Anders als in früheren Jahren, als Andreas Unterbergers »Tagebuch« noch lesbar war, ist spätestens seit Unterbergers Kurz-Fetischismus und der Bejubelung des desaströsen Covid-Kurses der österreichischen Bundesregierung Kopfschütteln angesagt. Manche — im wahrsten Sinne des Wortes — »ent-täuschte« Leser von A.U. lassen es dankenswerterweise nicht damit bewenden, sondern geben höchst plausible Gründe dafür an, warum sie Unterbergers Tagebuch verlassen haben — wie nachzulesen im folgenden
Gastkommentar
von Rupert Moser
Den
meines Erachtens bemerkenswertesten Moment seines youtube-Videos, in
welchem Manfred Kleine-Hartlage sein Buch: „Warum ich kein Linker mehr
bin“ bespricht, stellt die Beantwortung der Frage dar: Warum bin ich
überhaupt ein solcher gewesen? Sie besteht in einer despektierlichen wie
treffenden Beschreibung der sogenannten, d.h. parteipolitisch
orientierten und organisierten Konser-vativen, Bürgerlichen,
Christdemokraten, vulgo Schwarzen, denen man es laut dem Autor ansieht,
dass sie für ein gutes Geschäft sofort all ihre bürgerlichen,
konservativen, christlichen etc. Ideale auf den Markt hauen würden und
ihre Großmutter noch dazu, denen kurz und gut und sinngemäß ihre
Heuchelei ins vermutlich entsprechend fette wohlstandsbürgerliche
Gesicht geschrieben steht. Das wollte ich jedenfalls nicht sein, so
Kleine-Hartlage.
Ich kann diesen Gedankengang, schon aus ganz
persönlicher Erfahrung, mehr als bloß gut nach-vollziehen. In dieser
Beschaffenheit dieser Konservativen, Bürgerlichen… liegt tatsächlich
eine beträchtliche Gefahr für junge Leute, auf diverse linke Irrwege zu
geraten, die nicht nur attraktiver, sondern vor allem ehrlicher,
authentischer wirken.
Wichtig ist zunächst, sich über sämtliche Implikationen
von Klein-Hartlages vernichtendem Dictum klar zu werden: Zunächst soll
damit ganz generell ein Primat des Ökonomischen über sonstige,
insbesondere soziale, ökologische oder kulturelle Bereiche gemeint sein.
Bürgerliche Kaufmanns-, sprich Krämerseelen sind nicht nur im Zweifel
„für die Wirtschaft“. Infolgedessen befürworten sie in aller Regel Dinge
wie möglichst niedrige Steuersätze, möglichst geringe staatliche
Ausgaben, möglichst geringe staatliche Förderung für Kunst und Kultur,
sofern diese nicht kommerziell oder gar touristisch vermarktbar
erscheint wie die Staatsoper oder das Neujahrskonzert, den Bau des
Donau-kraftwerkes Hainburg auf dem Boden der Stopfenreuther Au, die
Errichtung von Hochleistungsstraßen, weil ‘s die Wirtschaft in Schwung
bringt, die Aufweichung des Denkmalschutzes, um ihr barockes Stammhaus
zur Schaffung „zeitgemäßer“ Geschäftsräumlichkeiten zu entkernen oder
gar abzureißen, oder um ein eher obskures Thema anzuschlagen, auf das
wir noch peripher zu sprechen kommen werden: den Abschuss von Wölfen.
Generell tendieren sie dazu, dem extrem dämlichen Wirtschaftsbund-Slogan
zuzustimmen: Geht ’s der Wirtschaft gut, so geht ‘s uns allen gut.
Dieses primär materiell-ökonomische Denken manifestiert sich nun auf
zwei verschiedenen Ebenen: auf jener der Klasse und auf jener der
individuellen Person. Die Förderung der eigenen Klasseninteressen wäre
per se nicht zu beanstanden, denn diese müssen ja nicht von Haus aus
schlecht sein. Allerdings ist dieser Aspekt relativ schwach ausgeprägt,
sodass er mitunter ins Hintertreffen gerät. Ungleich wichtiger und wohl
ganz zentral für Klein-Hartlage ist jedoch die sozusagen individuelle
Dimension: Wahre Krämerseelen werfen alle Ideale und somit auch
Klassen-interessen über Bord, wenn ‘s denn für sie persönlich von Vorteil
ist. Es wäre natürlich ungerecht, eine derartige Einstellung
ausschließlich mit Bürgerlichkeit in Verbindung zu bringen, indes
erscheint genuin-bürgerliches Streben nach gesellschaftlichem Ansehen,
Profit und Vorwärtskommen für derartige Verwerfungen letztlich doch ein
wenig anfälliger zu sein, als es bei anderen Schichten der Fall ist.
