Eine politische Bombe wurde — taktisch geschickt im richtigen Augenblick, wie es scheint (ob das wirklich so ist, wird sich vielleicht noch weisen!), jedenfalls aber von langer Hand vorbereitet — gezündet, und hat die ÖVP-FPÖ-Koalition in Österreich gesprengt. So weit, so unerfreulich. Denn erstmals seit Jahrzehnten des Stillstands kam es in Österreich zu Änderungen weg vom altgewohnten Proporzsystem, weg von den »Erbpachten« von Schwarz und Rot.
Daß Kurz den blitzartigen Rücktritt von Strache nicht dazu nützte, mit einer FPÖ unter neuer Leitung und teilweiser Umbesetzung der Regierungsriege, weiterzumachen, sondern mit einem dramatischen »Genug ist genug« Neuwahlen auszurufen, läßt es wahrscheinlich erscheinen, daß die hier schon öfters geäußerte Vermutung, Kurz sei nur die freundlich lächelnde Fassade der alten GroKo-ÖVP, die nichts lieber täte, als am besten heute schon mit den Roten wieder unter die Tuchent zu schlüpfen, zutrifft. Wäre es Kurz um Reformen gegangen — was wäre leichter gewesen, als sie z.B. mit einem Vizekanzler Hofer oder Kickl weiter durchzuziehen?
So ist wohl eindeutig, daß Kurz in Wahrheit nicht an Reformen des verkrusteten politischen Systems gelegen war, sondern an einer »geschmeidigen« Gelegenheit, einen unliebsamen Koalitionspartner loszuwerden und möglichst maximal zu beschädigen, um mit den alten Seilschaften (nur eben, dank schwacher Performance der SPÖ, in der ersten Position) weiterzumachen. Also genau das, von dem laut letzten Umfragen vor der Nationalratswahl 2017 eine überwältigende Mehrheit der Österreicher die Nase voll hatten. Nun — Kurz hatte seine Auftraggeber und Strippenzieher wohl zufrieden zu stellen ...
Ob die Taktik von Kurz aufgeht, werden die kommenden Wahlen zeigen: die EU-Wahl ebenso, wie die (allerdings durch die Sommerpause erst im späten September zu erwartende Nationalratswahl. Wolfgang Eggert analysiert in MMNews durchaus treffend:
In jedem Schlechten findet sich stets auch etwas Gutes. Der
Ibiza-Skandal ist so ein Fall. Er ist, soweit das Schlechte, eine
wohlvorbereitete Katastrophe für die patriotische Freiheitsbewegung. Er
könnte aber auch heilsam wirken, denn wir haben es hier mit einer
ausgemachten "Verschwörung" zu tun, ein Wort, das innerhalb dieses
Polit-segments fast niemand gern in den Mund nimmt. Selbst jene tun es
nicht die, Beispiel Martin Sellner, selbst Opfer einer komplotthaften
Handlung geworden sind. Auch die FPÖ hält sich daran. Es fragt sich, wie
lange noch.
In seiner »Tante Jolesch« läßt Torberg ebendiese sagen: »Gott soll uns behüten vor allem, was noch ein Glück ist!« ... aber in einem hat der Analyst zweifellos recht:
Dass die pro-Eu-ropäische österreichische Tageszeitung "Die Presse" im
Fall Strache aufs Neue einen Geheimdienst - und zwar den amerikanischen -
als Strippenzieher ins Feld führt ist durchsichtig. Sie deckt damit
innenpolitisch den naturgegebenen Verdacht gegen die SPÖ ab und legt
zusätzlich Feuer unter die transatlantischen Verbindungen der FPÖ, die
mit ihrer Brüsselkritischen Haltung Verbündeter Trumps und des Pentagon
ist.
Womit die "Presse" indes richtig liegt ist ihre, die CIA
verdächtigende, "Erklärung": Nämlich daß es in Ibiza mit FP-Klubobmann
Johann Gudenus den Exponenten der blauen pro-Russlandfraktion gleich
miterwischte. Warum Putin ihn nicht warnen liess steht auf einem noch
ungelesenen Blatt.
