Sonntag, 6. März 2022

Heute vor 75 Jahren

von LePenseur
 
 
... am 6. März 1947, wurde eine der meines Erachtens besten Symphonien des Komponisten — und damit auch eine der besten des 20. Jahrhunderts überhaupt — uraufgeführt: die Symphonie No. 25 in Des-dur, op. 69, von Nikolai Mjaskowski. Eugen Swetlanow interpretiert sie 1990 mit »seinem« Orchester, dem Staatlichen Akademischen Symphonieorchester Rußlands (damals: »der UdSSR«) — das seit 2005 zu seinem Gedenken an seinen jahrzehntelangen (1965-2000) Dirigenten auch dessen Namen hinzusetzte — im Zuge seines großen Zyklus, mit dem er sämtliche Symphonien dieses großen, und heute leider beinahe vergessenen Komponisten auf Schallplatten aufnahm (wie auf dem Video auch zu sehen):


Es ist in der Tat eine bemerkenswerte Symphonie, ein beeindruckendes Alterswerk aus der Troika der »Nachkriegs-Symphonien« (No. 25-27),  in denen der Komponist in voller Reife und Inspiration seine überragende Kunst quasi »mit leichter Hand« verströmt ...

Das Werk beginnt, eher unüblich für eine Symphonie, mit einem Adagio (»Tema con variazioni«), das zwischen Des-dur und cis-moll changiert, und sich nach einem wunderbar kontemplativen Beginn, welcher mich an ein großes Ein- und Ausatmen der Natur schlechthin denken läßt, in kunstvoller thematischer Arbeit zu immer neuen Höhen steigert. Ein mit 15 Minuten ziemlich langer Satz, der aber keine Längen spüren läßt. 

Der weit kürzere zweite Satz (ca. 5 min.) in f-moll, »Intermezzo«, steigert das Tempo etwas zu einem Moderato, und leitet so zum dynamischen Finale, Allegro impetuoso, über; wieder zwischen cis-moll und Des-dur wechselnd, das, von einigen ruhigen Passagen reizvoll unterbrochen, uns in mitreißendem Tempo ergreift und zu einem fulminanten Höhepunkt führt, um gegen Schluß noch das Thema des ersten Satzes wieder aufzunehmen und das Werk in wunderbarer Geschlossenheit zu einem wahrhaft hymnischen Jubel zu steigern, und schließlich nach dem Zitat des zarten Klarinetten-Solos vom Beginn des Werkes, zum monumentalen Ende zu führen.

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P.S.: warten wir ab, wie lange noch  Werke russischer Komponisten im Wertewesten noch aufgeführt werden dürfen. Und wie lange Youtube noch Aufnahmen russischer Dirigenten zuläßt. Die Skala der Borniertheit unserer Gutmenschen ist nach oben offen ...


11 Kommentare:

  1. Wenn das anhören russischer Klassik zu einem Akt des Widerstandes wird...
    Verrückte Zeiten sind das.

    https://www.youtube.com/watch?v=RZkIAVGlfWk
    https://www.youtube.com/watch?v=81IcfKPp97M

    Sandokan

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  2. Die so Russen-typische melancholische Noblesse. Danke für diesen Tip.

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  3. Geschätzter Penseur, eine Anmerkung noch: das mit einer der besten Symphonien des Jahrhunderts ist mE unhaltbar, bei allem Respekt vor Mj und auch Ihrem Urteil. Ich glaube nicht einmal, dass sie es unter die besten 100 schaffen würde. Das ist kein Verdikt, denn es wurde in diesem Jahrhundert sehr viel gute Musik komponiert.

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  4. Deutschländer06 März, 2022 19:15

    Àpropos die bornierten Gutmenschen: Jetzt müssen wir sie wieder sehen, die "guten alten" Bahnhofsklatscher, die jetzt im Begeisterungsdelirium ukrainische Neonazis als sog. "Geflüchtete" bei uns willkommen heißen.

    Ja, die Borniertheit ist nach oben unbegrenzt offen.

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  5. Cher M. Lechner,

    welche "mehr als hundert" (als logischer Schluß aus ihren Worten) Symphonien des 20. Jhds. meinen Sie da? Mir fielen durchaus einige ein, die man besser nennen könnte (deshalb schrieb ich ja "eine der besten") — aber mehr als hundert? M.E. bei weitem nicht!

