Samstag, 6. März 2010

Kloakenschreiber

Unter diesem lapidaren Titel erschien heute ein, wie immer, ausgezeichneter Artikel auf »Manfreds politischen Korrektheiten«, der sich mit der Medienberichterstattung über Übergriffe in katholischen Privatschulen beschäftigt.
Man hätte schon stutzig werden sollen, als es mit der Berichterstattung zu den Fällen von Kindesmissbrauch am Berliner Canisius-Kolleg losging. Es handelte sich um Vorfälle aus den achtziger Jahren, bei denen man sich demgemäß fragen musste, wie und warum sie es im Jahr 2010 in die Medien schaffen konnten. Etwa ihrer Aktualität wegen?

Seitdem vergeht praktisch kein Tag ohne neue einschlägige Schlagzeilen. Der Eindruck, der offenkundig erweckt werden soll, lautet, dass katholische Priester Leute seien, die sich ständig an kleinen Jungs vergreifen. Nehmen wir einen Bericht von n24:
Prügel „noch und noch“.
Erschütternde Details im Missbrauchsskandal
Die katholische Kirche steht wegen zahlreicher Missbrauchsfälle im Visier der Öffentlichkeit. Dabei sickern immer neue, entsetzliche Details ans Licht.
Damit wird der Leser auf ganz bestimmte Lesart eingestimmt: Er soll glauben, es gebe – erstens – aktuelle Fälle von – zweitens – sexuellen Übergriffen (das Wort “Missbrauch” wird mit Kinderschänderei assoziiert; die „Prügel“, von denen die Rede ist, werden deutlich kleiner gedruckt, nach dem Motto: „Die gab’s auch noch“), und die Kirche versuche dies – drittens – zu vertuschen („sickern ans Licht“).

Solche Einleitungen setzen einen Kontext und suggerieren ein bestimmtes Vorverständnis. So setzt man dem Medienkonsumenten eine ganz bestimmte Brille auf die Nase und kann sich darauf verlassen, dass neunzig Prozent aller Leser, nämlich die, die immer noch Vertrauen zu den Medien haben, die nun folgenden Informationen genau entlang dieser Vorgabe interpretieren werden.

Der Schreiber kann es sich jetzt sogar leisten, gegenläufige Fakten zu nennen: Der Leser wird es nicht merken! Er wird jeden Widerspruch zwischen dem vorgegebenen Tenor und den anschließend referierten Fakten zugunsten der Vorgabe auflösen. Sogar Informationen, die die vorgegebene Interpretation eindeutig widerlegen, werden so aufgefasst, als hätten sie sie bestätigt.
Es ist in der Tat auffällig, daß ein anderer, dieser Tage berichteter Fall deutlich sanfter in der Medienwelt weitergegeben wird: die elitäre Odenwaldschule, ein UNESCO-Vorzeigeprojekt, immer schön progressiv und zeitgeistig. Und hier fand nun eben tatsächlich das statt, was die Medienschreiberlinge bei den katholischen Internaten zum größten Teil bloß herbeischreiben wollen: sexueller Mißbrauch von Internatszöglingen.

Denn anders, als es die Aufmachung suggeriert, geht es in den »Mißbrauchsfällen« in katholischen Internaten zum allergrößten Teil um — früher leider, und nicht nur im katholischen Bereich, übliche — Mißhandlungen (Prügel, Ohrfeigen etc.), nicht um sexuellen Mißbrauch der Zöglinge. In der Odenwaldschule dagegen wird seitens ehemaliger Schülern berichtet, daß sie, 13- und 14-jährig, von ihren Lehrern morgens durch Streicheln der Genitalien »geweckt« wurden, als »sexuelle Dienstleister« für ganze Wochenenden eingeteilt zu Oralverkehr gezwungen wurden. Von einzelnen Lehrern seien Schüler an Gäste zum sexuellen Mißbrauch überlassen worden (Frankfurter Rundschau v. 6.3.2010).