Der Kreml sollte Vorkenntnis von dem Treffen auf der Baleareninsel
gehabt haben, noch bevor es stattfand. Wie die Amerikaner, Briten und
Israelis haben auch die Russen ihre Verbindungsleute in den
kontinentaleuropäischen Medien und Parteien; gerade in Österreich, das
im Agentengewerbe seit vielen Jahrzehnten ihre Operationsdrehscheibe
bildet.
Die hochwahrscheinliche Silberstein-Konserve wird, von der EU
aufgegriffen, nun niedrig gespielt werden, als Witz, der keiner ist und
in dieser Perfektion, wie die "Presse" richtig bemerkt, auch kaum
ausserhalb eines Geheimdienstes "gefahren" werden konnte.
Auch die Überlegungen von Alexandra Bader auf ihrem Blog »Ceiberweiber« haben erhebliches Gewicht, obwohl sie — man ist versucht zu sagen: natürlich! — von den Systemmedien ebenso totgeschwiegen wurden und werden, wie sie in dem im parteipolitischen SPÖVP-Proporz besetzten Justiz-, Polizei- und Geheimdienstsystem Österreichs einfach untergehen werden:
Nicht von ungefähr erinnern manche an eine Falle, die vor Jahren Ex-Innenminister Ernst Strasser gestellt wurde, der kein besonderer Fan der CIA war. Man räumte damit den Spitzenkandiaten
der ÖVP bei der EU-Wahl zugunsten des braveren Othmar Karas aus dem
Weg; heute ist Karas Spitzenkandidat, die zweitplatzierte Karoline
Edtstadler macht jedioch einen Vorzugsstimmenwahlkampf. Zwei britische
Repoerter gaben sich u.a. gegenüber Strasser
als Lobbyisten aus: „Nach dem Bekanntwerden erklärte Strasser, er habe
die Änderungswünsche weitergeleitet und seinen Kollegen nichts über den
Hintergrund verraten, weil er vermutete, ein Geheimdienst stehe hinter
den ihm ‚dubios‘ erscheinenden Lobbyisten, und er habe herausfinden
wollen, welcher das sei.“ In Österreich wurde er 2013 zu drei Jahren
unbedingter Haft verurteilt, obwohl die Gesetzeslage 2011 das gar nicht
hergab. Das weitverzweigte Lobbying-Netzwerk von Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer (einem Geschäftspartner von Tal Silberstein) bleibt auch medial bis heute unangetastet. Wer am lautesten schreit,
dass Politiker lächerlich und eine Schande für Österreich seien, die
auf eine „russische Oligarchin“ hereinfallen, ist damit selbst nur Bauer im Spiel der Geheimdienste. Doch es gibt auch Paralellen zu Versuchen, die Trump-Kampagne 2016 auszuspionieren, was mit dem MI 6, der CIA, dem FBI und russischen Kontakten der Clinton-Kampagne zu tun hat.
Damit erklärt sich auch, warum Kurz den Koalitionsbruch offenbar v.a. deshalb wollte, weil er Kickl als Innenminister so schnell wie möglich loswerden wollte. Ein nicht in die eingespielten Seilschaften eingebundener Innenminister kann nämlich überaus »lästig« werden, wenn es etwa darum geht, die Benko-Verflechtungen oder die Soros-Hintergründe von Kurz unter dem Tresen zu halten.
Endgültig zum Kotzen allerdings ist die Scheinheiligkeit, mit der sich ein Van der Bellen an die Medien ranschmeißt:
Van der Bellen lobt Journalisten
"Die Vierte Macht hat ihre Verantwortung voll wahrgenommen", lobt Van der Bellen die Pressearbeit zum Ibiza-Video.
... tickert der Kurier. Ach? Indem sich Medien zu Handlangern von Geheimdiensten machen, nehmen sie ihre Verantwortung voll wahr? Ganz echt jetzt, Herr Bundespräsident? Kotzstärke 10 auf der Liebermann-Skala ...