    Besser als die 25. Symphonie von Mjaskowski: da lasse ich mir mit Sicherheit von Mahler die 6., 8. und 9. und das Lied von der Erde einreden (obwohl das für mich eher eine Kantate als eine Symphonie ist, aber egal ...), die anderen in diesem Jhd. ... na ja, vielleicht (knurr!)...

    Von Skriabin das Poème de l'E. und den Prometheus; von den Prokowjeff-Symphonien die Classique (mit etwas Bauchweh, den so überdrüber originell ist sie auch wieder nicht — da hat Strauss in Ariadne, ja sogar Rosenkavalier lebhaft Vorarbeit geleistet!). Rachmaninoffs 2. und 3. - wohl gleichwertig, aber "besser"?

    Die 4. Schmidt würde ich vor Mjaskowskis 25. einreihen, die 5. und 7. Sibelius detto, wie auch die 1. Elgar (aber die 2.? ... nur mit Bauchweh!). Von Vaughan Williams vielleicht die Pastoral Symphony, evtl. die Sea Symphony (obwohl die für mich eher "Filmmusik" ist). Wer impressionistisch schwelgt, wird die Herbstsymhponie von Marx nicht missen wollen (aber besser als die 25.? Ich bin musikalisch sicher Marxist ;-), aber das trauert ich mich bei allem Lokalpatriotismus net ...)

    Wer einen Nachhall von Bruckner mag, wird die drei Wetz-Symphonien reinnehmen (ectl. zum Teil). Max Trapp's 2. und 8. sind sicher bedeutend, den rest kenne ich einfach nicht.

    Jetzt kann man streiten, ob Enescu denselben Level hat wie Mjaskowski. Vielleicht (obwohl ich ihn eher nicht so mag), aber wohl kaum höher als dieser. Wer die Holst'schen Planeten als Symphonie ansieht: gekauft!

    Felix v. Weingartner's 4. und 7. - ja gleiche Liga, aber auch nicht "besser". Zemlinskys Lyrische, okay!

    Gehen wir zu den "Modernisten" aller Sorten: Hans Gál: ja, sicher mindestens die 4. (ein total unbekanntes Meisterwerk!). Schostakowitsch sicherlich mit einer Handvoll (nicht alle 15, das ist sicher nicht gerechtfertigt, bei einigen habe ich mich zutode gelangweilt, und das ist bei mir ein sicheres Zeichen, daß die Qualität doch nicht so berauschend ist).Einen hohen Langeweile-Faktor hat auch Hindemith — ja, Mathis der Maler, von mir aus.

    VoM dodekaphonischen "Gegacker" ist mir keine einzige Symphonie bekannt (nein, auch die von Anton v. Webern nicht!), die was anderes kann, als épater le bourgeois, und das ist mir zu wenig ... okay: Schönbergs Kammersymphonien (insbes. die 1.) nehme ich vom Verdikt aus (aber die sind ja beide cum grano salis "tonal").

    Koechler? Martinu? Naja "besser"? Walton: die 1. sicher gleichwertig, die 2. nicht. Coplands 3. lasse ich mir einreden, ebenso die g-moll von Moeran. Die 12 von Milhaud: ja ganz nett, besser als Mjaskowski aber sicher nicht.

    Dann endet irgendwie meine Phantasie — wer jetzt auf "Lokalforschung" geht, wird bei Niederländern, Skandinaviern etc. noch Symphonien entdecken, die auch ich zumeist kenne — aber sind sie vorzureihen? Auch in Deutschland und Österreich könnte man noch unbekannte Perlen finden (zB die Homerische Symphonie von Theodor Berger, oder die völlig "aus der Zeit gefallene" Wiener Symphonie von Graener, die ich dennoch hochklasig nennen möchte!)

    Also unter den besten hundert des 20. Jhds. sind die besseren der 27 von Mjaskowski (auch bei ihm sind einige schwächere Werke dabei) m.E. schon einzureihen.

    Aber: jede Wertung ist subjektiv — Gott sei Dank! Ihnen danke ich, daß ich durch ihre Antwort weiß, daß wenigstens ein Leser meine musikalischen Artikel liest (bisher fiel das irgendwie meist ins "Bodenlose") ...

