Samstag, 21. Januar 2017

Nachklänge aus Washington D.C.

Die Angelobung ist vorbei, die USA haben — auch offiziell — einen neuen Präsidenten. Wer die Zeremonien auf den diversen öffentlich-rechtlichen, aber auch privaten Kanälen des deutschen Sprachraumes verfolgte, kam aus dem Staunen nicht heraus: von wo, von welchem Ereignis wurde da berichtet, aus welchen Reden wurde da eigentlich zitiert?

Die Berichterstattung auf n-tv war dabei fast die unerträglichste — dagegen war ORF2 geradezu ein Labsal, und das ist eine Einschätzung, die ich für dieses Programm nun wirklich mehr als selten treffe! Aber wohlgemerkt: auch diese Einschätzung ist bloß relativ zu sehen: unter Blinden ist der Einäugige halt immer noch König …

Wer die Berichte über die »Demonstrationen« sah, den berührte die Voreingenommenheit der Systemmedien-Reporter geradezu schmerzhaft: wie da die friedlichen Demonstranten als verunklärende Rechtfertigung für die Randalierer, die gewalttätigen Schaufensterzertrümmerer und Autoabfackeler herhalten mußten, war wirklich schwer erträglich!

Aber auch die Simultan-Übersetzung der Trump-Rede war auf n-tv so blamabel schlecht und streckenweise schlicht falsch — bis zur Sinnentstellung, ja: Sinnlosigkeit —, daß sie bei einem x-beliebigen Wissenschaftskongreß zur fristlosen Kündigung des Dolmetschers führen würde. Und da sind z.B. ad hoc zu übersetzenden Diskussionsbeiträge wohl etwas schwieriger zu verstehen, als die in einfacher Sprache vorgetragene programmatische Rede des neuen Präsidenten.

Anhand der falschen Übersetzung stürzten sich die Kommentatoren gleich auf angeblich ganz schreckliche Ankündigungen, die der neue Präsident da von sich gegeben hätte — wobei dann im selben Atemzug versichert wurde, die Rede sei enttäuschend gewesen, weil sie nichts Neues gebracht habe. Nun, was eigentlich: eh nur dasselbe (das dann schwerlich schockieren hätte können), oder was ganz anderes? Wer die Rede mitverfolgte — und des Englischen halbwegs mächtig ist —, der traute seinen Ohren nicht, wenn er die Übersetzung und die Interpretationen der Kommentatoren damit verglich. Da war von einer »düsteren Botschaft« die Rede, von »Drohungen« (und nein: damit war nicht die Ankündigung gemeint, den islamischen Terror ausradieren zu wollen!) — und, natürlich wieder der Vorwurf, die Rede habe nichts Neues gebracht.

Nun, die Rede war wohl keineswegs »düster«, sondern von einem kämpferischen Optimismus getragen (über dessen Berechtigung erst die Zukunft wird Auskunft geben können), und daß da die klare Botschaft nach einer grundlegenden Änderung der US-Außenpolitik verpackt war, dürfte den begnadeten Exegeten der Systemjournaille irgendwie entgangen sein. Nichts Neues also?

Ja, die Ansprache war teils floskelhaft und pathetisch: nur — welche der bisherigen Ansprachen (außer vielleicht der von George Washington, die sich durch ihre Kürze auszeichnete) wäre es denn nicht gewesen? Wer von derlei Ansprachen staatsphilosophischen Tiefgang erwartet, sollte die Augen öffnen und die Realität akzeptieren: das gab es nie und wird es nie geben!

Der übrige Verlauf der Feierlichkeiten war insgesamt etwas »abgeschlankter« als bei seinem Vorgänger, doch die kaum verhohlenen Hoffnungen der Trump-Gegner in der Kommentatorenriege auf eine peinlich kärgliche Zeremonie haben sich eindeutig nicht erfüllt. Daß so manche Randnotiz von Stillosigkeiten zu berichten hätte (wie bspw., daß Michelle Obama bei der Verabschiedung Melania Trump »übersah« — ob bewußt, oder im Streß der Abreise, sei dahingestellt) … nun denn: wer von Amerikanern ein perfektes »Hofzeremoniell« erwartet, ist selber schuld.

Schon am Tag seines Amtsantritts hat Trump jedenfalls ein Dekret unterzeichnet, mit dem die »Obamacare« weitgehend zu Grabe getragen wird. Hämische Prognosen der letzten Wochen, daß Trump wohl seine Wahlversprechen schnellstens vergessen werde, haben sich also in diesem Punkt schon einmal nicht bewahrheitet. Daß Politik immer eine gewisse Fähigkeit zu Kompromissen voraussetzt, ist freilich der Garant dafür, daß auch Trump nicht alles wird halten können, was er ankündigte.