Dennoch ist — bis auf den vorgenannten Bericht — in den Medien weitestgehend »Schweigen im Odenwalde« angesagt. Man kann sich doch nicht um alle Lokalaffären kümmern, net wahr? Sind doch eh auf der rechten, will heißen: linken Seite, da will man doch kein Netzbeschmutzer sein. Angesichts der Tatsache, daß auch der einschlägig bekannte Herr Cohn-Bendit die Odenwaldschule besucht hat, erscheint vielleicht manche seiner krausen Äußerungen über die Sexualität von Minderjährigen in einem neuen Licht ...

Das alles ist nun deutlich stärkerer Tobak als das meiste, was in den letzten Wochen über katholische Schulen berichtet wurde, wo trotz sicher aufopferungsvoller Recherche-Anstrengungen der Medienschreiber meist doch nur Watschen aufgedeckt wurden — oder im Fall des Klosters Ettal etwa
... geht es um einen suspendierten Ettaler Pater, der Fotos von halbnackten Klosterschülern auf Homosexuellen-Seiten im Internet veröffentlicht haben soll. Der Pater habe die Fotos der Jungen mit freiem Oberkörper bei Bergwanderungen gemacht.
Na erschütternd! Welch kinderpornographische Abgründe sich da auftun! Nackte Oberköper von halbwüchsigen Buben ... huch! Kurze Frage: haben die p.t. Schreiberlinge schon einmal ein Freibad besucht oder Urlaub am Meer gemacht?

Manfreds Artikel schließt — und wohl völlig berechtigt — daraus folgendes:
Wenn offenkundig sämtliche linken und „liberalen“ Journalisten der Republik wochenlang im Umkreis der Kirche jedes Steinchen umdrehen und so gut wie keine aktuellen Fälle von Kindesmissbrauch oder -misshandlung finden; wenn sie deswegen auf Vorfälle zurückgreifen, die zwanzig bis sechzig Jahre zurückliegen, dies aber in einem Tenor, als seien sie aktuell: Was schließen wir daraus?

Wir schließen daraus erstens, dass in den Einrichtungen der katholische Kirche im Großen und Ganzen genau die anständigen Menschen arbeiten, die wir legitimerweise dort vermuten durften; und zweitens, dass in den Redaktionen unseres Landes genau das verlogene und verkommene Pack von Kloakenschreibern sein Unwesen treibt, das wir dort vermutet haben.
Ein Schluß, dem man sich angesichts der in Österreich dieser Tage am Köcheln gehaltenen »Affäre Rosenkranz« nur anschließen kann! So, wie es dort um gezielte Desavouierung der katholischen Kirche ging, ist es hier eine oppositionelle Präsidentschaftskandidatin, die von der linken Medienmeute gezielt fertiggemacht werden soll, um die triumphale Wiederwahl des ebenso farblosen wie »anpassungsfähigen« Amtsinhabers Heinz Fischer nicht zu stören.

Und da man sie persönlich leider nicht anpatzen kann, wird halt gelogen, was das Zeug hält! Da wird ein Interview, in welchem sie bestimmte Paragraphen des NS-Verbotsgesetzes als im Spannungsverhältnis zur Meinungsfreiheit stehend bezeichnet, in den Medien unter der Schlagzeile »Rosenkranz fordert Abschaffung des Verbotsgesetzes« berichtet. Da wird aus der Tatsache, daß man ihr keine neonazistischen Äußerungen nachsagen kann, flugs gefolgert, daß sie diese eben geschickt in »rechtsextremen Codes« zu verbergen wisse. Man muß nicht Sir Karl Popper gelesen haben, um zu verstehen, daß letzerer Vorwurf schon ganz prinzipiell nicht falsifizierbar ist — und damit bloß eines: Ideologie pur!