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  6. Auch ich lese die musikalischen Artikel07 März, 2022 00:17

    Wenn der Penseur die kakophonische tonale Musik des 20. Jahrhunderts schätzt und auf der Suche ist, kann ihm geholfen werden. ABBA und das Duo „Modern Talking“ mit dem konservativen Komponisten Dieter Bohlen sind herausragende Vertreter der tonalen, wunderbar wohlklingenden modernen Musik. Auch der Münchner Komponist Ralph Siegel wäre hier noch zu nennen.

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  7. Cher (chère?) "Auch ich lese die musikalischen Artikel",

    lesen allein reicht nicht. Man muß das Gelesene auch verstehen. Und daran hapert's bei Ihnen offensichtich.

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  8. Cher Penseur, Ihr Eingehen auf meine dahingeworfene Zahl ehrt mich, aber ich schätze dennoch, dass Sie stimmt.
    Zunächst ist, wie Sie richtig bemerken, eine genaue Abgrenzung schwierig. Was alles ist Symphonie? Webern op. 21, Mahlers VIII, Schostakowitschs XIV, Janàceks Sinfonietta?
    Zum XX. Jh zählt natürlich auch die Epoche um Mahler bis Sibelius, damit auch Schmidt, Rachmaninow, Glasunow ... da kommt schon ein Schiebel zusammen... Und was ist mit Elgar, 3 Symphonien, davon die Erste überwältigend? Szymanowski, den ganzen Franzosen, Italienern...
    Dann, ganz anderes Kaliber, wären die 4 Symphonien des von mir überaus geschätzten Charles Ives zu nennen, dh die Nummern 2-4 + die Holiday-Symphonie. Dann kommt noch das Sowjet-Imperium mit Schostakowitsch, Prokofieff (den ich persönlich nicht schätze), Chatschaturian (2 starke Symphonien und ein eher sozialistisches Poem als dritte), Ljatoschinski (!), Exilrussen wie Tscherepnin (4. Symphonie, ein Wahnsinn!)...
    Dann noch Komponisten der "Satellitenstaaten", CSSR: Miloslav Kabelac, sehr bemerkenswert, 8 Symphonien, sein wohl berühmtestes Werk, obwohl sehr symphonisch, nicht gezählt (Mysterium der Zeit, unbedingte Empfehlung!), es gibt auch gute DDR-Komponisten.
    Dann wären wir schon in der richtigen, harten Moderne angelangt, wo sich die Wege scheiden dürften... Ich sag nur Lutoslawski, Symphonien 2 - 4, Rautavaara oder wie sich der schreibt, wobei sich das schon mit dem XXI. Jh kreuzt, seine III. ist extrem brucknerisch, dies auf höchst beeindruckende Art, Pendereckis 3. gefällt mir eigentlich auch, dann der Bulgare Wasilij Kazandschieff, und irgendwann muss jeder aussteigen, weil er einfach nicht alles kennen KANN. Wir zwei beide müssen uns damit abfinden: es gibt irrsinnig viel, das wir nicht kennen, und das mit Sicherheit besser ist als Mjaskowski. Ich kenn auch nicht alle von Ihnen erwähnten Namen - q.e.d. Wie gesagt, all das heißt nicht, dass Mjaskowski schlecht ist, wirklich nicht.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Symphony_No._3_(Rautavaara)

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  9. Noch eine Anmerkung zu einem bemerkenswerten Satz:
    "bei einigen habe ich mich zutode gelangweilt, und das ist bei mir ein sicheres Zeichen, daß die Qualität doch nicht so berauschend ist)."
    Was meine eigene Erfahrung betrifft, so gibt es ein prominentes Beispiel, das ganz anders lag: die 2. Symphonie von Rachmaninoff. Ich hätte beim ersten Hören schwören können, dass das nichts ist, so unsagbar fad und nichtssagend. Tja, das war ein gewaltiger Irrtum. Daher trau ich mir diesen Satz nicht mehr zu sagen, obwohl ich ihn früher blind unterschrieben hätte.
    Auf Schostakowitschs Sinfonik trifft er mE nicht zu. Es stimmt, nicht alles ist ganz hochwertig. Aber Langweiliges ist mE nicht darunter.

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  10. Cher M. Lechner,
    Werter Herr Kollege*)!

