Samstag, 2. November 2019

Wahlkrampf

von Fragolin

Also langsam wird es langweilig. Immer der gleiche Singsang vor den Wahlen. Und täglich grüßt das Liederbuch. Nun also in der Steiermark.
Abgesehen davon, dass die bisher veröffentlichten Textabschnitte durch eine primitive Fäkalsprache negativ auffallen, die selbst bei Sauf- und Spottliedern reichlich zuviel des Guten ist (da weiß ich wieder, warum ich lieber auf der heimischen Terrasse einen süffigen Rotwein genieße als in irgendwelchen Vereinen am Stammtisch im Schnapskoma mit einer stockbesoffenen Runde Hirntoter dreckige Lieder zu grölen), möchte ich mir nicht vorstellen, was jemandem passiert wäre, der solche Zeilen über „Hakenkreuze an den Eiern“ oder „Nazipimmel im Rassenwahn“ gegrölt hätte. Wenn man nur eine Sekunde nachdenkt, erkennt man, dass das (wenn auch primitive und obszöne) Spottverse sind, für die man in der Hitlerei wohl eher im Lager geendet hätte als mit einem Orden vom Föhrrer.
Wer sowas singt, der verherrlicht die Nazis nicht, sondern macht sie zum Affen. Kein Hitler-Fan würde sich selbst oder seine Geistesbrüder als „Nazi“ bezeichnen.
Aber davon mal abgesehen, dass diese ganze Empörung vor der Wahl mal wieder lächerlich zum Quadrat ist, kommen mir da schon ein paar Gedanken.

Erstens: Wenn die Knittelfelder Burschenschaft, die dieses Buch geschenkt bekommen hat, dieses Buch gar nicht mehr besitzt, sondern es privat im Keller von irgend einem FPÖ-ler herumliegt, woher kommt dann das Exemplar, das an die „Krone“ geschickt wurde? Wie kann es sein, dass jemand ein Exemplar besitzt, die gesamte Geschichte kennt und nicht nur weiß, was drin steht, sondern auch, wer es hat?

Zweitens: Wenn der FPÖ-ler das Ding im Keller hat, warum schreddert er es nicht einfach und erklärt, er besitze sowas nicht? Warum geht er groß an die Medien und verteidigt diesen Schund auch noch? Ich meine, auch wenn dieser NS-Ideologie-Quatsch mehr als an den Haaren herbeigezogen ist, ist das Ding sprachlich einfach widerlich und unterste Schublade. Das ist der Duktus vollbesoffener Hooligans und nicht akademischer Verbindungen. (Obwohl, wenn ich daran denke, was ich schon für sexistische Hardcore-Sprüche von sozialistischen Gewerkschaftsbonzen zu hören bekommen habe… wenn die unter sich zu sein glauben, lassen die auch ganz schön tief die Sau raus.) Ein Mensch mit Niveau fasst so eine Kladde nicht mit der Beißzange an. Also warum präsentiert der das auch noch?

Drittens: Was ist eigentlich mit dem Hintergrund der Burschenschaft, die das Ding zusammengestellt und verschenkt hat? Die sind nun wirklich für den Inhalt und das Niveau verantwortlich, aber irgendwie ist es da sehr still. Gibt es bei denen keine Leute, die in irgend welchen Parteien gelandet sind? Ist dieser eine Blaue der einzige aus beiden Burschenschaften, der in der Politik gelandet ist?

Also ich sehe da zwei Möglichkeiten:
Erste Möglichkeit: eine Schmutzkampagne der ÖVP, die ja auch auf Bundesebene und in Niederösterreich nach solchen „Skandalen“ immer zufällig massiv Stimmen der Blauen abgreifen konnte. Würde auch erklären, warum das Buch aus einer Burschenschaft kommend an Benkos „Krone“ geliefert wurde. Linke hätten sich an ihre üblichen Sprachrohre gewandt und das Buch an den „Falter“ oder den „Standard“ geliefert, aber niemals an die in diesen Kreisen tief verhasste „Krone“.

