Wer
ein Land und seine Bevölkerung "verstehen" will, der sollte sich mit
dessen Kultur, ethnischen Einflüssen sowie deren Wirtschaft und
Konflikten befassen. Hier ein kleine Zusammenfassung.
Die
Geschichte des Sudan umfasst die Entwicklungen auf dem Gebiet der
Republik Sudan und historischer sudanesischer Reiche von der
Urgeschichte bis zur Gegenwart. Sie ist stark verknüpft mit der
Geschichte Ägyptens, mit dem sich das historische Nubien das Niltal
teilt, eine der Wiegen der menschlichen Zivilisation.
Der
Sudan ist von der Fläche her das drittgrößte Land Afrikas. Der Sudan
ist ethnisch und kulturell äußerst vielgestaltig. Seit über 50 Jahren
ist das Land von Bürgerkrieg und Armut gezeichnet – trotz seines relativ
günstigen Potenzials an fruchtbarem Land und Bodenschätzen.
Das Reich von Kusch
Das
Reich von Kusch lag im Norden des heutigen Sudan. „Kusch“ ist das
ägyptische Wort für Nubien und stellt zugleich die Eigenbezeichnung des
Reiches von Kusch dar.
Nubien ist
vereinfacht betrachtet die Bezeichnung des nördlichen Sudan. Das Gebiet
grenzt im Norden an Ägypten, wodurch die Geschicke beider Länder eng
miteinander verbunden sind. Nubien ist reich an Rohstoffen, vor allem an
Gold, sodass es schon früh von Seiten der Ägypter Bestrebungen gab,
diese Vorkommen auszubeuten. Zur Zeit der Pharaonen war das historische
Nubien teils Bestandteil Ägyptens, teils selbst Herr des ganzen Niltals.
Nubien auf einer alten Landkarte
Im
6. Jahrhundert wurde Nubien christianisiert. Infolge arabischer
Einwanderungen aus Ägypten wurden die christlichen Königreiche Nubiens
nach und nach zerrüttet. Eine entscheidende Wende war die Umwidmung der
Kathedrale von Dongola in eine Moschee im Jahre 1317 n. Chr. Im 16.
Jahr-hundert war Nubien formal vollständig islamisiert.
Im
Jahre 1821 eroberten die Ägypter, mit modernen europäischen Waffen
ausgerüstet, erneut Nubien und Teile des südlich daran angrenzenden
Weißen Nil. Da Ägypten zu dieser Zeit zwar faktisch unabhängig war,
offiziell jedoch noch immer Provinz des Osmanischen Reiches, erfolgte
auch die Eroberung Nubiens in dessen Namen. Daher wird diese Epoche im
heutigen Sudan meist als Turkiya bezeichnet. So wurde der Sudan im 19.
Jahrhundert zunächst von Ägypten erobert, dann für kurze Zeit von der
Mahdi-Bewegung zurückerobert und wurde schließlich mit britischer Hilfe
der so genannte "Anglo-Ägyptische Sudan". 1955 begann der Bürgerkrieg
zwischen dem christlich-schwarzen Süden und dem islamisch-arabischen
Norden des Landes. Im selben Jahr erfolgte eine Volksabstimmung über den
Anschluss an Ägypten, die negativ ausfiel. Daraufhin wurde der Sudan
1956 in die Unabhängigkeit entlassen. Die Grenze zu Ägypten wurde bei
Wadi Halfa festgelegt; Nubien war damit zwischen zwei Staaten geteilt.
Die
nubische Bevölkerung ist sowohl in Ägypten als auch im Sudan weitgehend
arabisiert. Daneben ist Nubisch als Muttersprache jedoch noch immer
lebendig. Es wird in arabischer Schrift geschrieben.
Der Sklavenhandel im Sudan
Historische
Quellen belegen den Handel mit Sklaven im Gebiet des heutigen Sudans
bereits zu pharaonischen Zeiten. Die Sklaven stammten zu
unterschiedlichen Zeiten aus Nubien, aus den Nuba-Bergen und weiter
südlich gelegenen Gebieten. Der heutige Südsudan wurde im Zuge der
Eroberung durch das osmanische Ägypten ab 1821 für Sklavenjäger aus dem
Norden zugänglich.
