28. April 2016
Konservativ sein heißt, sich die permanenten Kulissenwechsel nicht als das eigentliche Stück aufschwatzen zu lassen. Der Konservative hält die Gesellschaft nicht per se für schlecht und dringend veränderungsbedürftig, sondern für ihn ist es zunächst einmal erstaunlich, dass überhaupt etwas funktioniert. Nach seiner Ansicht muss sich also keineswegs das Bestehende legimieren, sondern das sollen diejenigen tun, die es verändern wollen. Konservativ ist die Skepsis gegenüber gesellschaftlichen Zukunfts-entwürfen – das besorgte Kopfschütteln über Menschen inclusive, die zu wissen behaupten, was für Millionen andere gut und richtig ist, aber oft mit ihrem eigenen Leben nicht klarkommen. Der Konservative beruft sich lieber auf die Tatsache, dass der Kaiser nackt ist, als auf den Diskurs darüber, dass Bekleidetsein ein soziales Konstrukt sei.
Zu den geistigen Beständen des Konservativen gehört ganz elementar die Anthropologie. Im Gegensatz zum Linken, der den Menschen als soziales und unendlich formbares Wesen betrachtet, hält der Konservative Homo sapiens zuallererst für ein existentielles Geschöpf mit einer nicht beliebig veränderbaren Conditio. Er glaubt nicht an die Gleich- heit der Menschen (außer vor Gott und vor dem Gesetz), deshalb ist er Antisozialist. Eine Regierung, die ihm sein Verhalten über das geltende Strafrecht hinaus vorschreiben will, ist sein natürlicher Feind. Der Konservative geht davon aus, dass viele Probleme der Gesellschaft aus der Förderung des Zusammenspiels von Beschränktheit und Wohl- meinen rühren, sprich: aus einem zu optimistischen Menschenbild. Er präferiert zwar die Selbstverantwortung und Selbsthilfe, aber auch die Entlastung des Menschen durch Institutionen.
Der Konservative hängt keineswegs bedingungslos am Althergebrachten, denn auch ihm ist es lieber, dass der Ultraschallbohrer beim Zahnarzt den mechanischen ersetzt, aber er weiß um das organische Gewachsensein allen Menschenwerks und hütet sich, die Ver- gangenheit im Namen irgendeiner Zukunft zu denunzieren. Vom Begriff „gesellschaft-licher Fortschritt“ macht er nur sparsamen Gebrauch, weil dieser Fortschritt entweder eine Ermessensfrage darstellt oder aber jede Art Verwesung einschließt, jedenfalls immer mit Verlusten verbunden ist.
PS: Der Konservative weiß übrigens, dass der Genus "der Konservative" auch den Sexus "die Konservative" liebevoll mit einschließt.
Chapeau, M. Klonovski! Touché!
P.S.: Ihr Mut, sich von F*CKUS zu verabschieden, um (wie Sie süffisant schreiben) »danach nur noch umstritten« zu sein, ist bewundernswert. Nochmals: Chapeau!
P.P.S.: Die Formulierung »Der Konservative beruft sich lieber auf die Tatsache, dass der Kaiser nackt ist, als auf den Diskurs darüber, dass Bekleidetsein ein soziales Konstrukt sei« muß einem erst einmal einfallen! Und allein dieser Satz machte Sie zum zitierenswerten Autor (wobei ich das, cher M. Klonovsky, mit dem Augenzwinkern eines kleinen Insider-Scherzes vermerken möchte ...)
Lange waiste die acta diurna vor besuchendem Auge verschlossen dahin, während der Autor "einen Sachverhalt zu klären" hatte, endlich öffnet sie sich wieder den Blicken der Welt und ist der geistigen Hygiene dienlich wie ein zerebrales Fußbad - Danke!
AntwortenLöschenEiner der, nach meiner bescheidenen Meinung, großartigsten Zitate von Michael Klonovsky:
AntwortenLöschen"Plumpheit im Geistigen erleichtert die Gewandtheit im Zeitgeistigen."
FritzLiberal
Übrigens, sehr empfehlenswert, das Interview mit Klonovsky in der "taz":
AntwortenLöschenhttp://www.taz.de/AfD-Sprecher-Michael-Klonovsky/!5297165/
FritzLiberal