    Schön jemanden gefunden zu haben, mit dem man sich gepflegt über Musik austauschen kann ...

    Kurz zu ihren Bemerkungen:

    auf Janàceks Sinfonietta hatte ich vergessen - mea culpa!
    Ives - sorry, not my cup of tea ... aber ich gebe zu: hat Bedeutung.
    Elgars No. 1 hatte ich erwähnt
    Szymanowski - ja, gefällt mir nur teilweise, aber ist bedeutend!
    Khachaturian, naja, aber mE nicht besser als Mjaskowski
    "die Franzosen" - ja, wenn Sie zB die 4. Magnard meinen, auch Roussel, aber sonst: eher nein.
    "Italiener" — was, seit wann können die Symphonien? ;-)
    auf wen wir beide vergessen haben: Bantock (hat so ein bisserl Fantasy-Touch, aber ist schon bemerkenswert!)
    Bei den Nordlichtern vergaß ich Melartin und Madetoja. Von Rautavaara kenne ich nur die 1. (geht!), 6. und 7. (not my cup of tea ...), die 8. muß ich mir anhören.
    Warnen würde ich Sie vor Segerstam, den ich als Dirigenten schätze, aber seine 479 Syphonien (oder wo er gerade hält!) sind für mich schlicht und einfach "Lärm für 65 Musiker".

    Bei den Polen (Luto' und Pender') winke ich ab - sie wurden im Alter besser, gebe ich zu. Ebenso Ligeti.

    Aber mein Problem ist generell, daß ich eigentlich nur mit einer "thematischen" Musik was anfangen kann. Klangflächenmusik, Minimal Music & Co. — wem's gefällt, der soll damit glücklich werden. Ich werd's nicht.

    Ich bin auch — wie eine Posterin in anderem Zusammenhang bemängelte — offenbar zu "altvat'risch" ;-) - als daß ich einem Stockhausen, Haubenstock-Ramati, Logothetis oder auch einer Olga Neuwirth viel abgewinnen könnte. Da höre ich mir viel lieber zum 179. Mal Brahms' Vierte an (oder seine Nänie — zum Hinknieen großartig!).

    ---

    *) Sie erwähnten ja, daß Sie Jurist sind ;-)

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  11. Werter Herr Collega, zur Neuwirth möchte ich mich nicht äußern, außer dahingehend, dass es eben Scharlatane gibt, die die Neue Musik in Verruf bringen. In anderen Sparten sind sie viel öfter vertreten, aber es gibt sie auch in der Musik. Wer lieber Brahms hört, ist nicht altvatrisch, sondern versteht einfach was.
    Ein paar Anmerkungen: Etliche von Ihnen genannte Namen kenne ich nicht, nie gehört! Etwa Logothetis - auf diese Anregung hin kurz reingehört, die Art von Modernismus, die ich überhaupt nicht mag. Wahrscheinlich ob dieses Notationsschwachsinnes - ein typischer Versuch, sich s leicht zu machen - auch eine Art Scharlatan.
    Segerstam kenn ich nur als dirigierender Rübezahl. Hör grad hinein in seine 253. Symphonie. Scheint eine seiner besseren zu sein, aber diese hohe Werkzahl kann niemand ernst nehmen. Da müsste er schon ein Genie sondergleichen sein....
    Jetzt ist zu spät, vielleicht fällt mir morgen was ein. Heute nur noch dies:
    Ich bin ein großer Bewunderer von Lutoslawski und würde Ihnen gerne raten, ihn nicht so ohneweiters unter "Klangflächenmusik" zu subsumieren, dazu ist er zu substanzvoll. Natürlich ist er klanglich orientiert, aber in erster Linie harmonisch-kontrapunktisch. Letztlich ist er Scheinkontrapunktiker wie Bach, bei dem das Hirn des Zuhörers auch immer zwischen Einzelstimme und harmonischer Fortschreitung des Gesamtklanges hin- und her "switcht", um es hässliche zu sagen. Mit dem wenig gespielten frühen Konzert für Orchester werden Sie nicht nur keine Mühe, sondern wahrscheinlich viel Freude haben. Die späten Symphonien 3+4 sind ungleich "progressiver", aber äußerst substanzvoll, während die 2. ziemlich unter "Klangkomposition" fällt, aber eigentlich auch nicht so richtig.

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