Zweite Möglichkeit: ein interner Rachefeldzug eines Funktionärs, der der eigenen Partei wegen deren Umgang mit Strache eine reinwürgen will. Dafür spricht, dass der das Buch nicht einfach geschreddert hat sondern auch noch stolz damit rumwackelt. Auch FP-ler würden sich eher der „Krone“ bedienen als dem „Falter“. Warum dann der Rest der Partei dem noch die Mauer macht und ihn nicht erstmal kaltstellt, ermittelt und sollte sich der Verdacht erhärten, wegen parteischädigenden Verhaltens rausschmeißt, verstehe ich nicht. Eine Frau Strache wurde wegen weit geringerer Gründe (und eigentlich aus Rache) aus der Partei gefeuert. Also da hätte Hofer anders handeln können, denn immerhin schadet es ihm selbst gewaltig.

Dass das Ganze vom linken Rand kommt halte ich für ausgeschlossen. Die Duftspur führt entweder in interne FP-Kämpfe oder zur VP. Ich tendiere eher zu Zweiterem, halte aber auch Ersteres für möglich. Das wird den linken Rand aber nicht davon abhalten, auch noch auf tiefstem Niveau hinterherzutreten; zu groß ist die Freude über die Gelegenheit, seinem Hass freien Lauf lassen zu können, als dass da auch nur einer auf seine Hetze verzichten würde. Außerdem lenkt jeder aufgeblasene „Skandal“ der anderen davon ab, dass man selbst keinen Inhalt und kein Programm hat.

Am Ende geht es nicht um irgendwelche Lieder sondern nur einen Wahlkampf und eine Politik, die in ihrem Niveau und ihrer Appetitlichkeit bereits auf dem Niveau der schweinischen Sauflieder in diesem Buch angekommen ist. Und um eine Medienlandschaft, die sich genüsslich in diesem Dreck suhlt. Das wirklich Widerliche ist nicht dieses Buch (und das ist widerlich genug) sondern der Umgang der Politik und der Medien damit. Dieses Sittenbild des ganzen Landes stinkt meilenweit in den Himmel. Man möchte glauben, die Politik legt es ganz bewusst darauf an, dass man gar keine Partei mehr wählen will und kann. Ich überlege, meine Stimme weiß abzugeben…

2 Kommentare:

  1. "Das ist der Duktus vollbesoffener Hooligans und nicht akademischer Verbindungen."

    Sind "akademische" Verbindungen und vollbesoffene Hooligans etwa zweierlei?? Das wäre mal was ganz Neues.

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  2. Cher "Ecki",

    Das ist der Duktus vollbesoffener Hooligans und nicht akademischer Verbindungen.

    Durchaus. Und das kann ich als ironischer Veräppeler der »mützchen- & bändchentragenden Alkoholiker« (wie ich sie schon zu Uni-Zeiten zu bezeichen pflegte) trotz (oder vielleicht: wegen) meiner Nicht-Zugehörigkeit zu diesen Grüppchen eindeutig bestätigen.

    Hooligans reisen zu Fußballmatches, verwüsten Züge und Autobusse, führen sich auf den Tribünen wie eine Horde gehirnamputierter Paviane auf etc. etc. all das tun sie unter teil erheblichem Alkohol- und/oder Drogeneinfluß.

    Akademische Verbindungen ziehen sich hingegen in ihre Verbindungsbuden zurück, saufen dort, bis sie dort kotzend am Boden liegen, und ziehen sich vorher höchstens mit der scharfen Klinge konsensual Schmisse in die Visage.

    Auch letzteres halte ich für ziemlich gehirnamputiert, aber bei weitem für weniger gemeingefährlich als ersteres, denn sie tun's
    a) aus freien Stücken und
    b) unter sich.

    Ihre Verhaltensweisen reichen für mich völlig aus, sie deshalb als Vollidioten anzusehen — aber, na bitte: es gibt, habe ich mir sagen lassen, ja auch Leute, die Bungee-Jumping ohne Überdehnschutz oder Komasaufen in der jeweils angesagtesten In-Disco betreiben, oder beim Sex aufs Ausdrücken von Zigaretten auf dem Gemächte total abfahren — was ich für nicht weniger abseitig ansehe ...

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