Samstag, 11. Dezember 2010

Liu Xiaobo

... hielt die folgende Rede nicht. Er konnte sie auch schwerlich halten, da er im Gefängnis sitzt. Wegen genau solcher Reden wie jener, aus welcher während der Verleihungszeremonie des diesjährigen Friedensnobelpreises zitiert wurde:
Ich möchte diesem System, das mich meiner Freiheit beraubt, noch sagen, daß ich zu meinen Überzeugungen stehe, die ich schon vor zwei Jahrzehnten in meiner Erklärung vom 2. Juni zum Hungerstreik (Anm.: während der Demokratiebewegung 1989) geäußert habe: Ich habe keine Feinde und keinen Haß. Keiner der Polizisten, die mich beobachtet, verhaftet und verhört haben, keiner der Staatsanwälte, die mich angeklagt haben, und keiner der Richter, die mich verurteilt haben, sind meine Feinde.

Eine Feindmentalität vergiftet den Geist einer Nation, zettelt einen brutalen moralischen Kampf an, zerstört die Toleranz einer Gesellschaft und die Mitmenschlichkeit und behindert den Fortschritt einer Nation in Richtung Frieden und Demokratie. Deswegen hoffe ich, über meine persönlichen Erfahrungen hinauszugehen, während ich auf die Entwicklung unserer Nation und den sozialen Wandel schaue, um der Feindseligkeit des Regimes mit äußerst gutem Willen zu begegnen und Haß mit Liebe zu zerstreuen.

Es gibt keine Macht, die das Streben der Menschen nach Freiheit stoppen kann, und China wird letztendlich eine Nation werden, wo das Recht herrscht, wo Menschenrechte an höchster Stelle herrschen.

Die glücklichste Erfahrung in den vergangenen 20 Jahren war die selbstlose Liebe meiner Frau Liu Xia. Ich sitze meine Strafe in einem konkreten Gefängnis ab, während du in dem unfaßbaren Gefängnis des Herzens wartest. Deine Liebe ist das Sonnenlicht, das über hohe Mauern springt und die Gitterstäbe meines Gefängnisfensters durchdringt, jeden Zentimeter meiner Haut streichelt, jede Zelle meines Körpers wärmt und mir erlaubt, immer Frieden, Offenheit und Helligkeit in meinem Herzen zu bewahren, und jede Minute meiner Zeit in Haft mit Bedeutung erfüllt.

Ich sehe dem Tag entgegen, an dem meine Nation ein Land ist mit Meinungsfreiheit, wo die Äußerungen eines jeden Bürgers gleich behandelt werden, wo verschiedene Werte, Ideen, Glaubensrichtungen und politische Ideen sowohl miteinander im Wettbewerb stehen als auch friedlich koexistieren können, wo sowohl die Ansichten der Mehrheit als auch der Minderheit gleich garantiert werden, und wo insbesondere die politischen Ansichten, die sich von denen gegenwärtig an der Macht unterscheiden, umfassend respektiert und geschützt werden, wo alle politischen Ansichten unter der Sonne ausgebreitet werden, damit die Leute wählen, wo jeder Bürger seine Meinungen ohne Angst äußern kann, und wo niemand unter keinerlei Umständen politische Verfolgung erleidet, weil er abweichende politische Ansichten geäußert hat.

Ich hoffe, daß ich das letzte Opfer der endlosen geistigen Inquisition Chinas sein werde und daß von jetzt an niemand mehr wegen seiner Äußerungen beschuldigt wird. Meinungsfreiheit ist die Grundlage der Menschenrechte, die Quelle der Menschlichkeit und die Mutter der Wahrheit. Die Meinungsfreiheit zu strangulieren, tritt die Menschenrechte mit Füßen, erdrosselt die Menschlichkeit und unterdrückt die Wahrheit.
Und wenn man sich die Entwicklungen der letzten Tage, Wochen, Monate und Jahre so ansieht (die griffweise angeführten Beispiele sind beliebig vermehrbar), befindet sich das Regime von Rot-China in würdiger Gesellschaft. »Würdig« im Sinne von: dieses Regimes würdig. Also: unwürdig.

Und das ist ein bestürzender Befund.

