Die Wiener Musikuniversität war einst eine zu Recht stolze „Akademie“ – wovon noch das danach benannte Theater im Haus in der Lothringerstraße kündet. Mittlerweile ist auch dieser Betrieb auf die gleichmacherische universitäre Stromlinie gebracht – und man benimmt sich selbstverständlich auch bei der Gelegenheit von Geburtstagsfeiern in eigener Sache vor allem einmal politisch korrekt.
Deshalb staunten manche Zaungäste nicht schlecht, dass anlässlich der jüngsten Feierlichkeiten allerlei illustre Namen in Ehren gehalten wurden, jedoch einer der bedeutendsten Komponisten, die einmal Rektoren der Akademie waren, nicht einmal in einem Nebensatz erwähnt wurde.
Von Franz Schmidt war nicht die Rede! In ihm hatte das Institut einst einen universellen Musiker, als Cellist Mitglied der Philharmoniker, als fabelhafter Pianist allgemein bewundert. Der Komponist Schmidt zählte zu den führenden Meistern der nicht „atonalen“ Schule im angehenden 20. Jahrhundert. Das Zwischenspiel aus der Oper „Notre Dame“ wurde dank Wunschkonzert zum regelrechten Schlager, das Oratorium „Das Buch mit sieben Siegeln“ gehört unbestrittenermaßen zu den wichtigsten Chorwerken des 20. Jahrhunderts. Und seine Symphonik – jüngst nahmen die Philharmoniker unter Seymon Bychkov die Zweite für CD auf – zieht auf eindrucksvolle Weise die späte tönende Summe abendländischer Formbeherrschung.
Als Lehrer war Schmidt prägend und galt seinen Studenten als Idol – und er wusste um die Vielschichtigkeit der Musik seiner Zeit, hielt die Jungen an, sich mit allen Ausprägungen von Qualität zu beschäftigen: Er selbst studierte für eine Aufführung an der Akademie den „Pierrot Lunaire“, Hauptwerk seines gleichaltrigen Antipoden Arnold Schönberg, ein!
Dafür erwähnen ihn die Nachgeborenen nun nicht einmal. Und das kommt so: Unsere aktuelle Kulturgeschichtsschreibung beurteilt Künstler jener Epoche nicht nach ihren Leistungen, sondern nach ihrer Stellung zum Nationalsozialismus. Das wiederum ruft bei Franz Schmidt die unangenehme Erinnerung wach, dass sich der Komponist in seinem letzten Lebensjahr breitschlagen ließ, ein Oratorium namens „Deutsche Auferstehung“ zu vertonen. Um sich bei den neuen Machthabern beliebt zu machen, begann er mit der Arbeit. Damit ist Schmidt von allen Ehren für immer ausgeschlossen.
Dabei hinterließ er das Werk als Fragment, schrieb dem Auftraggeber, dem kommissarischen Leiter der Gesellschaft der Musikfreunde, er halte den Plan für eine „Vermessenheit“ und behalte sich vor, „den Bau abzubrechen“. Stattdessen komponierte er für den exilierten Pianisten Paul Wittgenstein, der bei keinem anderen Komponisten so viel und so gern Musik bestellte wie bei Schmidt . . .
Von Antisemitismus konnte bei diesem 1939 verstorbenen Meister wahrhaftig keine Rede sein – das bestätigten posthum auch alle Studenten. Deutschnational gesinnt war hingegen zum Beispiel auch der Schönberg-Schüler Webern. Der hatte mit der Akademie zwar nichts zu tun – doch residiert die Uni heute am Anton-von-Webern-Platz. Vielleicht wird der aber noch umbenannt . . .
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