Dennoch: auch ohne großartige Interpretationskünste wäre zu erkennen gewesen, daß Trump eine Reihe durchaus anderer Töne in seiner Inaugurationsrede angeschlagen hat: Töne, die im Polit-Establishment von Washington D.C. sicherlich mit Unbehagen aufgenommen wurden. Daß dieses auch von so gut wie allen Medienkommentatoren geteilt wurde, sollte allerdings zu denken geben. Weniger als Argument gegen Trump, als vielmehr gegen die angeblich »vierte Gewalt«, die sich immer mehr als nur allzu »embedded«, als im Bett der Machthaber sich suhlend, herausstellt.


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P.S.: DiePresse faßt auf ihrer Startseite die gestrige Trump-Rede wie folgt in aller Kürze zusammen:

Reportage

"Kauft Amerikanisch und beschäftigt Amerikanisch“

Vor schütterem Publikum zeichnete der neue US-Präsident das Bild einer von korrupten Politikern in ein Gemetzel gestürzten Nation und rief zu Nationalismus auf.
Man kann das natürlich nicht als direkt gelogen bezeichnen: denn all das kam in der Rede durchaus vor. Aber es ist etwa so sinngemäß, wie wenn Häupl den wegen katastrophaler SPÖ-Umfragewerte spät aber doch vollzogenen Rausschmiß der Wiener Stadträtin Wehsely als eine »Suche nach neuen Herausforderungen in der Privatwirtschaft« bezeichnete. Ja, sicher auch ... aber wirklich nur?

 

6 Kommentare:

  1. Obama hat 8 Jahre lang geschliffene Reden gehalten aber praktisch nichts durchgebracht. Trump redet nicht viel, aber tut gleich am ersten Tag. Hört sich für mich nach einem klaren 1:0 für Trump an.

    Wo die Presse ein "schütteres Publikum" gesehen hat, weiß ich nicht, bei der Übertragung sah man fast eine Million Menschen. Aber Zählen gehört wohl nicht mehr zu den Kernkompetenzen der Copyandpastejournaillisten.

    Ich möchte nur an die Berichterstattung unter Bush Jr. oder noch ärger (die Älteren erinnern sich) unter Reagan erinnern. Es hat sich nichts geändert. Die gleichen Presstituierten, die gleichen Lügen...

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    1. Ich messe Trump daran, ob Killary nach 30 Tagen seiner Amtszeit hinter Schloss und Riegel gebracht ist. So hat er es in jeder Wahlkampfrede versprochen ("read my lips!"), zusammen mit Mauerbau und sofortiger Abschaffung von Zwangsversicherung war das sein Hauptversprechen im Wahlkampf.

      Wenn er das jetzt umsetzt, dann ist er der Mann. Wenn nicht, ist er auch nur ein Schwadroneur wie seine Vorgänger.

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  2. Die von ihnen oben zitierte Zusammenfassung der "Presse" hat bei mir dazu geführt, dass ich den dazugehörigen Artikel gleich gar nicht mehr gelesen habe. Schade um die Zeit, da lese ich lieber ihren Blog.

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  3. Cher (chère?) "Tea Party",

    nein, selbst dann wäre er immer bloß nur ein Drittel von dem Schwadroneur, der sein Vorgänger war.

    Verbesserungen geschehen in kleinen Schritten ...

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  4. Cher (chère?) "dna1",

    danke für die Blumen! Ich werde damit mein Vorgärtlein ausstaffieren ;-)

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  5. Wir haben uns die Inauguration auf BBC angeschaut und konnten alle Reden im Original - ohne zielsichere Übersetzungsverfälschungen - anhören. Trump hat sehr klar (und in relativ einfachem Englisch!) gesprochen und dabei im Prinzip das, was er vor der Wahl sagte nunmehr als seine Regierungspolitik angekündigt. Natürlich war er stellenweise sehr pathetisch, vor allem, wenn er die Macht an das Volk zurückzugeben versprach, natürlich hat er die Situation der US-Wirtschaft negativ dargestellt und ebenso war sein "America first" und "We make America great again" seine Hauptagenda.

    Man kann nun darin leere Versprechungen sehen, sollte aber in seine Worte nicht das hineindeuten, was man sich selber ausgedacht hat. Mir fällt dazu wieder der Begriff der Echokammer ein: vor allem die deutschen und österr. Medien glauben das, was sie selbst vor mehr als einem Jahr erfunden haben.

    Im Prinzip soll wohl das Trump-bashing die dummen Wähler davon abhalten, andere Parteien als die Regierungsparteien zu wählen, damit Deutschland und Österreich nicht genauso arg in den internationalen Medien dargestellt werden wie es jetzt den USA durch Trump in Europa passiert.

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