Solidarität ist eher kein bürgerlicher Kampfbegriff und Klassenkampf
keine bürgerliche Domäne. Wir werden tagtäglich Zeuge der politischen
Konsequenzen dieses Umstandes. So sind es vor allem bür-gerliche Wähler,
welche sich aus Ansehen um ihre bürgerliche Reputation keinen Mucks zu
machen getrauen gegen eine völlig außer Rand und Band geratene, alles
und ganz insbesondere die bürgerliche Gesellschaft zerstörende
Zuwanderungspolitik, welche bereitwillig die Gendersprache übernehmen,
weil das von ihren Vorgesetzten so erwartet wird, die sich im Caféhaus
ihrer links-liberalen Gesinnung brüsten und diese nicht einmal in der
Wahlzelle mehr ablegen können. Bürgerliche Selbstgefälligkeit über
alles: Tut mir leid, die FPÖ/AfD kann ich einfach nicht wählen; ich habe
doch mit der FPÖ/AfD nichts zu schaffen…
Damit wären wir nun
endlich bei unserem Thema angelangt. Zunächst scheinen Klein-Hartlages
pejorative Stereotypen auf Andreas Unterberger eigentlich nicht oder nur
wenig zuzutreffen. Unter-berger wirkt auf ehrliche und authentische
Weise stockkonservativ. Seit Beginn seines Wirkens wird er zu den
journalistischen Speerspitzen eines politischen wie kampfbereiten
Konservativismus gezählt, bei dem es sich jedoch, wie zu zeigen sein
wird, um eine relativ subtile Art jenes von Klein-Hartlage skizzierten
Pseudokonservatismus handelt.
Unterberger ist Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts
und des Clubs unabhängiger Liberaler. Von 1973 bis 2004 war er
Redaktionsmitglied der Tageszeitung Die Presse, zunächst ein Jahr im
Lokalressort und ab 1974 als außenpolitischer Redakteur. Zudem war er
vier Jahre verantwortlich für die „Seite 3“ und fünf Jahre Chef vom
Dienst. Von 1984 bis 1995 war er Ressortleiter der Außenpolitik und
leitender Redakteur, von 1995 bis 2004 Chefredakteur. Von 2005 bis 2009
war er Chefredakteur der Wiener Zeitung. Dort schrieb er die Kolumne
Andreas Unterbergers (nicht ganz unpolitisches) Tagebuch. Man kann
sagen, dass dies das Unterbergers Heldenzeitalter war, dem auch sein
Wikipedia-Artikel mit Verweis auf Kritik des Dokumentationsarchivs des
österreichischen Widerstandes letztlich eine gewisse unfreiwillige, aber
umso mehr anerkennenswerte Ehrerbietung erweist. Es ist eben nicht
alles entweder Licht, oder, wie hier wohl eher, Schatten im Leben.
Unterberger wurde denn auch seitens der SPÖ von seinem
Chefredakteurposten abserviert, was sozusagen politisches Kleingeld war.
Die ÖVP hat ihn nicht übertrieben verteidigt.
Unterberger hat
diverse Preise überreicht bekommen, die wir hier nicht auflisten wollen,
ihn aber als in unserer politischen Gesellschaft fest verwurzelten
Menschen erweisen, wenngleich man immerhin einräumen muss, dass das
heute alles undenkbar wäre.
Seit 2009, so die Wikipedia, ist
Unterberger freier Publizist und führt sein nicht ganz unpolitisches
Tagebuch als Internet-Blog fort. Zudem schreibt er in der Finanz- und
Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die wöchentliche Kolumne
Unterbergers Wochenschau. Von Juli 2011 bis Mai 2013 schrieb er mit
Unterbrechungen in den Freitag-Ausgaben der Salzburger Nachrichten unter
dem Titel Kontroverse eine Doppel-Kolumne mit beziehungsweise gegen
Katharina Krawagna-Pfeifer. Der Ausgang dürfte wohl klar sein und
Kurtagic‘ berühmten Essay-Titel bestätigt haben: Warum Konservative
immer verlieren.
Der alte Unterberger der Printmedien ist eine
abgetane Größe, ist Geschichte. Um den Internet-Blog aber, um die
Gegenwart also, geht es hier. Lange Jahre hat Unterberger es verstanden,
mittels Publi-zierung „vernünftiger“ Meinungen zu wichtigen Themen eine
respektable Stammleserschaft um sich zu scharen. „Unterberger“ hatte
ganz gut „funktioniert“, als die Zeichen der Zeit noch nicht auf jenem
Sturm gestanden sind, der die bürgerliche Mitte wie eigentlich die
gesamte Gesellschaft zer-zauste. Seine leidlich vernünftigen Ansätze aus
immerhin einigermaßen prominentem Munde taten gut, fühlte man sich doch
nicht ganz so allein gelassen. Vernunft in Maßen sozusagen, in
bürgergerechten Dosen, getreu dem Motto: jeglicher Extremismus schadet.
