Sonntag, 17. Juni 2018

Klassenkampf

von Fragolin

Die Wogen gehen hoch, denn immerhin hat die Regierung eines beschlossen: „Bei Gleitzeit sollen zwölf Stunden tägliche Arbeitszeit möglich werden…“
Und so tobt die linke Reichshälfte über die beschlossene Ausbeutung der armen Arbeiter, die man hier angeblich brutal dazu zwingt, bis zu zwölf Stunden am Tag arbeiten zu dürfen, wobei die letzten zwei Stunden ausschließlich freiwillig und als ausbezahlte Überstunden geleistet werden müssen.

Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl ortet eine „Attacke gegen alle Arbeitnehmer, aber insbesondere gegen junge Familien“. Und sie befürchtet: Wer die 11. und 12. Überstunde ablehne, riskiere eine fristlose Entlassung.“

Die Arbeiterkammerpräsidentin, ihres Zeichens lebenslange (auch zwangs-)beitragsfinanzierte ÖGB-Angestellte und -Funktionärin, die nicht eine Minute in der Privatwirtschaft verbrachte, hat anscheinend keine Ahnung, wo die Sorgen junger Familien wirklich liegen. Es gibt viele junge Leute, vor Allem Männer (zumindest die, die schon länger hier leben) die sogar ganz bewusst möglichst viele Überstunden machen, wenn diese ausbezahlt werden, weil sie einfach das Geld brauchen können wenn sie bauen, einrichten, Familie gründen wollen. Die sind dankbar, wenn sie bezahlte Überstunden angeboten bekommen. Die einzige Attacke gegen sie ist es, wenn ihre Firma zwar haufenweise Aufträge hat und sie gerne arbeiten kommen und das Geld dafür kassieren würden, aber nicht dürfen, weil fettgefressene Gewerkschaftsfunktionäre ihnen das verbieten.

Und als wenn diese Gängelei noch nicht reicht, muss die Klassenkampfrhetorikerin den im Arbeitsrecht nicht so bewanderten Arbeiterschäfchen ordentlich Angst einflößen. Das Märchen, wer nicht bei jeder Erfordernis sofort freudig rund um die Uhr schuftet bekomme sofort die Fristlose, wird als Angst- und Panikmelodie getrommelt, was das Zeug hält. Dabei dürfte man gerne mal Beispiele nennen, wo so etwas funktioniert hätte, dass ein Arbeitgeber wegen einmalig verweigerter Überstunden sofort die Fristlose erteilt hätte. Die bekommt man ja sogar bei schweren Vergehen des Arbeitnehmers kaum am Arbeitsgericht vorbei. Also reine Angstmacherei, Panik schüren, den Klassenkampf ausrufen, denn: „Bei Gleitzeit sollen zwölf Stunden tägliche Arbeitszeit möglich werden…“

Ach ja, das Zitat ist übrigens nicht aus dem Gesetzesvorschlag der bösen neoliberalen mordorianischen Regierung, die ausgezogen ist, die Arbeiter zu knechten und an sich zu binden in ewige Finsternis, sondern aus dem sonnendurchfluteten Propagandamachwerk des prinzessenhaften Pizzakanzlers Kern, dessen einzige Leistung während seiner ungewählten Kanzlerschaft neben der strategischen Ausrichtung der SPÖ an den Methoden des Herrn Silberstein und dessen Heuschreckenfreunde und der medienwirksamen Auslieferung einer Pizza an einen Wiener Parteikollegen das Verfassen und gloriose Selbstvorstellen eines „Plan A“ war, in dem dieses Zitat auf der Seite 34 steht. Wörtlich. „Bei Gleitzeit sollen zwölf Stunden tägliche Arbeitszeit möglich werden…“

Genau das, was jetzt beschlossen wurde.
Also kämpfen die Roten gar nicht gegen den Zwölf-Stunden-Tag, sondern nur dagegen, dass nicht sie es waren, die ihn beschlossen haben, denn dann wäre es ein guter Zwölf-Stunden-Tag, den die Proletariere aller Länder freudig arbeiten gegangen wären, während es jetzt ein böser neoliberaler Zwölf-Stunden-Tag ist, an dem die Proletarier ausgebeutet und geschunden werden. Wenn Strache dem zustimmt, ist er ein Verräter aller Arbeiter, wenn Kern das umsetzt, ist es eine Errungenschaft zum Wohle der Arbeiter.
Und denen glaubt noch irgendwer, der auch nur rudimentär ein Hirn hat, noch irgendwas?

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