Sonntag, 18. August 2019

»Der australische Erzbischof Peter Comensoli

... würde nach eigenen Worten lieber ins Gefängnis gehen, als bei Missbrauchsbekenntnissen das Beichtgeheimnis zu brechen. Das sagte der Erzbischof von Melbourne australischen Medien (Donnerstag), wie laut Kathpress die deutsche katholische Nachrichten-Agentur (KNA) berichtete.«

 ... schreibt DiePresse (von APA ab, wie so oft) und setzt — fürwahr geschickt-infames »Framing«, Gratulation! Silberstein hätt' es nicht besser können ... — dieses Bild darüber:


Nun ist es ja nicht so, daß LePenseur mit den Lehren der Römisch-Katholischen Kirche so besonders konform ginge, und das derzeitige »Leitungspersonal« ist nun wirklich nicht nach seinem Geschmack — dennoch: Peter Comensoli, der Erzbischof von Melbourne, hat einfach recht!

Wenn Jill Hennessy, die sozialistische Justizministerin von Victoria (dessen Hauptstadt Melbourn ist) schnippisch vor Journalisten erklärt, religiöse Ansichten seien »zweitrangig«, wenn es um den Schutz von Kindern gehe, dann beweist das höchstens, daß die gute Dame im Grunde keine Ahnung von wahrer Rechtsstaatlichkeit hat; von katholischer Religion vermutlich noch weniger (aber das ist bei einer Justizministerin wirklich zweitrangig. Aber von Grundnormen rechtsstaatlicher Sicherungen der Berufsgeheimnisse sollte sie halt doch eine Ahnung haben ...).

Das Beichtgeheimnis ist Vorbild aller anderen Berufsgeheimnisse — und jeder Eingriff in diese ist (auch wenn er rein »rechtspositivistisch« noch so schön in Gesetzesform ergeht und von Gerichten so judiziert wird) einfach eine Ungeheuerlichkeit!

Nach derselben »Logik« müßte der Verteidiger, dem der Beschuldigte eines Kindesmißbrauch diesen eröffnet hätte, seinen Mandanten anzeigen und als Zeuge gegen seinen Mandanten auftreten. Sorry — sonst geht's Ihnen aber noch gut, Frau Justizminister?!

Es gibt eben Bereiche, in die keine Strafbehörde eindringen darf, will sie nicht zu einem totalitären Tugendterror entarten. Zu stalinistischen, maoistischen und nazistischen Zeiten (und auch manch anderen ...) war es üblich, die Kinder gegen ihre Eltern als Belastungszeugen vor Gericht aufzufahren. In Diktaturen gibt es Anzeigezwänge, sind die Rechtsbeistände in Wahrheit die Spitzel der verfolgenden Behörden — in der DDR hat man dafür den hübschen Terminus des Anwaltes als »Organ der sozialistischen Rechtspflege« gebastelt. Es überrascht bei einer sozialistischen Politikerin nicht, daß sie sich dieser Entartungen eines Rechtsstaates durch totalitäre Regime gern für ihre (angeblich) nur »guten« Zwecke bedienen möchte; erschütternd ist jedoch zu lesen:
Die konservative Oppositionskoalition aus Liberaler und Nationaler Partei erklärte jedoch ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Unterstützung des Gesetzes.
Offenbar sind auch die bürgerlichen Parteien von den heuchlerischen Kampagnen der Gutmenschen schon so weichgeklopft, daß sie keine Opposition zu derlei Entgleisungen mehr wagen.

Als zu Beginn der Naziherrschaft mit Brutalität von den neuen Herren »Ordnung« gemacht wurde, sagte der damalige preußische Ministerpräsident Göring flapsig, daß doch besser zehn Unschuldige verurteilt werden sollten, als daß ein Schuldiger unbestraft bliebe. Der Berliner Volksmund flüsterte daraufhin, es sei jetzt also gefährlich, unschuldig zu sein. Welch wahres Wort!

Was immer man von der Institution der Beichte hält — und LePenseur verhehlt nicht, daß er dem ihr zugrundeliegenden dogmatischen Konzept nur seeeehr bedingt etwas abgewinnen kann! —, so kann man doch nicht bestreiten, daß es fundamentale Vertrauensverhältnisse gibt, in die sich keine staatliche Ordnung einmengen darf, will sie nicht zum Tugendterror werden!

Was immer Kinder ihren Eltern, ein Mandant seinem Anwalt (oder auch anderen, ähnlichen Berufen, wie z.B. Steuerberater, Arzt, Psychologen etc.) anvertraut, oder eben ein Pönitent seinem Beichtvater (der Name allein sagt doch schon alles!), das muß strikt geheim bleiben.

Frühere Moralisten waren da höchst explizit: selbst wenn ein Pönitent dem Beichtvater dessen von dritter Seite geplante Ermordung offenbarte, sei dieser — wenn bspw. durch die Flucht des Priesters ein Verdacht auf den Beichtenden fallen könnte — gezwungen, sich eher umbringen zu lassen, als sich in Sicherheit zu bringen.