Die
Bevölkerung des Nordsudan ist zum Teil arabisch, islamisch und
hellhäutiger, während die Bevölkerung des Südens hauptsächlich
christlich oder traditionell religiös ist und aus schwarz-afrikanischen
Völkern wie den Nuba, Dinka, Nuer etc. besteht. Manche relativ
hellhäutige Nord-sudanesen betrachten sich als Araber den dunkelhäutigen
Südsudanesen überlegen.
Historisch
jagten Sklavenhändler aus dem Nordsudan im Südsudan Sklaven. Unter
anderem um dies zu unterbinden, verwaltete die Kolonialmacht
Großbritannien den Norden und den Süden getrennt. Im Süden wurde etwa
Englisch statt Arabisch als Amtssprache verwendet, und die Tätigkeit
christlicher Missionare war zugelassen.
Eine "Besonderheit" der Sklaverei
Angehörige
der eigenen turkmenischen Ethnie wurden von den Osmanen nie versklavt.
Am niedrigsten rangierten beim Menschenhandel die schwarzen Sklavinnen:
Während Weißhäutige als "Luxusartikel" in separaten Räumen den Kunden
vorgeführt wurden, bot man Schwarzhäutige offen auf dem Markt an.
Schwarze
Eunuchen stellten im Sultansharem die Schnittstelle zwischen Innen und
Außen dar; ihre Zahl ging in die Hunderte. Meist wurden sie als Jungen
aus Äthiopien oder dem Sudan verschleppt und im Palast erzogen.
Die
koptische Kastration von Sklaven wurde von Peter Charles Remondino in
seinem 1900 veröffent-lichten Buch History of Circumcision from the
Earliest Times to the Present erörtert.
Eunuchen
Laut
Remondino, Spooner und mehreren späteren Quellen schnitten die
koptischen Priester im Alter von etwa acht Jahren den Penis und die
Hoden von nubischen oder abessinischen Sklavenjungen ab. Die Jungen
wurden aus Abessinien (Kaiserreich Abessinien war eine Monarchie in
Ostafrika auf dem Gebiet der heutigen Staaten Äthiopien und Eritrea. und
anderen Gebieten im Sudan wie Darfur und Kordofan gefangen genommen und
dann in den Sudan und nach Ägypten gebracht. Überlebensrate ca. 10% (Quelle)
Eine
weitere Diskriminierung stellt die weiterhin verbreitete weibliche
Genitalverstümmelung (FGM) dar. Gemäß den Vereinten Nationen sind immer
noch neun von zehn Mädchen davon betroffen (Stand 2020) - Diese wurde
Anfang Juli 2020 unter Strafe gestellt: Wer solch einen Eingriff
vornimmt, kann eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren erhalten.
Auch
in der Zeit des Mahdi-Reichs (1885–1898) wurden weiter Südsudanesen
versklavt. Lediglich der Export von Sklaven war verboten worden. Da in
der Armee der Mahdisten viele Sklaven kämpften, lag der Grund für das
Exportverbot hauptsächlich darin, eine Schwächung der Armee zu
verhindern. Die anglo-ägyptische Kolonialmacht unterband den Export,
tolerierte aber zum Teil die Sklaverei im Inneren entgegen offiziellen
Verboten, weil sie ebenfalls von (ehemaligen) Sklaven in der Armee
profitierte und die nordsudanesischen Eliten nicht verärgern wollte.
Die
Bürgerkriege im Südsudan, die auf die Unabhängigkeit des Sudans 1956
folgten, führten zu einem Wiederaufleben der Sklaverei. Verstärkt im
zweiten Bürgerkrieg (1983–2005) verschleppten Milizen aus dem Nordsudan,
die von der sudanesischen Regierung als Paramilitärs gegen die Rebellen
der SPLA ausgerüstet wurden, südsudanesische Zivilisten und verkauften
sie dort in die Sklaverei. Die Regierung, die 1983 die Scharia
eingeführt hatte, tolerierte oder unterstützte dies. Sie verneint die
Existenz von Sklaverei und spricht offiziell von "Entführungen“ im
Kontext lokaler Stammesfehden, über die sie kaum Kontrolle habe.
