Freitag, 26. Juli 2019

Internet of shit

von Fragolin

Ich bin kein Feind von Technik im Kinderzimmer, ganz im Gegenteil. Unser Babyphone hat dem Großen, als er noch der Kleine war, das Leben gerettet. Einen Babymonitor zur Videoüberwachung habe ich aber abgelehnt. Wenn ich mein Kind sehen will, muss ich mich zu ihm hinbegeben.

Bei Siri und Alexa bin ich sowieso ablehnend eingestellt, finde es nur immer wieder erheiternd, wenn ich die dümmliche Ausrede höre „Alexa hört eh nur zu, wenn man vorher ihren Namen sagt.“ Meine Rückfrage, wie sie dann hören soll, dass man ihren Namen sagt, wenn sie vorher gar nicht zuhört, konnte noch niemand beantworten. Die Erklärung, dass Sprachsteuerungen das personalisierte Sprachmuster nicht im Gerät sondern in großen Serverbanken berechnen, auf die erstmal alle im Raum gesprochenen Worte gespielt werden müssen, verstehen viele gar nicht. Oder es gipfelt in dem Ausruf: „Quatsch, des dürfen die ja gar net!“ Was natürlich ganz klar ist. Niemand würde jemals etwas tun, von dem Liese Müller glaubt, dass der das gar nicht darf. Logisch.

Dann dieser Blödsinn mit dem „internet of things“, wo alle möglichen Haushaltsgeräte vernetzt werden und das Netz mit allen Daten füttern, wann ich mir wieviele Frühstückseier koche, ob hart oder weich, wie stark ich meinen Kaffee trinke und wie viele Kalorien ich zu mir nehme (mit Meldung an die Krankenkasse, um mich als Risikopatienten einzustufen und bei bestimmten Erkrankungen einen Fahrlässigkeitsselbstbehalt einzuführen?), mit einem Kühlschrank, der Entnahmen registriert und Bestellungen automatisch generiert (dann steht jeden Tag das Gleiche im Kühlschrank, immer und immer wieder, jeden Tag ist spätestens beim Öffnen der Kühlschranktür Murmeltiertag) – wer braucht sowas? Überwachung durch ein Datenverarbeitungsgerät, das mir nach Messung von Herzfrequenz, Blutdruck und Stuhlgang vorschreibt, was ich heute essen darf. Autos die der Versicherung melden, dass ich immer wieder das nervige Plingen der Geschwindigkeitswarnung ignoriere und auf der Autobahn den Tempomat auf tempobolzende 132 einstelle. TV-Geräte, die entscheiden, welche Inhalte ich sehen soll und welche nicht und wann es Zeit für mich ist, schlafen zu gehen. Und alle zeichnen alles von mir auf und speichern es irgendwo in den Kuckucksheimen der virtuellen Wolken, wo dann die verwaltenden Konzerne vollen Zugriff auf alle Daten haben, denn irgend einer ihrer Server steht schon in einem Land, wo Datenschutz nicht einmal in der Theorie existiert.

Und dann kommt das: Internet of shit.

Nach dem noch halbwegs sinnvollen Babyphone und dem bereits grenzwertigen Babymonitor jetzt also die „smarte Windel“. Wir erinnern uns an den lang vergangenen Englischunterricht, wo das Wort „smart“ noch als Synonym für „klug“, „raffiniert“ und „intelligent“ erklärt wurde. Heute wird es jeden Dreck mit Datenanschluss verwendet. Ein Hemd mit Schweißmengensensor gilt bereits als „smart“, obwohl das Ding nur erkennen kann, ob der Träger schwitzt. Ein Blutdruckmessgerät, früher einfach ein Blutdruckmessgerät, ist heute „smart“ wenn es die Daten gleich an die Versicherung kabelt. Nannte man früher einfach „Petze“ – heute „smart“.

Die „smarte Windel“ jedenfalls hat einen Sensor, der den Feuchtigkeitsgrad des Innenraumes überwacht und in Verbindung mit Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit und einer Statistik des üblichen Windelwechselzyklus und der Fütterungshäufigkeit eine Meldung auf dem Handy ausspuckt, wann die Windel gewechselt werden soll. Also unsere Kinder haben uns den richtigen Zeitpunkt mit einigermaßen Nachdruck auch ohne App vermittelt. Optisch, akustisch und olfaktorisch. Man konnte sogar an einigen Zeichen sofort erkennen, ob es sich um eine reine Flüssigkeits- oder eine mit Feststoffen kombinierte Füllung handelte, die den im Kind selbst eingebauten Windelsensor zum Anschlagen brachte. Allerdings haben wir uns als Eltern den Luxus geleistet, lieber unsere Kinder zu beobachten und ihr Verhalten zu studieren, auf ihre Zeichen zu achten und von ihnen zu lernen, als blöd den ganzen Tag auf einen Mini-Bildschirm zu glotzen. Die Smombie-Eltern der Zukunft bekommen das wahrscheinlich nur noch mit, wenn es ihnen von einer App auf dem Handy gesagt wird.

Und was natürlich das Ganze so interessant für die Windelhersteller macht: die Daten landen wieder in ihrem virtuellen Kuckucksheim, wo sie ausgewertet und komplette Kundenprofile erstellt werden – und das bereits von Geburt an. Wie all die anderen Daten auch. Google-Suchen, Amazon-Bestellungen, Geldbewegungen, Kartenzahlungen, Bewegungsmuster, Ernährungsmuster, Daten aus Gesundheitsüberwachungssensoren, sogar alle Gespräche in den eigenen vier Wänden über Sprachsteuerungen, Siri und Alexa. Wir ziehen eine Datenspur hinter uns her, eine Art Chemtrail aus Informationen, die Interessierte nur noch abgreifen und auswerten brauchen. Konzerne, die uns mit personalisierter Werbung zumüllen wollen, Behörden, die sich für Verhaltensmuster interessieren, Versicherungen, die uns in Risikoklassen einstufen wollen…
Eine Studie hat gezeigt, dass Menschen, die als Baby bereits häufiger als fünf Mal am Tag die Windel gewechselt bekamen, ein um sieben Prozent höheres Risiko haben, später Magenprobleme zu bekommen. Jeder, über den wir die Daten als Vielwindelwechsler haben, wird daher im Falle, dass im Erwachsenenalter sein Kühlschrank angewiesen wurde, tierische Produkte mit einem Fettgehalt von mehr als 0,3% zu bestellen, nicht mehr versichert.“

Zumindest machen die Kinder das einzig Richtige mit solchem „smarten“ Überwachungsmüll: sie scheißen drauf. Und das ist angeblich auch das Einzige, was der Windelsensor nicht erkennen und melden kann: wenn das Kind die Windel mit einer Granate gefüllt hat. Also ausgerechnet die wichtigste aller Informationen wird einem vorenthalten. Und die armen Smombie-Eltern müssen ihre Ohrstöpsel auf volle Lautstärke drehen um den blöden Balg nicht mehr brüllen zu hören, der Krawall macht, obwohl laut Windel-App alles in bester Ordnung und die Windel erst in einer Stunde wieder zu wechseln ist…

2 Kommentare:

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  2. Werter Anonym,
    ich habe es dir schonmal gesagt:
    1. Suche ich mir meine Themen selbst aus; wenn es dir nicht passt, dann troll dich.
    2. Lasse ich mir von dir nicht permanent Nähe und Zustimmung zu Straftaten unterstellen.
    Du bist raus.
    MfG Fragolin

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