Endlich konnte man ausgewogene bzw. leicht kritische Meinungen zu
brisanten Themen lesen, die immer mehr von einem neuartigen linken
Konsens zu vereinnahmt werden drohten, allen voran die Migrationsfrage.
Nun, das war schon etwas in refugee-welcome-Zeiten, als sich das
politische Pendel so weit nach links zu verschieben begann, dass
maßvolle bürgerliche Vernunft, sprich verhalten skeptische Beurteilung
der Masseneinwanderung schon mehr als scheel angeschaut wurde. Schuld
waren bei Unterberger allerdings immer die anderen, nämlich vom
ÖVP-Standpunkt aus besehen. Einen anderen kannte und kennt er bis dato
nicht. Immerhin hat Unterberger diverse interessante Informationen
ausgegraben, ausgebreitet oder in einem neuen Licht dargestellt, die man
woanders nicht erhielt.
In gewisser Hinsicht tut er dies auch noch heute. In
anderer Hinsicht jedoch … tut er das eben nicht, dh tut er sogar das
schiere Gegenteil; und dieser Aspekt ist der weitaus schwerer wiegende.
Auch Unterberger hat sich nämlich als Verräter der bürgerlichen Sache
entpuppt. Daran vermögen seine Artikelchen, in denen alle Parteien außer
der ÖVP angegriffen werden, nichts zu ändern, ganz im Gegenteil. Denn
wie die ÖVP steht auch Herr Unterberger dort, wo es drauf ankommt,
bedingungslos auf Seiten der Linksextremen, sprich des grünen
Koalitionspartners, auch wenn er dies nach Kräften zu kaschieren
versucht. Die Rede ist natürlich von Corona und vom Ukraine-Krieg, also
von Corona-Maßnahmen, Impfagenda, Putin, USA, Waffenlieferungen,
Neutralität etc. Unterberger ist zum Scharfmacher geworden, der in
diesen überaus wichtigen Fragen mit dem linken Mainstream völlig
konformgeht und somit das, was man gemeinhin als konservative,
bürgerliche, liberale und auch christliche Werte bezeichnet hat, ohne
mit einer Wimper zu zucken über Bord zu werfen beliebt.
Ist dieser Unterberger so wichtig, dass man ihm einen mehrteilgen langen Artikel widmen muss?
AntwortenLöschenFrüher habe ich seine Kommentare gelesen
AntwortenLöschenirgendwann habe ich gefunden, dass die Leserkommentare der eigentlich wertvolle Teil waren
inzwischen finde ich : schade um die Zeit
es gibt Besseres - man muss es halt suchen
Wer der Artikel diese Tendenz beibehält, der Anfang ist etwas lang und gewunden, aber grundsätzlich gut, dann ist er schon wichtig. Man muss diese bürgerliche Blödheit und Pflichtvergessenheit sehr wohl aufs Tapet bringen. Unterberger ist ein Musterexemplar.
AntwortenLöschenEs gibt eine Annahme von Fritze Engels (der Schabbesgoj jenes Dienstmädchenschänders aus Trier), nachdem ein Grossteil der deutschen Bourgeoisie letztlich von im Spätmittelalter ausgebüxten Sklaven* abstammen soll. Es sei dahingestellt, würde aber einiges erklären.
AntwortenLöschen*Stadtluft macht frei
Dieser angestrengt elaborierte „Essay“ offenbart ein Elend des Konservatismus - das ihn immer von einer authentisch rechten Haltung unterscheiden wird: die Überdifferenzierung und die Unfähigkeit zur klaren Kante. Also nur die Bäume, nicht aber den Wald zu sehen. Man kann das Mäandere von Herrn Moser auch in einen Satz kondensieren, mit dem dasselbe gesagt ist, nur kürzer, klarer und behältlicher: Herr Unterberger ist, wie leider so viele Konservative, ein Volksverräter.
AntwortenLöschen@Kreuzweis: Na ja, aber die Sklaven können idR nix dafür, dass sie Sklaven sind, und überdies waren die Ausgebüxten eo ipso freiheitsliebend. So gesehen kein typischer Stammbaum für unsere Bourgeoisie... Aber der Fritzi E. hat sich mit der Logik nicht immer leicht getan...
AntwortenLöschen"nur kürzer, klarer und behältlicher: Herr Unterberger ist, wie leider so viele Konservative, ein Volksverräter."
AntwortenLöschenDas wissen wir beide, aber ich denke, in diesem Artikel wird es auf die Beweisführung und Argumentation ankommen, auch auf pointierte Zuspitzung. Das ist halt überhaupt die Stärke dieses Blogs. Ihre kurze Kondensierung wird halt leider niemand anderen überzeugen.