Mittwoch, 31. August 2016

Zu seinem Sechziger

... hatte er dies gedichtet:
DER ZUFALL
Gedicht zu meinem 60. Geburtstag

So viel der Guten hab ich überlebt – Erbarmen!
Daß ich mir Jahre nahm die ihnen zur Vollendung fehlten −
so viele Todesstunden überstand ich und aus keiner
hinterblieb ich weise
aaaaaaaaaaaaaaaaaniemals lernt ich draus auf meiner Bahn.
Nicht ich bin einer jener nachtverwehten Armen
die tauben Ohrs die Welt verließen schweißbedeckt und kalt
die Oberwelt:
aaaaaaaaaaabin keiner dieser schönen allzu früh Entseelten −
ich blieb zurück und nach mir schlug der Wahn…
auch er schlug fehl: ich bin des Zufalls schiere Ungestalt −
und nun müßt Ihr mich überstehn: erbarmt euch meiner!
Heute wäre er achtzig geworden: Wolfgang Hilbig. Trotzdem: ein Außenseiter der "Literaturszene", so irgendwie nicht ... intellektuell genug. Nach dazu von "drüben", aus jenem besseren Deutschland, aus dem man doch nicht wegging (wenigstens nach Meinung der sicher im Westen lebenden, und gegen diesen raisonnierenden Literaten), doch nicht deshalb, weil man was gegen Honni & Stasi hatte (oder die gegen einen) ... außer man wollte eine Renegaten-Karriere starten.

Dennoch war er im Literaturbetrieb "wohlgelitten" (wie uns Wikipedia versichert, wohl nicht ganz ohne Grund angesichts der achtzehn Literaturpreise, die er einheimste). LePenseur fragt sich nur: haben die alle seinen Roman "ICH" nicht gelesen ...?
Es ist die Geschichte eines Dichters, der zum Stasispitzel wird, und die ganze Zeit klingt es so, als sei zwischen beidem ohnehin kaum ein Unterschied, weil Erzählungen automatisch Denunziationen sind. Dieser Dichter heißt Ich, "Ich", M. W., W., Cambert, C.; und es ist nicht nur so, daß sein fragiles Ich zwischen Decknamen und Schein-existenzen völlig zerfasert, es wird dadurch auch erst konstituiert: am Anfang ist es ein Arbeiter in einem sächsischen Kaff, der nebenher schreibt, der bald auch, halb erpreßt, halb freiwillig, für die Stasi schreibt, der sich emporschreibt bis nach Berlin, wo er tags durch die labyrinthischen Keller huscht wie eine Kanalratte und nachts die inoffizielle Literatenszene von Prenzlauer Berg bei ihren hermetischen Lesungen in Hinterhof-wohnungen belauscht. Und die poststrukturalistischen Modesprüche dort, der Tanz um das unablässig gold kalbende Schlüsselwort "Simulation" decken sich exakt mit den Dialektik-Pirouetten seines Führungsoffiziers, eines eleganten, brutalen Schweins, das sich Feuerbach nennt und auch entsprechende Thesen hat: "Die meisten guten Gedanken kommen vom Gegner, es kommt aber darauf an, sie zu verändern."
... rezensieren (ausnahmsweise mal treffend) die FAZkes. Doch: lesen und verstehen ist nicht dasselbe, offenbar ...




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Forums-Trolls, die die Kommentarfunktion zugemüllt hatten, machten die Moderation von Kommentaren nötig. Da der Blogbetreiber weder Zeit noch Lust hat, ständig den Blog zu beobachten, können auch mehrere Tage vergehen, bevor ein Kommentarposting freigeschaltet wird. Bitte um Verständnis.

Mit dem Posten eines Kommentars erteilen Sie die gem. DSGVO notwendige Zustimmung, daß dieser im Falle seiner Freischaltung auf Dauer gespeichert und lesbar bleibt. Von der »Blogger«-Software vorgegeben ist weiters, daß Ihre E-Mail-Adresse, sofern Sie sie bekanntgeben, gespeichert wird. Dasselbe gilt für für Meldung als »Follower« u. dergl. Sollten Sie nachträglich die Löschung eines Kommentars begehren, können Sie dies unter Angabe des bezughabenden Artikels, sowie von Datum und Uhrzeit ihres Kommentars tun. Ihr Kommentar wird dann innerhalb einer dem Blogbetreiber zumutbaren Zeit gelöscht wird (auch dies kann mehrere Tage dauern).

Ob etwaige Daten eines Kommentators (IP-Adresse etc.) von der »Blogger«-Software automatisch gespeichert und/oder weiterverarbeitet werden, entzieht sich der Kenntnis des Blogbetreibers, ist von diesem aber weder beeinflußbar noch kontrollierbar. Zu diesem Fragen wenden Sie sich bitte an:

https://www.google.de/contact/impressum.html

Hier finden Sie auch einen Hinweis zur »Datenschutzerklärung«:

https://policies.google.com/privacy?hl=de

Auf diesem Blog herrscht auch hinsichtlich der Kommentare weitestgehende Redefreiheit. Gelöscht werden jedoch Kommentar
1. durch deren Stehenlassen sich der Blogbetreiber strafrechtlichen Sanktionen aussetzen würde;
2. die dazu dienen, diesen Blog öffentlich zu diskreditieren;
3. Werbeeinschaltungen (auch in Form von Schleichwerbung);
4. persönliche Beleidigungen und ähnliches (bitte argumentieren Sie möglichst sachlich).
5. Kommentare, die ohne oder nur geringen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Artikel oder dem daran schließenden Kommentarverlauf gepostet werden (»off topic«), können — evtl. nach Abwägung der Informationsinteressen im freien Ermessen des Blogbetreibers — durch den Administrator gelöscht werden.

Wem das nicht frei genug ist, dem sei dringend geraten, seinen eigenen Blog zu eröffnen.