Es bleibt das wenig erfreuliche Fazit, daß der herrschende Zeitgeist, von Altachtundsechzigern, ihren Berufsantifaschisten und sonstigen patentierten Gutmenschen geprägt, sich derzeit noch als kaum überwindbar erweist. Die Hoffnung freilich, daß der monolithisch meinungslenkende Medienblock durch das Internet erste Risse zeigt, besteht. Kaum eine Zeitung mit Qualitätsanspruch kann es sich heute noch leisten, ohne Online-Ausgabe mit direkter Kommentarfunktion unter dem Artikel zu erscheinen. Wenn auch diese elektronischen »Leserbriefe« oft schnell wieder verschwinden, weil sie nicht ins redaktionelle Konzept passen — sie sind wenigstens für kurze Zeit online gestanden, ihr Verschwinden wird bemerkt und als Zensur viel allgemeiner wahrgenommen, als früher das Nichterscheinen eines per Post gesandten Leserbriefes denkmöglich wahrgenommen werden konnte. Ganz abgesehen davon, daß eine gezielte Verfestigung eines gewünschten »Meinungsbildes« durch die Medien aufgrund der Schnelligkeit der hereinkommenden Leserreaktionen immer unmöglicher wird. Und das Murren in der »Gegenöffentlichkeit« abertausender Blogs und Foren immer unüberhörbarer.

Deshalb auch die Bereitschaft der etablierten Medienschreiber, die lästige Konkurrenz durch staatliche Bespitzelung des Internets möglichst ausschalten zu lassen. Was kümmert sie denn die Internetzensur, wenn sie selbst doch längst Teile unseres Machtsystems sind und daher keine Zensur zu fürchten haben — da sie selbst es sind, die durch ihre Nachrichtenauswahl die wirksamste, nein: die allein wirksame Zensur betreiben!

Dennoch: die Hoffnung stirbt zuletzt. Und so, wie das unsere Machthaberer*) störende Phänomen immer unsicherer werdender Meinungsumfragen die gezielte Steuerung hinter den Kulissen unserer »Demokratie« immer fehleranfälliger macht (wer hätte z.B. eine satte Mehrheit für das Anti-Minarett-Begehren erwartet?), so wird auch in andern Belangen die »Macht der Großen über die Kleinen« durch die »Macht der Flinken über die Trägen« ersetzt werden. Und, welch Glück und zugleich die einzige Hoffnung für unsere Freiheit: die Medienkonzerne sind inzwischen träge geworden — versteinert in politisch korrekten Regelsystemen, in der Ineffizienz ihrer Abläufe, in der Schlampigkeit ihrer Recherche, im billigen Opportunismus gegenüber Sponsoren und »Public relations«.

Höchste Zeit, sie in die Kloake zu spülen, in die sie schon lange gehören ...

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*) »Haberer« = »Freund, Kumpan«. Geniale Wortprägung der ehemaligen SPÖ-Abgeordneten Ottilie Matysek, die durch ihre Bereitschaft zu wahrheitsgemäßer Zeugenaussage seinerzeit die maßgebliche Inszenierung der sogenannten »Waldheim-Affaire« durch die SPÖ entlarvte, was schließlich zum Rücktritt und zur Verurteilung des damaligen SPÖ-Bundeskanzlers und einer Reihe weiterer SPÖ-Spitzenfunktionäre wegen falscher Zeugenaussage führte.

4 Kommentare:

  1. Nun soll's ja auch noch die rennommierte Odenwald-Schule in hunderten Faellen betroffen haben. Wahrscheinlich ist das phaenomen aber noch viel verbreiteer: es pfeifen die Spatzen von den Daechern, dass, wer als Schwesternschuelerin besser als vier benotet werden will, am besten mit dem pruefenden Oberarzt schlafen sollte. Und wo bitte soll das dann nicht Standard sein? Vielleicht bei Hundeschulen ...

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  2. Aber nur vielleicht ... wuff!

    ;-)

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  3. freiheitistunteilbar08 März, 2010 02:25

    Das Fazit war wie gewohnt trefflich. ;-)

    Hoffentlich unterstellt dir kein linkisch Linker Kloakenschreiberling die Planung eines geziehlten Attentats auf die Verlagshäuser und Medienanstalten. :-(

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  4. Wenn der liebe Gott hier mitlesen würde, er würde erschrecken und sagen: das sind nicht meine Worte, die ich gesprochen habe.

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