Nun werden derartige Fälle in praxi selten vorkommen, ein gewisser Geschmack von »Schulcasus« bleibt auf der Zunge, wenn man davon liest (nun ja, in Sizilien, wo die Mafia auch genügend Pfarrer auf dem Gewissen hat, war/ist das vielleicht anders ...). Aber wichtig ist: bis zum Martyrium ist das Beichtgeheimnis zu wahren (hier wird man bei einem Anwalt, Arzt oder Steuerberater wohl etwas toleranter sein dürfen ...). Und es ist wichtig, daß der Erzbischof von Melbourn daran erinnert hat!

Man wird ihn dafür medial hinrichten, davon kann man ausgehen! Und, wie ich die akute Besetzung der Cathedra Petri einschätze, denke ich, daß Comensolis Tage als Erzbischof von Melbourne (mit welchem Sitz nach einigen Jahren meist die Kardinalswürde verbunden war) bald gezählt sein werden. Es ehrt den Erzbischof umso mehr, daß er sich darum nicht gekümmert hat, sondern Klartext sprach: ob gelegen oder ungelegen.

Und sicher wird es auch einige Leser geben, die sich jetzt empören, und LePenseur Komplizentum mit der »Kinderficker-Sekte« vorwerfen werden. Soll sein. Aber genau so, wie ich es als anmaßende Frechheit des Staats-Leviathans empfinde, daß rechtsberatenden Berufe seit einigen Jahren gesetzlich verpflichtet sind, von ihren Mandanten einen bloßen Verdacht (sic!) auf »Geldwäsche« den Behörden zu melden, genau so empfinde ich es auch als bornierte Anmaßung, wenn die Justiz den Beichtstuhl zum großen Lauschangriff mißbraucht.

Ja: Kindesmißbrauch ist ein verachtenswertes, entschlossen zu bekämpfendes Verbrechen. Aber es ist nicht das schrecklichste aller Verbrechen (Mord, Todschlag, vorsätzliche schwere Körperverletzung mit Todesfolge werden doch bei vernünftiger Gewichtung schwerer wiegen), doch auch die Bekämpfung des schrecklichsten Verbrechens rechtfertigte nicht jedes Mittel!

Sonst gibt es bald einen Justizminister, der dafür den Einsatz von »Wahrheitsdrogen« und/oder Folter vorschlagen wird. Mit der ebenso alten wie falschen Beschwichtigung, daß wo gehobelt werde, eben auch Späne fallen, und daß das ganze zu nur zum Besten der armen Kinder geschehe. Eine »Justiz«, die bereit ist, diesen schlüpfrigen Pfad zu beschreiten, darf sich nicht wundern, wenn sie dabei den Halt verliert. Was ja nicht so schlimm wäre, wär' es nur ein Problem der Justiz — sollen sich die p.t. Richter ihren Dreck aus den Talarfalten putzen! — aber es ist eines der Rechtsstaatlichkeit insgesamt, die, leichtfertig aufgegeben, kaum mehr wieder herstellbar ist ...


4 Kommentare:

  1. Ich stimme zu.
    Aber:
    Eine Person beichtet, dass sie am nächsten Tag ein bestimmtes Kind töten wird.
    Ein inhaftierter Entführer nennt seinem Rechtsanwalt den Verwahrort des entführten Kindes.
    Wie ist das nun mit dem höherwertigen Rechtsgut ?

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  2. Cher O Prantl,

    zwei Fragen mit unterschiedlicher Sachlage stellne Sie mir:

    1. "Eine Person beichtet, dass sie am nächsten Tag ein bestimmtes Kind töten wird."

    Das ist genau genommen keine Beichte, denn "beichten" könnte er nur die Absicht, ein Kind zu töten. Für künftige Sünden kann jedoch kein Priester im voraus eine Lossprechung erteilen: ich kann mich nicht vom morgigen Bankraub absolvieren lassen (so gern das manch religiös angehauchter Mafioso auch hätte in Anbetracht eines unverhofften Todes bei Bankraub!). Was aber die Beichte völlig gegenstandslos macht, oder doch wenigstens höchst zweifelhaft — und damit gibt es, Gott sei's geklagt, zwei theoretische Möglichkeiten:

    a) mangels gültiger Beichte gibt es auch keine Beichtgeheimnis. Das wäre vielleicht die "jesuitische" Antwort, die zwar recht gefinkelt ist, aber mich ethisch nicht befriedigt.

    b) bei nur zweifelhafter Gültigkeit ist nach dem Grundsatz, daß in sacramentis stets der sententia tutior zu folgen sei, die Wirkung des Beichtsiegels nicht beeinträchtigt. Der Beichtvater kann also entweder durch Stillschweigen bei "Entdeckung" eine Gefängnisstrafe in Kauf nehmen, oder durch Offenbarung der Beichte sich die Tatstrafe der Exkommunikation zuzuziehen.

    Insgesamt sind das aber höchst theoretische Fälle, denn in praxi wird von Leuten, die Kinder entführen und töten wollen, wohl kaum jemals vorgängig gebeichtet.

