Freitag, 9. Februar 2018

Die Bulldogge und der Wauwau

von Fragolin

Erinnert sich noch jemand an den Herrn Janukowitsch? Das war der demokratisch gewählte Präsident eines Staates namens Ukraine, der sich um einen Beitritt zur Eurasischen Zollunion mit Russland und um einen Beitritt zur Europäischen Zollunion mit der EU bemühte. Letztere war es auch, die Kiew klar machte, dass es keine Zweigleisigkeit geben darf und eine Zollunion der Ukraine mit Russland inakzeptabel sei. Daraufhin erklärte dieser Präsident, er stehe für beide, aber wenn die EU die Tür lieber zuknallt, werde er sich eben nur mit Moskau arrangieren.
Rein zufällig direkt danach brach die Hölle los, an deren Ende der anerkannte Präsident aus dem Land fliehen musste und eine ungewählte Putschregierung aus Oligarchen, Ultranationalisten und Faschisten die Macht übernahm – und sofort vom Westen anerkannt und mit Milliarden gestopft wurde.

Die vom Westen hofierte Ringelzopfbarbie Julia Timoschenko, unter Janukowitsch wegen millionenstarken Steuerbetrugs hinter Gitter gebracht, fiel vor Allem durch antirussische Hetze auf, in der sie ihren ganzen Hass bündelte und davon schwärmte, alle Russen umzubringen, Putin den Kopf wegzublasen und mit Hilfe der Nato-Partner ganz Russland in eine atomare Trümmerwüste zu bomben. Was ein besonderes Licht auf die bisherigen Bestrebungen der Nato wirft, den Gürtel um Russland immer enger zu schnallen und mit einem massiven Militäraufmarsch zu umschließen und neben der versuchten Übernahme der russischen Schwarzmeerflotte im Stützpunkt Sewastopol und der die russischen Streitkräfte beliefernden Rüstungsindustrie in der Ostukraine auch den Versuch einschließt, den Verbündeten Assad wegzuräumen, der an sich strategisch unwichtig wäre, wenn er den Russen nicht einen Flottenstützpunkt am Mittelmeer ermöglichen würde.

Ja, Ukraine und Syrien hängen direkt zusammen und sind nur zwei Schauplätze ein und desselben Krieges, nämlich dem zwischen den USA und Russland. Da beide mit dem waffentechnischen Potential ausgerüstet sind, das Gebiet des anderen umzupflügen und für Jahrhunderte unbewohnbar zu machen, wird eine langfristige Strategie angewandt und auf Nebenschauplätze ausgewichen. Das ist nichts Neues und keine Erfindung dieses Jahrtausends, das ist ein Erbe der Sowjetzeit. Nachdem die wirtschaftliche Übernahme der riesigen Rohstoffvorkommen unter einer versoffenen Marionette Jelzin durch einen eiskalten sowjetischen Geheimdienstoberst gestoppt wurde, der die „gute alte Zeit“ wieder heraufbeschwört, um den Reichtum der russischen Weiten in den Händen von Russen zu halten – und zwar vorzugsweise seiner und seiner Freunde – erkaltete die vorübergehende Annäherung zwischen den USA und Russland sofort wieder.

Putin ist ein eiskalter Machtmensch und ein kaltblütiger KGB-Stratege. Und ja, man kann verstehen, dass es Menschen gibt, die ihm gerne in die Stirn schießen würden. Diese sollten aber keine Staatsoberhäupter werden und mit solchen sollte man sich auch nicht ins Bett legen, selbst wenn sie wie das Ringelzöpfchen aussehen.
Timoschenko ist inzwischen abserviert, aber nicht weil sie so eine Millionen aus dem ukrainischen Volk pressende und mit Gaslieferbetrug zu Reichtum gekommene widerliche Fanatikerin ist, die feuchte Völkermordphantasien hat, sondern weil sie von einem noch viel widerlicheren und kaltblütigeren Oligarchen beiseitegeschoben wurde, der mit ultranationalistischen und faschistischen Söldnertruppen und rein zufällig auch ein paar Amerikanern als Unterstützung (Wieso tauchen die zielsicher immer da auf, wo es am dreckigsten zugeht, und das ebenso zielsicher auf der Seite der ungustiösesten Gestalten?) das Ruder übernahm.

