Donnerstag, 6. Juli 2023

Besserwisser

von it's  me 
 

Im Zusammenhang mit der fürchterlichen Kindesmisshandlung im Waldviertel, wo ein Kind in einem Hundekäfig gefangen gehalten wurde, kommen immer die Forderungen nach couragierten Menschen auf, denn irgend jemand muss doch etwas gemerkt haben ...

Stimmt, das Umfeld merkt etwas, vernutet vielleicht, aber es kann auch sein, dass es eine Erfahrung machte so wie ich: mit dem Ergebnis, aufzugeben und das Kind seinem grausamen Schicksal über-lassen zu haben ...

Vor Jahrzehnten kam in meine Praxis eine engagierte, gütige Frau mit dem Nachbarskind, einem entzückenden Mädchen, weil sie aus dem verwahrlosten Haus (Shithole, wenn man sich den Gesamt-zustand anschaute) dieses Kindes sehr oft Schreie hörte, Schläge usw. Der Vater in einem Low Job und sein bester Freund der Alkohol. Die Mutter überschuldet, denn Teleshopping und kein Einkommen außer Mindestsicherung sind auch nicht gerade kompatibel. Die Kinder (einen kleineren Bruder gab es auch noch) hatten nicht einmal einen Badeanzug/ Badehose.

Das ca 12-jährige Mädchen war körperlich eindeutig verwahrlost, hatte trotz Hitze ein normales T-Shirt mit Rundhals und als ich es an den Schultern berührte, um es zu untersuchen, zuckte es zusammen und versuchte, mir zu entweichen. Natürlich war die Nachbarin anwesend nebst meinen Assistentinnen, von denen sich das geschreckte Kind anstandslos berühren ließ – im Gegensatz zu mir. Dies wiederholte ich mehrmals und immer mit demselben Ergebnis, wobei ich die Punkte  

  • primitiver, gewalttätiger Vater
  • Schläge, Verwahrlosung, 
  • Angst vor einem Mann (auch wenn es ein Arzt ist – dennoch noch immer ein Mann) 

zu einem Cocktail mixte und einen Anfangsverdacht hegte.

Als erstes rief ich die damals Nr 1-Anlaufstelle an – die Möwe – und äußerte meinen Verdacht. Man fragte mich, ob ich Beweise hätte, was ich verneinte, denn hätte ich welche, hätte ich nicht die Möwe angerufen, sondern die Polizei. Man bedauerte, mir ohne Beweise nicht helfen zu können.

Als nächstes war der Schularzt an der Reihe, dem gegenüber ich meinen Verdacht äußerte und ihn bat um eine spontan angesetzte Untersuchung in der Schulde des Mädchens. Er versprach mir, eine für die nächste Woche anzukündigen. Ich bat ihn, dies spontan und ohne Vorwarnung zu machen, weil dann das Kind vielleicht nicht geschlagen oder sonstwie misshandelt werde, um keine Spuren zu hinter-lassen. Der Kollege drückte lange herum, bis ich den Grund erfuhr, diese spontan durchgeführte Untersuchung       nicht durchzuführen: diese Familie war bei ihm in Behandlung und lieferte ihm immer 4 Krankenscheine ab, was er schlussendlich auch eingestand.

Ich nannte ihn nur „Arschloch“, um mich dem nächsten Telefonat zuzuwenden, dem Direktor der Hauptschule mit dem Ergebnis, dass er mir nicht helfen wollte, weil er über seine Schule kein, wie er sagte, „blödes Gerede“ haben wolle.

Darauf hin gab es das zweite „Arschloch“ des Tages – was mir den Verlust eines Patienten bescherte, worüber ich froh war, denn feigen Kreaturen, die einem vielleicht/wahrscheinlich misshandelten Kind (wobei ich nie herausfand, wie weit die Misshandlung ging) nicht helfen, will ich mit meinem Wissen auch nicht helfen.

Der engagierten Nachbarin habe ich meinen Dank gezeigt in der Form, dass sie bei mir einen Spezialpreis für Behandlungen bekam – das Kind hingegen gab ich auf/ musste es aufgeben, weil ich von der Umwelt, die helfen hätte können, keine Unterstützung bekam, sondern wie ein Aussätziger behandelt wurde, der den Frieden vielleicht zu stören trachtete.

So viel zu den Forderungen der Allesbesserwisser, die keine Ahnung haben, welchen Canossagang man durchläuft, ohne etwas ausrichten zu können und welche Prügel man ständig vor die Füße geworfen bekommt nebst dem Gefühl,, das einem vermittelt wird - ein Denunziant zu sein.

Und weil es mich, Jahrzehnte später, noch immer empört – ein drittes Mal: „Arschlöcher“, die ihr, aber speziell diesem unschuldigen Kind, nicht halft bzw. es nicht einmal versucht habt!

 

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