... ist erstinstanzlich zu Ende, und wie zu erwarten war, melden sich alle Gutmenschen, denen der bedauernswerte Mörder zu geistig verwirrt vorkam, als daß man ihn, bitteschön!, in ein Gefängnis stecken könnte, sogar lebenslang ...
Zumal der erstinstanzlich verurteilte Mörder doch schließlich ein Bessermensch aus der Klasse der rechtgeleiteten Gläubigen ist, die unsere Gesellschaft bereichern wie noch nie, und deshalb auch eine Vorzugsbehandlung verdienen. Natürlich melden sich auch alle Systemlinge zu Wort, denen ein Urteil aus Geschwornenmund (außer es lautet auf den Freispruch für einen linken Terroristen oder Vandalen) einfach unerträglich ist ... wo käme man denn hin, wenn Menschen "aus dem Volk", die nicht vorher in der Karrieremühle der Justiz sorgfältig und ganz klein zu Staub zermahlen wurden, Urteile sprechen "dürfen"! Sofort ist ein (selbstverständlich durch die Politik und ihre Seilschaften erst in sein Amt gekommener) Präsident eines Gerichtes zur Stelle:
Friedrich Forsthuber, Präsident des Wiener Straflandesgerichts und
Obmann der Strafrechtssektion der Richtervereinigung, machte sich am
Freitag im Ö1-„Morgen-journal“ anlässlich des Amokfahrer-Verfahrens für
eine Reform stark. Und zwar genau in diesem neuralgischen Punkt. Die
Geschworenen sollten doch künftig gemeinsam mit den drei Berufsrichtern
die Schuldfrage klären. Der Vorteil daran: Der Wahrspruch könnte und
müsste bei diesem Modell in nachvollziehbarer Form rechtlich begründet
werden. Diese Begründung würde konkrete Anknüpfungspunkte für
Rechtsmittel bieten. Der scheele Beigeschmack, dass Laien a) überfordert
und b) unantastbar sind, fiele weg. Der Nachteil: Eine Dominanz der
Berufsrichter würde mitunter drohen.
"Mitunter" ist einfach putzig! Na geh! Also ob bisher der Richtersenat in einem Geschwornen*)-Prozeß sich nur auf die Zunge gebissen, und bloß den Verfahrensablauf geregelt hätte! Hier wird von den Kritikern der Laiengerichtsbarkeit bewußt verschwiegen, daß der vorsitzende Richter vor der Beratung der Geschwornen diese rechtlich zu belehren hat, und daß (sollten die Geschwornen weitere rechtliche Informationen benötigen) er auch während der Beratung für ergänzende Erläuterungen zur Verfügung steht. hier wird weiters bewußt verschwiegen, daß der Richtersenat ein Urteil wegen offensichtlicher Rechtsverkennung aussetzen kann, seit dem
Schattendorf-Urteil**), das in der Ersten Republik dann zum Justizpalastbrand führte, auch zu Ungunsten des Angeklagten, wenn zu Unrecht ein Freispruch erfolgte. All das hätte der Redakteur unschwer
in Wikipedia nachlesen können (beim zitierten Gerichtspräsidenten gehe ich davon aus, daß er's weiß, aber aus bewußter Verunklärung nicht sagte)!
Ein Kommentarposter zum "Presse"-Artikel schreibt völlig zu recht:
In Wirklichkeit geht es hier schon wieder darum, dass die "Elite" gegen
den einfachen Menschen aufmarschiert, und darlegt, wer hier der
Mächtiger ist, ähnlich Diskussionen haben wir bei Trump-Clinton, Hofer
gegen Van der Bellen, beim Brexit, überall geht es um den "Dummen,
Ungebildeten", der sich nicht dem " Intelligenten" unterordnen
möchte ... ... ... Schade, dass Sigmund Freud nicht mehr lebt, wäre
auf seine Analyse gespannt ... ...
Wer weiß, wie Mitarbeiter der Justiz rekrutiert und auf ihrem Karriereweg "begleitet" werden, der wundert sich nicht über das geringschätzige Lächeln, das altgediente Juristen nicht unterdrücken können, wenn von der vielzitierten "Unabhängigkeit der Gerichte" die Rede ist. In einem System, das von Anfang an durch (partei-!)politische Einflußnahme gekennzeichnet ist, wird sorgfältig darauf geachtet, daß nur die "richtigen", also die System- und Linientreuen nach oben kommen. Selbständig agierende Richter werden an Bezirksgerichten***) verschimmeln.
Die Korruption der Justiz ist subtil und sehr unauffällig. Sie passiert bspw. mit dem beliebten Trick, einen jungen Richteramtsanwärter eine Sache entscheiden zu lassen, und ihm durch den jeweiligen Chef eine Rechtsbeugung nahezulegen. Geht der junge Anwärter darauf ein (idealerweise nicht nur einmal) ... na, perfekt! Er ist für den Rest seiner Laufbahn bestens erpreßbar, die gewünscht "richtigen" Urteile zu sprechen. Natürlich hätte er theoretisch die Möglichkeit, "Nein" zu sagen. Nur wird er dann nicht über die Anwartschaft hinauskommen, zufällig wird sich immer ein geeigneterer Kandidat für einen Richterposten finden; sollte er hingegen so ein genialer Jurist sein, daß das nicht geht, wird man seine Karriere nach Tunlichkeit behindern, ihn mobben, durch Disziplinarverfahren zermürben etc. etc. ... Die Instrumentarien für derlei "Behandlungen" sind mannigfach.