Andererseits ist natürlich klar zu sagen: wie sich Strache und Gudenus in diesem Video exponierten (obwohl Strache anders als seinerzeit Strasser in dessen Videofalle auf die notwendige Einhaltung der Gesetze hinwies), war natürlich exemplarisch dämlich. Daß so jemand besser nicht Vizekanzler bzw. Klubobmann einer Parlamentsfraktion ist, braucht nicht großartig nachgewiesen zu werden.
Interessant wird es werden, wenn die Bevölkerung bei der inzenierten Entrüstung nicht mitmacht: die Leser der Kronenzeitung, die als mit Abstand verbreitetste Boulevardzeitung Österreichs durchaus als »repräsentativ« für eine Stimmungslage angesehen werden kann, kommentieren den Schachzug von Kurz zum größten Teil keineswegs freundlich:
Ob bei der FPÖ Hofer mehr als eine Übergangsfigur sein wird, muß sich erst weisen. Mir wäre, ganz offen gesagt, Kickl lieber gewesen: dem nimmt man nämlich das ehrliche Bemühen, Österreich vor illegaler Migration zu schützen, ab. Und das ist zweifellos das Thema, von dem die Zukunft unseres Landes abhängen wird: ob wir Österreich bleiben, oder ob wir zu einem Ösistan muselmanisch-nordafrikanischer Prägung verkommen.
Die Falle, die dem (zugegebener Maßen sich ziemlich deppert verhaltenden) Herrn Strache gestellt worden ist, erfordert einiges an Aufwand, Koordinierung und Organisation.
AntwortenLöschenWer im politischen Kampf zu solchen Maßnahmen greift, befindet sich in einer Situation, die der einer Armeeführung gleicht, die den Einsatz von Atombomben befiehlt. Das System ist nervös geworden. Die Kollateralschäden werden beträchtlich sein.
Werter Le Penseur,
AntwortenLöschenwas ich nicht verstehe: Mit wem will Kurz denn nach der nächsten Wahl regieren? Er hat sowohl die Koalition mit der SPÖ als auch die mit der FPÖ aufgekündigt. Eine absolute Mehrheit wird er nicht kriegen und es ist äußerst fraglich, ob Grüne (so sie wieder in den NR kommen) oder Neos gewillt sein werden, sich von Kurz erdrücken zu lassen.
Stets der Ihre,
Tomj
@Tomj
AntwortenLöschensie werden, sicher sogar.
Das war’s dann wohl, die Alpen- und Donaureichsgaue haben fertig. Kindpolitiker halt, die können’s nicht. Nahles hat schon Konsequenzen gefordert, sonst ...
AntwortenLöschenWerter Anonym,
AntwortenLöschendie kleine dralle Andrea sollte lieber auf das kraspelnde Geräusch und die feinen Späne unter ihrem Sessel achten:
https://www.welt.de/politik/deutschland/article193739575/Bundestagsfraktion-SPD-Abgeordnete-planen-Aufstand-gegen-Andrea-Nahles.html
Die fällt wohl bald auf ihre "Fresse".
MfG Fragolin
Mich befremdet, wie hier auf einmal lauter Menschen, die bis Ibiza kein unfreundliches Wort über Strache gefunden haben, jetzt immer schon gewußt haben wollen, was für ein Trottel der angeblich war. Das hat einen Hautgout.
AntwortenLöschenBeing honest: Dumm war nur, daß er zu gutgläubig gegen die Russin war. Was er gesagt hat, war nichts weiter als - die Wahrheit.
Mir tut Strache unglaublich leid.
Cher Montfort,
AntwortenLöschenIhr Mitgefühl ehrt Sie, allerdings können Sie in älteren Artikeln nachlesen, daß Kollege Fragolin bspw. stets über Strache nur seeehr schaumgebremst begeistert war! Meine Position ihm gegenüber war vielleicht etwas freundlicher, aber trotzdem — sagen wir mal: leicht reserviert. Ich anerkannte seinen Durchhaltewillen etc. — aber für einen großartigen Staatsmann hielt ich ihn nicht.
Daß er einem wegen dieses absolut schäbigen Komplotts leidtun kann — ja, dem stimme ich durchaus zu. Aber "leidtun" ist leider keine politische Kategorie ...