramatischen Geschehnissen in Fukushima, nämlich nicht besonders. Und jeder, der seine fünf Sinne und ein paar Basisdaten zu Klimatologie und Kernkraftwerken beisammen hat, sollte etwa ebenso empfinden. Daß von medialen Desinformationskampagnen verunsicherte, wegen Bildungslücken unkundige Bürger in Panik geraten, ist zwar nicht eben schön, aber irgendwie begreiflich (wenngleich es für das Funktionieren einer Demokratie nicht gerade ein beruhigendes Gefühl hinterläßt). Nur verfassen Panik-Bürger eher nicht »Expertenberichte«, bzw. oberhirtliche Geleitworte zu ebensolchen ...
Im Geleitwort wird wirklich nichts ausgelassen, was sich an Versatzstücken bedenkentragender Rhetorik im Archiv findet:
Die Energiefrage steht wie der Klimawandel im Brennpunkt intergenerationeller, globaler und ökologischer Gerechtigkeit. Verantwortung für sich selbst, für den anderen und für die Umwelt zu übernehmen, erfordert Lebens- und Verhaltensweisen, die von Maßhalten und Solidarität geprägt sind. Wirtschafts- und Lebensstile sind ernsthaft zu überprüfen.Also, dann prüfen wir halt ernsthaft ...
Die Energiepolitik der Zukunft muss geprägt sein von einer Reduzierung des Energieverbrauchs, einer Steigerung der Effizienz und dem Ausbau und der Suche nach alternativen nachhaltigen Energieformen.Irgendwie hoffte ich dann doch noch einen Hinweis auf ein im dritten Geheimnis von Fatima vorhergesagtes Wunderwirken Gottes zu finden, denn ohne ein solches wird sich die »Steigerung der Effizienz« wenigstens bei »alternativen nachhaltigen Energieformen« nicht bewerkstelligen lassen. Der Wind weht, wo er will, die Sonne scheint, wann sie will — und dementsprechend »nachhaltig« sieht dann auch die »Effizenz« derartiger Anlagen aus. Wenn man mal die Effizienz von Steuersparmodellen dank geschickter Ausnützung der Förderrichtlinien außer Acht läßt ...
Die Zeit ist reif, auf einer breiten gesellschaftlichen Basis ver-antwortungsvolle, ehrliche und tragfähige Lösungen für eine zukunftsfähige, gerechte und nachhaltige Energieversorgung zu finden. Doch kann diese energiepolitische Wende nur gelingen, wenn wir das Wohl aller im Blick haben, also auch derer, die in der Wahrnehmung ihrer Interessen nicht so durchsetzungsstark sind. Auch müssen wir den nachfolgenden Generationen gleichsam ein Mitspracherecht einräumen und dafür eintreten, die von Gott geschenkte Erde für alle Geschöpfe als zukunftsfähiges „Lebenshaus“ zu bewahren. Es bedarf der Bereitschaft zum Umdenken und Handeln, denn wir sind der Schöpfung verpflichtet.... schließt das Geleitwort (ehe die »Experten« das Wort haben). Schön gesagt, wirklich! Besonders das da mit denen, die nicht so durchsetzungsstark sind, und jetzt sicher ganz begeistert mittun, sich in Bescheidenheit zu üben, damit »eine zukunftsfähige, gerechte und nachhaltige Energieversorgung« gefunden werden kann.
Angesichts solcher Texte — und dadurch offengelegter dahinterstehender Geisteshaltungen — drängt sich einem ein Stoßgebet über die Lippen:
»HErr, laß' Hirn regnen ...«
@Stefan Wehmeier:
AntwortenLöschenDanke für Ihr interessantes Posting. Ihre Begeisterung für die »echte« soziale Marktwirtschaft (wenigstens so, wie sie Sie in Ihrem ersten Link darstellen) konnte sich allerdings nicht auf mich übertragen. Da erscheinen mir die Aussagen der »Austrians« (Mises, Hayek & Co.) deutlich plausibler.
Wie ich überhaupt auch (und gerade!) auf ökonomischem Gebiet kein Anhänger von »Heilslehren« bin. Die »Austrians« unterscheiden sich (und m.E. höchst positiv!) von allen anderen mir bekannten Richtungen, daß sie eben grade keine Heilslehre mit epochemachend zu sein versprechenden neuen Erkenntnissen verkünden, sondern ganz »praxeologisch« eine Wirtschaftstätigkeit mit den Mitteln des gesunden Hausverstandes betrachten.
Das ist nicht »geil«, das ist nicht »hipp«, das ist nicht »in« — ich weiß! Aber es überzeugt mich (als Wirtschafts-Praktiker) weitaus mehr, als hochgestochene Theorien über die Verderblichkeit des »Urzinses« und leuchtend gemalte Visionen einer »globalen sozialen Marktwirtschaft«.
»Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen«, meinte schon Helmut Schmidt. Ich setze hinzu: »... oder der kann auch eine Karriere als Heiliger (Kirchenabteilung) oder Heilpraktiker (Esoterikabteilung) einschlagen«.
Nur in die Gestaltung der Wirtschaft sollte er sich besser möglichst wenig einmengen. Mein Dank für seine Zurückhaltung wäre ihm wenigstens sicher ...
Ich verstehe: an Silvio's Wesen soll die Welt genesen ...
AntwortenLöschenSie verübeln mir, hoffentlich, nicht allzu sehr, daß ich daran nicht glaube. Nicht einmal, wenn Sie mir Seine Herrlichkeit, Lord Keynes, als »Jahrhundertökonom« andienen. Danke! Hat viel zu viel Blödsinn geschrieben, als daß ich ihn besonders ernst nähme ...