4 Kommentare:

  1. Mit Verlaub, aber einen Psychopathen wie Assange mit Liu Xiaobo zu vergleichen, ist schon sehr merkwürdig. Da werden Äpfel und Birnen durcheinander geworfen. Bezüglich der anderen Links geben ich Ihnen allerdings vollkommen recht.

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  2. @JM:

    Pardon, hier liegt ein Irrrtum vor: ich vergleiche nicht einen »Psychopathen wie Assange« mit Liu Xiaobo (mal davon abgesehen, daß ich zwar von der »moralischen Statur« eines Assange keine besonders hohe Meinung habe, ihn aber deshalb noch lange nicht als »Psychopathen« bezeichnen würde!), sondern ich vergleiche die Vorgangsweise von herschenden Regimes gegenüber ihren jeweiligen Dissidenten bzw. Kritikern.

    Und hier sehe ich fatal wenig Unterscheid zwischen einer eingefädelten CIA-Intrige, durch eine vorgeschobene Vergewaltigungsanklage einen lästigen Kritiker muttot zu machen (die nächste Stufe wäre dann vermutlich der leider, leider tödlich ausgegangene »Verkehrsunfall«), und dem sattsam bekannten Vorgehen chinesischer Polizeikräfte gegenüber Regimekritikern.

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  3. Eingefädelte CIA-Intrige. Also gehn´s! Ich gebe zu, dass das schwedische Sexualstrafrecht in weiten Teilen pervers ist, aber deswegen muss noch lange nicht die CIA dahinter stecken, wenn Herr Assange nicht mit den Gepflogenheiten in schwedischen Betten vertraut ist.

    Im übrigen interessieren mich Bettgeschichten (von Herrn A. oder wem auch immer) herzlich wenig. Was ich ihm vorwerfe, ist sein moralistischer Messianismus. Und ich kann Moralisten einfach nicht leiden. Nicht weil ich gegen die Moral bin, sondern weil ich die totalitären Züge, die in jedem Moralismus stecken, ablehne.

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  4. @JM:

    1. Ad "Moralisten":
    Es ist mir egal, welche Farbe eine Katze hat....

    Von mir aus moralinblau, wie's blauer nicht geht. Entscheidend ist: werden durch die Katze (resp. in diesem Fall: den Kater) üble Machenschaften der "hohen" Politik aufgedeckt, von denen man sonst keine Ahnung hätte. "Lügen ist nicht patriotisch", meint Dr. Ron Paul. Und recht hat er!

    2. Was den CIA betrifft:

    Lesen Sie mal hier nach. Insbes. die Schlußpassage:

    "... die schwedische Staatsanwaltschaft ermunterte die Frauen, Assange wegen angeblicher Vergewaltigung und ungeschütztem Geschlechtsverkehr anzuzeigen.

    Bis dahin wäre es eine »normale« Polit-Posse. Nur eines konnten weder die schwedischen Staatsanwälte noch die beiden Frauen: den Cache im Internet löschen. Dazu bedurfte es schon einiger höherer Stellen, etwa der Hilfe von Regierungen oder Geheimdiensten. Wie Sie sehen, ist der tiefe Fall des WikiLeaks-Gründers sehr genau vorbereitet worden. Und man darf nun gespannt darauf sein, ob es einen politisch korrekten Schauprozess geben wird.

    Der Europäische Haftbefehl, mit dem die Schweden Assange jagen ließen, hat übrigens eine Besonderheit: Die behauptete Straftat muss nicht nachgewiesen werden, das Vergehen muss auch nicht in allen Ländern unter Strafe stehen. Er ist das perfekte Instrument, um einen Unschuldigen zu jagen. Etwas Ähnliches macht man ja derzeit auch mit vielen Ausländern in Nigeria, die dort als Geschäftsleute leben: Die lässt man dort zur internationalen Fahndung ausschreiben, verhaftet sie dann im Land und fordert Lösegeld für ihre Freilassung. Ein einträgliches Geschäft. Mit Demokratie und Rechtsstaat hat das allerdings nichts mehr zu tun."


    Welche Geheimdienste fallen Ihnen dafür ein? Der schwedische? Der australische? Der afghanische? Oder nicht doch eher der CIA ...?

    Na, eben ...

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