Dienstag, 16. April 2019

Alexis de Tocqueville

von Bastiat


Heute jährt sich zum 160. Mal der Todestag von Alexis de Tocqueville. Eine faszinierende und vor allem vielschichtige Persönlichkeit, die sich einer Schubladisierung entzieht. Adeliger von der Abstammung, und Jurist von der Ausbildung, diente er im Frankreich der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Beamter im Justizwesen und als Politiker. Auf Wikipedia findet sich sein ausführlicher Lebenslauf.


Wenn man de Tocqueville in einer Art und Weise einordnen will, dann fällt einem wohl der Begriff „Skeptiker“ ein. Begeisterung für Ideologien war nicht seine Sache. Er beschrieb – und kritisierte – offen die Nachteile und Schwächen der Monarchie wie die der dagegen gerichteten Revolutionen. Diese Nüchternheit und Distanz macht ihn zu einem sehr wertvollen Zeitzeugen hinsichtlich der damals gerade erst im Entstehen begriffenen und somit für Europa noch exotischen Staatform der Demokratie.

Diese studierte er ausgiebig während einer Reise durch die USA. Seine Erkenntnisse mündeten in dem zweibändigen Werk „Über die Demokratie in Amerika“. Man kann es durchaus als „epochal“ bezeichnen, denn es war die erste wissenschaftliche Abhandlung über die Demokratie und ist bis heute als Referenz zu sehen.

Tocqueville war davon überzeugt, dass die Demokratie gerade dabei war, einen Siegeszug durch die Welt anzutreten, also bald auch in Europa weite Verbreitung finden würde. Aber – und hier zeigt sich wieder deutlich der Skeptiker – er stand der Demokratie keineswegs unkritisch gegenüber. Anstatt eine Lobudelei zu verfassen, war vor allem daran interessiert, die Schwächen der Demokratie aufzudecken. Und hier sticht vor allem die von ihm beschriebene Gefahr, dass die Demokratie sich als Tyrannei erweisen kann, hervor.

Von naiven Gemütern wird ja heutzutage die Demokratie als Synonym zur Freiheit und als Gegensatz zur Tyrannei gesehen. De Tocqueville erkannt jedoch, dass dies keineswegs der Fall sein muss, sondern dass vielmehr die Demokratie eine besondere Art von Diktatur hervorbringen kann: die Tyrannei der Mehrheit. Diese zeichnet sich durch eine besonders aggressive Art von Gleichmacherei aus, die – wie man heute sagen würde – Abweichungen vom Mainstream wütend bekämpft. Man sieht es als Tugend an, Mitmenschen zu attackieren, die sich über das Mittelmaß erheben. Etwas, das dem heutigen Beobachter der politischen Realität bekannt vorkommt.

De Tocqueville hat durchaus mögliche Gegenstrategien aufgezeigt, die die Kompatibilität von Demokratie und Freiheit sicherstellen sollen. Ein ganz wichtiger Bestandteil dabei ist die Dezentralisierung. In kleinen, überschaubaren politischen Bereichen kann und will sich der Bürger aktiv einbringen und Verantwortung übernehmen. Zentralismus und große politische Einheiten dagegen bringen leicht lenkbare und despotisch regierbare Massengesellschaften. Also im wesentlichen genau das, was die EU-Gläubigen gerade versuchen umzusetzen.

Schließen möchte ich mit einem Zitat, das recht gut zeigt, dass de Tocqueville der Demokratie bei aller Skepsis doch einigermaßen positiv gegenübersteht, dem Sozialismus aber sicher nicht:

Demokratie und Sozialismus haben nichts Gemeinsames mit Ausnahme eines einzigen Wortes: Gleichheit. Der Unterschied ist beträchtlich: Während Demokratie Gleichheit in Freiheit sucht, sucht Sozialismus Gleichheit in Einschränkung und Unterwürfigkeit.


5 Kommentare:

  1. Gut gebrüllt, Löwe!
    Wäre nur schön, wenn auch das (nach dem Niedergang des Sowjet-Kommunismus) zentralistischste System der Welt, die katholische Kirche, einmal auf die idee käme, die Unfähigkeit und Lähmuing zu studieren, die der Zentralismus noch überall ausgelöst hat. Statt dessen immer dieselbe Schallplatte: Roma locuta...