Für wie wahrscheinlich halten Sie also, daß die beamteten Richter wirklich "unabhängig" sind? Die Frage zu stellen, heißt ... ... aber den Satz kennen die Leser dieses Blogs bereits.
Zurück zur Laiengerichtsbarkeit: nein, das Problem damit ist nicht daß es sie gibt, sondern daß es völlig sinnlose Auswahlkriterien für die Geschwornen gibt! In einem diffizilen Indizien-Mordprozeß drei Pensionistinnen, zwei Bauarbeiter, eine Friseurin und zwei Gemeindebeamte entscheiden zu lassen, kann ja in der Tat schief gehen. Aber was spricht dagegen, je nach Verhandlungsgegenstand die Geschwornen aus "fachkundigen" Kreisen zu entnehmen? Das Korrektiv gegen "Kabinettsjustiz", das die Laienbeteiligung ja darstellen soll, heißt ja nicht, möglichst ungeeignete Personen berufen zu sollen, sondern müßte im Gegenteil nahelegen, möglichst geeignete Laien heranzuziehen, bei denen zu erwarten ist, daß sie sich mit dem Prozeßgegenstand ernstlich auseinandersetzen können und wollen.
Das "Können" und das "Wollen" freilich setzt auch voraus, daß man Laienrichtern ein entsprechendes Salär zubilligt: if you pay peanuts, you get monkeys, wie der Engländer sagt. Bei den überschaubar wenigen Geschwornenprozessen in Österreich wäre das budgetär sicherlich das geringste Problem, das wir haben ...
All das sind freilich die berühmten "Wünsche ans Christkind", die's nicht spielen wird. Zu massiv sind die Interessen der Politruks, ihre "Claims" auch im Bereich der Justiz zu sichern (wenn ein ehemaliger SPÖ-Parteidiener und Adlatus eines roten Bundeskanzlers als "unabhängiger" Richter am höchsten Gericht Österreichs, dem Verfassungsgerichtshof, schließlich seinen Traumjob findet, dann lachen ja die Hühner über seine "Unabhängigkeit"!). Zu arrogant ist sicherlich auch die Attitüde der "gelernten" Berufsrichter, deren Job leider mit sich bringt, daß die meisten eine mehr oder weniger ausgeprägte Form von Größenwahn entwickeln: solche Leute wollen keine kritischen Laien, sondern unkritische Bewunderer ihrer Witze und Tiraden, mit denen sie "ihre" Prozesse "führen" ...
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*) Kein Tippfehler, sondern in Österreich ist der terminus technicus nicht "Geschworene", sondern eben "Geschworne".
**) das im verlinkten Wikipedia-Artikel erstaunlicherweise sogar halbwegs
korrekt dargestellt wird; die näheren Details würden im Rahmen dieses
Artikels aber zu weit führen.
***) in Deutschland: Amtsgerichte.
"Sie passiert bspw. mit dem beliebten Trick, einen jungen Richteramtsanwärter eine Sache entscheiden zu lassen, und ihm durch den jeweiligen Chef eine Rechtsbeugung nahezulegen."
AntwortenLöschenIn Deutschland ist das nicht einfach ein beliebter Trick, sondern der standardisierte Initiationsritus für angehende Richter.
Die Laufbahn beginnt mit einer Rechtsbeugung. Selbstverständlich wird keine gezwungen. Die angehende Richter hat die freie Wahl,
entweder
als korrupter Büttel die nächsten Jahrzehnte ein hohes Einkommen beziehen
oder
sein Studium in die Tonne zu treten.
Ein Fallbeispiel auf der Seite von MdL Karl Nolle
Ulrich Sommer: "Ich kann mich noch an eine, ich würde es sonst nicht erwähnen, aber es passt einfach ins Bild, in den Eindruck, den ich hatte. Es gab eine Beratungspause Der Amtsrichter, ein sehr junger Amtsrichter, dessen Name mir entfallen ist, hatte um eine längere Pause gebeten.Alle gingen auf den Flur. Und vom Flur - in dem Moment, als wir raus gingen - ging dann anschließene der damalige Amtsgerichtspräsident in das Beratungszimmer, in dem allein der junge Amtsrichter saß, der eine Entscheidung zu treffen hatte. Eine Viertelstunde später hat er dann die Verurteilung ausgesprochen - was auch immer man dort besprochen hat."
Klaus Bartl: "Nach dem Urteil, das habe ich ja gesehen, ist der arme Kerl, der das verhandeln musste, ein Richter auf Probe gewesen?"
Ulrich Sommer: "Ja."
""Mitunter" ist einfach putzig! Na geh! Also ob bisher der Richtersenat in einem Geschwornen*)-Prozeß sich nur auf die Zunge gebissen, und bloß den Verfahrensablauf geregelt hätte!"
AntwortenLöschenJa, genau das ist es nämlich. Diese Kritik ist ja absolut absurd und so, wie sie vorgebracht wird, selbst nur eine als eine Täuschung von Rechtsunkundigen zu verstehen, die obendrein auch keinen Einblick in die tatsächlich geübte Praxis in solchen Verfahren haben.
Geschätzter Le Penseur,
AntwortenLöschenbesten Dank für die fachkundigen Ausführungen zum "Rechts"system. Ich muss mit Verwunderung feststellen, sogar mich als erklärten Staatsfeind kann die Verkommenheit der Nomenklatura manchmal noch überraschen.
FritzLiberal