Etwas anderes war auch nicht zu erwarten. Die Ukraine, das ist der korrupteste Staat Europas, ein quasifeudal ausgepresstes Drecksloch (eine schöne Landschaft und ein paar nette Leute machen eben nicht alles aus), in dem die Bevölkerung in Armut gehalten wird, damit sich eine mafiöse Oberschicht aus superreichen Oligarchen, meist hervorgegangen aus der alten kommunistischen Staatsführungsriege und dem Geheimdienst, die Taschen vollstopfen kann. Also sowas wie ein Bonsai-Russland. Die kleine Schwester gewissermaßen. Und dort hat die Mafiabande, die in Geschäften mit dem ebenso strunzdummen wie überheblichen reichen Westen, der immer bereitwillig Milliarden ausschüttet, wenn man ihm kokett Honig ums Maul schmiert, einfach gegen die Mafiabande, die mit den russischen Mafiabanden unter einer Decke steckt, gewonnen. Nicht mehr und nicht weniger ist da passiert. Und die Amerikaner haben das Ganze angeheizt und befeuert, um Russland zu schwächen. Der Donbass, die Krim, das waren keine Zufälle sondern Schachzüge Putins, der vom Putsch in Kiew recht überrumpelt wirkte. Was verwunderlich ist, wenn man von Putin redet. Er holte sich die für ihn strategisch wichtigen Objekte Sewastopol und den Donbass zurück.

Poroschenko ist superreicher Oligarch, kaltschnäuzige Bulldogge, Stratege mit brutalen, gern auch ultranationalistischen und faschistischen Söldnertruppen, er buhlt gerne um Milliarden aus dem Westen und spielt ein ziemlich widerliches Spiel um Macht und Milliarden. Alles in Allem eine Gestalt, die um keinen Deut symapthischer und moralisch hochwertiger ist als ein Putin oder ein Erdogan, ganz im Gegenteil. Aber er biedert sich an die richtige Seite an. Und das muss man im Hinterkopf behalten, wenn man den gestrigen Jubelartikel im „Standard“ über den Empfang durch unseren Herrn Bundespräsidenten liest.

Poroschenko und Van der Bellen fordern Umsetzung des Minsk-Abkommens“

Aha.
Wäre ja auch mal an der Zeit, immerhin ist das aus 2015. Und was stand da so drin?

Innerhalb von 30 Tagen soll das ukrainische Parlament in Kiew eine Autonomie „bestimmter Regionen der Gebiete Lugansk und Donezk“ beschließen"
Ab Ende 2015 sollen zwischen der Ostukraine und Russland wieder Grenzkontrollen stattfinden. Zunächst sollen jedoch Kommunalwahlen in den Separatistengebieten stattfinden und per Verfassungsreform eine Dezentralisierung der Ukraine verwirklicht werden. Ein Entwurf für eine entsprechende neue Verfassung existierte zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht."
Fremde Truppen, fremde Kämpfer („Söldner“) und alle ihre Waffen sollen vom Gebiet der Ukraine zurückgezogen werden."

Wurde auch nur einer dieser Punkte von ukrainischer Seite erfüllt?
Die Frage zu stellen heißt die Antwort zu geben. Selbstverständlich nicht.
Und wie hieß der Präsident der Ukraine in all den Jahren, in denen keiner dieser Punkte umgesetzt wurde? Richtig: Poroschenko.
Es ist eine Posse, wenn der faktisch etwas von sich selbst fordert, was er bis heute nicht umgesetzt hat. Noch peinlicher ist allerdings, wenn unser gewohnt bestens informierter und mit fundierten Fakten ausgestatteter Herr Bundespräsident in das gleiche Horn trötet.