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  2. Der Parlamentarier, Richter, kurzzeitige Außenminister, Richter, Reisende, Zeitzeuge der Revolution und brillante Autor de Tocqueville hat auch ein unvergleichliches Memoirenwerk ("Souvenirs / Erinnerungen") hinterlassen:
    "Kein Historiker hat etwas Ähnliches aufzuweisen wie Tocqueville mit diesem wundervollen Buch" (Carl Schmitt).

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  3. Cher Ecki,

    RKK = (wenigstens heutzutage) freiwillige Zugehörigkeit; wem's nicht paßt, der tritt aus (wie z.B. ich). Wie eine aus freiwillig dabeibleibenden Mitgliedern aufgebaute Organisation sich organisiert, ist ihre Sache und nur die ihre.

    Die Zugehörigkeit zur UdSSR oder zur EU als Unionsbürger hingegen war (bzw. ist) nicht so freiwillig, habe ich mir sagen lassen, und umfaßt auch wesentlich mehr Lebensbereiche ...

    Got the difference?

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  4. Cher Penseur,

    mit Radio Eriwan zu Ihrem Argument geantwortet: Im Prinzip ja, aber - so freiwillig, wie Sie es offenbar ansehen, ist das mit der Mitgliedschaft in der "RKK" auch wieder nicht. Zwar droht sie mir nicht (mehr!) physische Gewalt, wenn ich Sie verlasse (was ich, wie offenbar auch Sie, getan habe, eine der besten Entscheidungen meines Lebens). Aber ein System, das als eines seiner Dogmen (="Glaubensinhalte", die zu glauben "heilsnotwendig" ist) den Lehrsatz "Extra ecclesiam nulla salus" vor sich her trägt, übt schon jede Menge massiven Druckes aus, der sich auf sensiblere und schlichtere Gemüter als evt. Sie und ich es sind, nicht nur zerstörerisch auswirkt, sondern auch dafür sorgt, dass diese ängstlich "im Schoße von Mutter Kirche" verbleiben. Obwohl sie diese selbsternannte "Mutter" mitnichten als solche erfahren, sondern vielmehr als gewalttätigen Stiefvater.

    Zudem habe ich mit etlichen Zeitgenossen schon gesprochen, die aus der "RKK" wegen deren links angepassten Kurs streten wollen, aber dann doch bleiben - weil sie schlichtweg Angst haben, dass sie als "Apostaten" am Ende eben doch in der Hölle landen.

    Sarkastisch könnte an sagen: enorm effektiv, dieses System!
    Der unterschied zur Ud- oder EurSSR ist so gesehen nur ein gradueller, kein prinzipieller.

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  5. Cher Ecki,

    ... so freiwillig, wie Sie es offenbar ansehen, ist das mit der Mitgliedschaft in der "RKK" auch wieder nicht.

    Doch. War früher nicht so, ganz klar. Aber früher war früher, und wenn sich was zum Besseren werden, sind gehabte Schmerzen die schönsten ...

    Es mag auch sein, daß es in bestimmten Weltgegenden immer noch so ist — nur frage ich mich schön langsam: in welchen denn? Selbst Irland ist inzwischen ziemlich säkularisiert und kennt außerdem keine Kirchensteuer — wer dort nicht (oder nur "alle heilige Zeiten") in die Sonntagsmesse geht (nix schlimmeres soll einem im Leben passieren — tut ja nicht weh!), wird vom angeblichen "Zentralismus" der RKK faktisch nicht berührt. Wer hingegen nicht den ganz großen Kotau vor diversen Meinungsknebelungsjudikaten des EUGH, vor der DSGVO, der Gurkenkrümmungsrichtlinie, dem Glühlampenverbot, dem EUrheberrecht & Co. macht(e), konnte (und kann) sich seine wirtschaftliche Existenz "aufzeichnen", wird zu Tode geklagt und ruiniert.

    Ich würde mit einem Werbeslogan sagen: "Der Vergleich macht Sie sicher!" ...

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