    Und was die nachträgliche Beichte betrifft: auch hier wird, wenn überhaupt, dann meist erst in articulo mortis so etwas gebeichtet — und Hand aufs Herz: was für einen Unterschied, außer für die Polizeistatistik ungeklärter Fälle, macht für den Rechtsstaat eine gesetzlich zu erzwingen getrachtete Offenbarung? Wollen die dann im Schnellverfahren einen Sterbenden vor Gericht stellen?

    Der dubiose Nutzen steht hier jedenfalls einem klar erkennbaren Schaden (nämlich: dem allgemeinen Verlust des Vertrauens auf Haltung des Beichtgeheimnisses) gegenüber.

    Nebstbei: die Beichte ist zwar Voraussetzung für die Lossprechung (um das etwas untechnisch zu verallgemeinern — ja, ich bin Kanonist genug, um die Ausnahmen zu kennen!), aber das Wesentliche ist doch die Lossprechung! Und die kann(!) ein Beichtvater bei erst zu begehenden Sünden nicht erteilen, und wird er bei Sünden, die zugleich schwere Verbrechen (z.B. Mord) darstellen, stets (außer in articulo mortis, s.o.) an die (vorherige) Stellung des Beichtenden bei den Behörden knüpfen. Wurde mir jedenfalls von Beichtvätern als die im Seminar gelehrte (und dann in der Seelsorgspraxis, Gott sei Dank, selten genug auch zu übende!) Vorgangsweise genannt.

    Der ganze Streit ist also eine Spiegelfechterei, die für mich allzu deutlich den Geschmack von Antiklerikalismus oder sogar flagranter Kirchen- und Religionsfreindlichkeit hat!

    2. Ein inhaftierter Entführer nennt seinem Rechtsanwalt den Verwahrort des entführten Kindes.

    Ein Anwalt ist kein Beichtvater. Sein Berufsgeheimnis ist damit u.U. durch positive Gesetze definiert und kann damit variieren. Die Variationsbreite ist je nach Staat und Regime unterschiedlich, und das macht die Sache freilch nicht genießbarer ... Dahinter steht die ethische Frage: welcher Bruch eines Berufsgeheimnisses ist vertretbar?

    Hier stehe ich persönlich auf einem ziemlich strikten Standpunkt, den ich aber in meiner (wiewohl jahrzehntelangen) Praxis noch nicht allzu tief ausloten mußte. In meinem Beruf sind es eher die Geldwäsche-Paragraphen, die gelegentlich vorkommen können. In einem einzigen Fall, der für mich wirklich einfach zu "komplex" war, um ihn für mich — für mein Gewissen! — beurteilen zu können, habe ich das Mandat zurückgelegt, und dem Mandanten auch den Grund für die Rücklegung genannt. Hat ihn, zugegeben, nicht erfreut, aber ist m.E. der einzig faire Weg.

    Entführte Kinder, deren Ermordung durch meinen Mandanten droht, hatte ich noch nie — let's cross the brigde when we come to it ...

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  3. Herzlichen Dank für den Artikel und Ihre ausgezeichnete Antwort auf den Diskusssionbeitrag. An Ihnen ist ein ausgezeichneter Kirchenrechtler verloen gegangen.
    Herzliche Grüße aus der Provinz!

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  4. Als Nichtjurist steht es mir wohl nicht an, mich da einzumischen (vor Allem, da der Blogbetreiber selbst vom Fache ist), aber ich erinnere mich an eine Jahre zurückliegende Podiumsdiskussion, die ich besuchte, wo es um das Thema Schweigepflichten ging.
    Ich kann mich erinnern, dass es zum Thema ärztliche und anwaltliche Schweigepflicht da den Hinweis gab, dass Berufsgeheimnisse nicht absolut gelten, wenn ein sogenannter "Rechtfertigungsgrund" bzw. "berechtigte Interessen" vorliegen; dazu zählen z.B. der Schutz von Gesundheit und Leben, besonders von schutzbedürftigen Personen wie Wehrlosen und Minderjährigen.
    Das etwas seltsame Beispiel mit dem Entführer, der den Verwahrort eines entführten Kindes offenbart, ist für mich ein ganz klarer Fall, wo der Schutz des Lebens eines wehrlosen Kindes vor dem Recht des Entführers auf Wahrung seiner Rechte steht.
    Das absolute und unteilbare Grundrecht des Menschen auf Leben steht über Allem anderen.
    Das Verwerfliche, das mit dieser Regelung einhergeht, ist das Streben nach Ausweitung der Grundrechte um immer mehr Ausnahmeregeln zu haben, bis die Grundregel selbst aufgeweicht und sinnlos geworden ist. Dem muss entschieden ein Riegel vorgeschoben werden!
    (Aktuelles Beispiel: Das Grundrecht auf Leben wird ausgelegt als Grundrecht auf eine Wunschdestination - was es nicht ist und was man m.M.n. nicht durchgehen lassen darf!)
    MfG Fragolin

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