Donnerstag, 20. Januar 2011

Die meisten Anrufer konnten besser Englisch

... als Sarrazin. Meint »Der Spiegel«, der von dem sicherlich um E-Mail-Kommunikation durchaus verdienstlichen Anbieter gmx.net unter dem Titel »I am Thilo Sarrazin from Börlin« zitiert wird. Nun, Sarrazin kann recht wenig dafür, daß die Engländer die Stadt Berlin so circa wie »Börlin« ausspechen — denn sie sind ja auch sonst dafür berühmt, daß sie sich einen Dreck darum scheren, wie fremde Namen (oder Fremdwörter überhaupt) ausgesprochen werden. Ich erinnere mich z.B. an einen durchaus belesenen Briten, der einen unserer Größten, nämlich Goethe, wiederholt als gɔːðiː verballhornte, wobei ich mir nur schwer vorstellen kann, daß ein belesener Deutscher Goethes Zeitgenossen Byron wie büron ausspräche.

Es entzieht sich natürlich meiner Kenntnis, wie gut die Aussprache des Spiegel-Schreiberlings ist (da er Sarrazin statt mit dem völlig korrekten Wort »brightest« zunächst mit einem kuriosen »whitest« zitierte, habe ich da meine leichten Zweifel), aber, bitteschön, geht es denn darum überhaupt? Daß Anrufer einer BBC-Sendung vermutlich besser Englisch können als Sarrazin ist etwa so überraschend wie die Mitteilung, daß es in Timbuktu wärmer ist als in Reykjavík. Na, geh ...

Kommt es bei einer Debatte nicht eher darauf an, was die Argumente besagen, als darauf, mit welchem Akzent sie ausgesprochen werden? Aber nein: da das Systemmedienkartell gegen Sarrazin keine inhaltliche Kritik zustandebringt (denn das, was an »Widerlegungen« aufgeboten wurde, waren desaströse Rohrkrepierer von der Sorte der kreativen Schönrechnerin Naika Foroutan), muß eben eine Nebelwand angeblicher »Lächerlichkeit« und »Peinlichkeit« Sarrazins seine Thesen indiskutabel machen.

Die Sarrazin-Sendung auf BBC kann jedenfalls derzeit hier angehört werden. Sarrazin spricht mit eindeutig deutschem Akzent. Wie jeder seiner Generation, die noch vor den Sprachlabors und vor der englischsprachigen Dauerberieselung durch Radio und Fernsehen großgeworden ist. Aber was er sagt, sagt er klar, verständlich und auf durchaus brauchbarem Sprachniveau. Wenn uns der Spiegel einen pensionierten Direktor der Bank of England präsentieren kann, der eloquenter Deutsch als Sarrazin Englisch spricht, dann möge er dies, bitte, tun. Sonst sollte er sich und uns die Peinlichkeit ersparen, mangels inhaltlicher Argumente eine Pseudodebatte vorzuschützen ...

5 Kommentare:

  1. Aahhh.... (** genießend seufz **)... Die gute, alte ignoratio elenchi in Form des ad hominem Arguments. Immer noch mein Favorit.

    "Wir bleiben unsrem Motto treu:
    Links, betroffen, logikscheu"

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  2. SPON langweilt mit der Zeit, denn noch, bevor SPON ein Thema anfasst, weiß ich genau, was im später veröffentlichten Artikel steht.

    Deshalb lese ich den Spiegel nur noch selten und auch nur, um mir selber meine oben aufgestellte Behauptung zu beweisen.

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  3. Es ist leichter sich über seinen Akzent auszulassen, als die Fakten oder die Herangehensweise zu diskutieren. Eine löbliche Ausnahme bildet dabei die Debatte um Goethes Islambild, in der Sarrazin seine Fehler nachgewiesen werden. Alles andere ist nur Selbstprofilierung.

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  4. Der sehr lesenswerte Blog "Zettels Raum" hat sich auch Gedanken zur BBC gemacht - unbedingt lesen!

    http://zettelsraum.blogspot.com/2011/01/notizen-zu-sarrazin-11-ein-gesprach-mit.html

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  5. Der Mainstreamschreiberling Jakob Augstein ortet Sarrazins Buch im „Land der Niedertracht“:
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,739073,00.html

    Mit der Moralkeule rülpst es sich immer noch am besten.

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