Geboren am 7. März 1866 in Elbingerode/Harz; gestorben am 13. Mai 1933 in St. Georgen an der Stiefing/Steiermark.
(Karl Friedrich) Paul Ernst war der Sohn eines Gruben-aufsehers.
Er studierte in Göttingen und Tübingen Theologie und Philosophie,
wechselte 1887 zur Nationalökonomie in Berlin und promovierte 1892 in
Bern. Er schloß sich der Arbeiterbewegung an und wurde Mitglied der SPD,
aus der er aber 1896 wieder austrat. Seit der Jahrhundertwende lebte er
als freier Schriftsteller.
Mit vorstehender kärglicher Biographie begnügt sich das Gutenberg-Projekt für einen der angesehensten deutschen Schriftsteller seiner Zeit. Nun, freilich: Paul Ernst ist, wie soll man sagen, ein wenig verfemt. Zwar sicherte ihn die Gnade des frühen Todes davor, vom Nazi-Regime vereinnahmt, und damit nach 1945 als Paria angesehen zu werden, doch reicht es für die Geringschätzung durch die heute größtenteils linksgestrickte Kultur-Schickeria schon aus, daß er zwar kurzzeitig Mitglied der SPD war, diese jedoch bald wieder verließ, und mit zunehmendem Alter auch immer konservativer in seinen ursprünglich doch recht revolutionären Anschauungen wurde. Und dann gar »neo- klassisch« werden, nein, also das geht überhaupt nicht ...!
Sicher: vieles, ja das meiste, das Paul Ernst in seinem langen Dichterleben schrieb (und er schrieb viel, u.a. ein unüberschaubare 90.000 Verse langes Epos »Das Kaiserbuch« ...) ist versungen und vertan. Ihn ernstlich als Literatur-Nobelpreisträger vorgeschlagen zu sehen, mutet aus heutiger Sicht (und angesichts der Tatsache, daß zeitgleich selbst Giganten der deutschen Dichtung wie Hofmannsthal oder Rilke ebenfalls »un-nobelitiert« blieben) fast unglaublich an. Und dennoch: nicht ohne innere Bewegung wird man bspw. sein Spätwerk »Ein Credo« (1932) lesen:
Vor hundertfünfzig Jahren, am 7. März 1866 wurde er geboren, und nur wenig mehr als achtzig Jahre ist es her, daß er 1933, kurz nach Hitlers Übernahme der Regierungsmacht, gestorben ist. Und doch scheinen fast alle Erwägungen und Überzeugungen, die zu seinen Lebzeiten noch selbstverständliches Gemeingut der gebildeten Kreise war, so weit zurück zu liegen, wie mittelalterliche Heiligenlegenden, fast wie homerische Heldenepen.
Der geistige Kahlschlag, der nach 1945 mit der re-education der Deutschen planvoll durchgeführt wurde, hat eine ganze Kultur de facto ausgelöscht. Was rechtens unter den Begriff des Völkermordes zu subsumieren wäre. Wäre, wohlgemerkt! Denn all das gilt für alle, außer jene ...
Sicher: vieles, ja das meiste, das Paul Ernst in seinem langen Dichterleben schrieb (und er schrieb viel, u.a. ein unüberschaubare 90.000 Verse langes Epos »Das Kaiserbuch« ...) ist versungen und vertan. Ihn ernstlich als Literatur-Nobelpreisträger vorgeschlagen zu sehen, mutet aus heutiger Sicht (und angesichts der Tatsache, daß zeitgleich selbst Giganten der deutschen Dichtung wie Hofmannsthal oder Rilke ebenfalls »un-nobelitiert« blieben) fast unglaublich an. Und dennoch: nicht ohne innere Bewegung wird man bspw. sein Spätwerk »Ein Credo« (1932) lesen:
Es besteht ein fester Zusammenhang zwischen Kunst und Leben eines Künstlers. Am einfachsten einzusehen ist dieser Zusammenhang wahrscheinlich bei den Malern. Bei den Dichtern hat man eigentlich noch nicht mehr Feststellungen gemacht, wie über den Zusammenhang zwischen dem Rhythmus des Verses und der Körperlichkeit des Dichters. Man hat bei den Malern festgestellt, daß jeder unbewußt seinen gemalten Gestalten die Verhältnisse seines eigenen Körpers gibt. Seine Gestalten haben alle eine Familienähnlichkeit, und zwar gleichen die männlichen Figuren dem Maler selber, und die weiblichen dem weiblichen Wesen, das ihm entspricht, das die ihn erfüllende Geliebte oder Gattin ist. Das geht so weit, daß man hat behaupten können, Rubens habe die Helene