Freikauf von Sklaven - "Entführungen aufgrund von Stammeskriegen“
Als
ab Anfang der 1990er Jahre in der westlichen Presse über Sklaverei im
Sudan berichtet wurde, begannen zahlreiche evangelikale Sekten in den
USA und Kanada Geld zu sammeln, um Sklaven freizukaufen. Ab 1995
beteiligte sich Christian Solidarity International (CSI) aus der Schweiz
in großem Stil an der „Sklavenbefreiung“. Andere internationale
Organisationen wie die britische Christian Solidarity International
Worldwide und die US-amerikanische Anti Slavery Group betrieben oder
betreiben ebenfalls Freikaufprogramme für Sklaven.
Andere
Organisationen wie UNICEF und das Dinka-Komitee kritisieren sie als
moralisch fragwürdig und kontraproduktiv, da sie Sklavenhändler für ihre
Verbrechen belohnen und zusätzliche finanzielle Anreize für weitere
Sklavenjagden schaffen könnten. Kindersklaven aus dem Südsudan wurden
teilweise bereits ab 15 US-Dollar verkauft, ein Rückkauf für 50 bis 100
US-Dollar an ausländische Aufkäufer entwickelte, so lautet die Kritik,
eine wirtschaftliche Dynamik und war gewinnbringender als der
eigentliche Sklavenhandel.
Auf
internationalen Druck gründete die sudanesische Regierung 1999 ein
Komitee zur Abschaffung der Entführung von Frauen und Kindern (englisch
Committee for the Eradication of the Abduction of Women and Children,
kurz CEAWC), das nach eigenen Angaben 6000 Dinka-Sklaven in den Südsudan
zurückführte. Im August 2006 musste es wegen Finanzproblemen seine
Arbeit einstellen. Anfang 2008 nahm es sie, nun finanziert von der
südsudanesischen Autonomieregierung, wieder auf.
Das
von James Aguer Alic geführte Dinka-Komitee setzt sich für die
Befreiung von Sklaven – ins-besondere vom Volk der Dinka – ein und konnte
bis 2003 die Befreiung von schätzungsweise 2200 Sklaven erreichen.
Hierbei arbeitet es teilweise mit Nordsudanesen zusammen.
Das
Friedensabkommen zwischen Regierung und Rebellen im Jahr 2005 beendete
den Krieg im Süd-sudan und damit die Sklavenjagden weitgehend.
Literatur
Die
Sklaverei im Sudan ist ein zentrales Thema in mehreren Orient-Romanen
des deutschen Schriftstellers Karl May. Die Menschenjagd und der
Sklavenhandel spielen etwa eine wesentliche Rolle in den drei Bänden der
Mahdi-Trilogie. (Die Mahdi-Trilogie bzw. Im Lande des Mahdi umfasst die
Bände 16–18 der Gesammelten Reiseerzählungen von Karl May. Sie
beschreibt die Abenteuer von Kara Ben Nemsi und seinem Begleiter Ben Nil
in Ägypten und dem Sudan. - https://de.wikipedia.org/wiki/Mahdi-Trilogie)
Betreffs Sklaverei...
AntwortenLöschenIm westafrikanischen Mauretanien wurde die Sklaverei mehrmals "abgeschafft".
Erstmal während der Kolonialzeit und zuletzt 1980, unter Strafe gestellt wurde Sklaverei aber erst 2007.
Die strikte Umsetzung ist aber immer noch eine eigene Sache.
https://www.gfbv.de/de/humanitaere-initiativen/unsere-projekte/gegen-sklaverei-in-mauretanien/
https://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_in_Mauretanien
Wobei es wichtig ist, modernen Menschenhandel oder Zwangsarbeit von Sklaverei zu unterscheiden.
Sklaverei bezeichnet eine erlaubte und geregelte Rechtspraxis.
Während sog. Menschenhandel und Zwangsarbeit einen Straftatbestand darstellen (selbst dort wo Sklaverei üblich war).
Auch in der Türkei gibt es übrigens bis heute eine kleine Minderheit von schwarzen Nachkommen ehemaliger Sklaven.
Relativ wenige, weil ja die Männer überwiegend kastriert wurden.
Faktisch abgeschafft wurde die Sklaverei dann erst mit Gründung der türkischen Republik nach dem 1. Weltkrieg unter Ata Türk.
Die letzten weißen Sklavinnen waren wahrscheinlich verschleppte Armenierinnen und Griechinnen während des Armeniergenozids im damaligen osmanischen Territorium (heute Teil arabischer Länder).
https://www.google.at/search?q=türkei+schwarze+türken