Kennt jemand diese alten, schon leicht kalkrieselnden Herren, die ohne Hörgerät nicht mehr wirklich was mitbekommen, aber immer wenn alle ringsum lachen und klatschen auch mitlachen und mitklatschen, ohne zu wissen, um was es eigentlich geht? Peinlich wird es, wenn sie das bei Witzen tun, die über sie selbst gerissen werden. An die muss ich immer häufiger bei den Auslassungen unserer präsidialen Peinlichkeit denken.

Denn unser Staatsoberhaupt hat ganz offensichtlich keine Ahnung, wem er da den Cheerleader macht, und auch nicht, wie es um die Zukunft von Minsk II bestellt ist. Es ist nämlich nicht nur so, dass bis heute von ukrainischer Seite nichts zur Umsetzung des Abkommens getan wurde, nein, erst vor wenigen Tagen wurde in Kiew ein Gesetz beschlossen, das sogar das genaue Gegenteil bewirkt. Es erklärt nämlich die betroffenen Gebiete in der Ostukraine zu widerrechtlich besetztem Gebiet, auf dem faktisch Kriegsrecht herrscht, und erteilt dem Präsidenten Poroschenko parlamentarisch nicht mehr prüfbare militärische Vollmachten. Es macht die Erfüllung des Minsker Abkommens faktisch unmöglich.

Fassen wir zusammen: Poroschenko fordert vollmundig eine Umsetzung eines Abkommens, das immerhin den Status einer Resolution des Weltsicherheitsrates besitzt, die er selbst erst vor wenigen Tagen per Gesetzesbeschluss unmöglich gemacht hat, und Van der Bellen spielt sein Echo, ohne eine Ahnung zu haben, dass er gerade komplett verschaukelt und instrumentalisiert wird. Oder er weiß es sogar und spielt bewusst mit. Da bleibt nur die Frage, welche der beiden Annahmen ihn rücktrittsreifer macht.
Und um noch eins draufzusetzen, muss man sich noch folgenden Satz zu Gemüte führen:

Van der Bellen versicherte, dass Österreich keine Initiativen zur Abschaffung der Russland-Sanktionen setzen werde, solange sich die Situation in der Ostukraine und auf der Krim nicht ändere.“

Also muss Poroschenko sein frisch gebügeltes Gesetz nur nutzen um weiterhin zu zündeln und den Konflikt am Laufen zu halten, denn von dem profitiert er ungemein, und nebenher ermöglichen ihm kurzsichtige und denkgebremste transatlantische Jasager vom Format des Grünen Van der Bellen, damit auch noch die Sanktionen gegen Russland zu steuern.
Es gibt Tage, da denke ich mir, es wäre wirklich besser, Van der Bellen würde nur über Kopftücher reden. Das ist schon peinlich genug.

Dass Kurz dann noch militärische Unterstützung in der Ostukraine zusagt gegenüber einem Menschen, der inzwischen recht offen kommuniziert, dass es an der Zeit wäre, militärisch in der Ostukraine einzumarschieren und sich das Gebiet gewaltsam zurückzuholen, nachdem er selbst die Umsetzung des Vertrages blockiert hat, mag ich gar nicht mehr kommentieren. War aber klar, denn man darf keine Sekunde vergessen, dass Kurz ein „glühender Europäer“ ist, was so ziemlich die Umschreibung für einen treuen Vasallen des Brüsseler Kaiserhofes darstellt. Der sich dazu entschlossen hat, die Ukraine huldvoll zu unterstützen, auch wenn das die Zusammenarbeit mit den widerlichsten Kotzbrocken und deren Mästen mit Milliarden bedeuten sollte.
Seine vollmundige Erklärung, den Sanktionen gegen Russland kritisch gegenüberzustehen, hat er damit jedenfalls selbst entkräftet. Ob ihm noch bewusst ist, was die Neutralität Österreichs eigentlich bedeutet, darf bezweifelt werden.

Der Tag, an dem der begnadete Dampfplauderer und Parolenreiter Kernschen Ausmaßes Sebastian Kurz sich im Nebel der eigenen abgeschossenen Granaten verirrt, rückt anscheinend immer näher.

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