Fourment gemalt, bevor er sie überhaupt gesehen habe. Die Schwierigkeit bei den Dichtern rührt daher, daß die Dichter ja die innere Gestalt des Menschen bilden, wie die Maler die äußere, und die innere Gestalt ist eben schwerer zu bilden. Aber wenn man den Blick dafür hat, so wird man bei den Dichtern genau dasselbe sehen, wie bei den Malern. Auch der Dichter stellt in seinen männlichen Gestalten immer sich selber dar, in seinen weiblichen die ihm bestimmte weibliche Gestalt, die er denn auch im Leben sucht. Beim Dichter ist die Sache dadurch noch mehr verwickelt, daß er ja in den weitaus meisten Fällen Kämpfe zwischen den Wünschen darzustellen hat, also Gestalten, die einander feindlich gesinnt sind; aber bei demselben Dichter ist doch der ärgste Schurke immer aus demselben Holz geschnitzt wie der edelste Mansch, und das macht einen Teil des Reizes der Dichtung aus; mit dadurch wird bewirkt, daß jeder Dichter eine einheitliche Welt hat, die ihm gehört und keinem andern, die von der Welt jedes andern Dichters verschieden ist.Ernst war vielleicht weniger Dichter als Denker: ein scharfsinniger, eigenständiger Denker über die Dichtung, die Kunst, die Kultur seines Volkes. Und das ist heute ein, nein: das Skandalon ...
Ich will als ein Beispiel Goethe anführen. Goethe hat zwei weibliche Gestalten. Die eine erscheint in ihrer vollkommensten Ausprägung als Philine, die andere als Iphigenie. In seinem Leben kann man solche reinen Ausprägungen nicht verlangen, weil im Leben ja nicht das wirkt, was wir Wirklichkeit nennen, sondern unsere Illusion von der Wirklichkeit. Hier sind die entsprechenden Gestalten die Vulpius und die Stein. Vielleicht wird man mir einwerfen, daß eine dritte Gestalt Gretchen ist. Aber Gretchen ist eine Art Abwandlung von Philine. Soweit der Dichter Menschen darstellt, stellt er Schicksale dar. Wie die andern Menschen sich das Verhältnis zwischen Schicksal und Persönlichkeit vorstellen mögen, geht mich hier nichts an; jeder Dichter ist davon überzeugt, daß das Schicksal unmittelbar von der Persönlichkeit abhängt und von nichts anderem; daß also vor allem die äußern Verhältnisse bei ihm keine Rolle spielen. Bei einem Künstler, der das vollständige Können hat, zeigt sich das darin, daß er bei der Gestaltung eines Vorwurfs äußere Verhältnisse, Zeit, Volk, gesellschaftliche Stellung sich nach Bedarf aussucht, wie er den Vorwurf am leichtesten ohne unnötige Reibungen darstellen kann.
Das Erleben des Dichters wird also immer in einem bestimmten Verhältnis zu seinem Dichten stehen; er dichtet, indem er erlebt, wie er erlebt, indem er dichtet. Man kann nicht sagen, daß sein Erleben sein Dichten beeinflußt, es ist vielmehr so, daß Leben und Dichtung aus einer Quelle kommen. Für den oberflächlichen Blick ist das dadurch nicht leicht zu erkennen, daß im Erleben immer Zufälligkeiten mitwirken, die beim Dichten ausgeschaltet sind; diese Zufälligkeiten können für den oberflächlichen Blick das Leben ganz anders gestalten, als das Dichten.
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Vor hundertfünfzig Jahren, am 7. März 1866 wurde er geboren, und nur wenig mehr als achtzig Jahre ist es her, daß er 1933, kurz nach Hitlers Übernahme der Regierungsmacht, gestorben ist. Und doch scheinen fast alle Erwägungen und Überzeugungen, die zu seinen Lebzeiten noch selbstverständliches Gemeingut der gebildeten Kreise war, so weit zurück zu liegen, wie mittelalterliche Heiligenlegenden, fast wie homerische Heldenepen.
Der geistige Kahlschlag, der nach 1945 mit der re-education der Deutschen planvoll durchgeführt wurde, hat eine ganze Kultur de facto ausgelöscht. Was rechtens unter den Begriff des Völkermordes zu subsumieren wäre. Wäre, wohlgemerkt! Denn all das gilt für alle, außer jene ...
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