Samstag, 5. März 2016

Nachbemerkungen zu Merkels Heilsbotschaft

Ein Gastkommentar

zusammengestellt aus Zitaten von
Norbert Bolz: Das Wissen der Religion. Betrachtungen eines religiös Unmusikalischen

Nachdem die »Hölle« im 20. Jahrhundert wiedergekehrt war, hat sich der Teufel als Gutmensch verkleidet. Der Teufel ist heute jene Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft. Das Gute ist nämlich der Traum des Bösen. Das hat Nietzsches Genealogie der Moral genau so deutlich gezeigt wie Freuds Psychoanalyse. Und der Teufel selbst ist Logiker genug, um unwiderleglich zeigen zu können, wie gerade die Definition des Guten das Böse erzeugt. Das Böse ist also mit unserer Moralität koextensiv.
Aber es tritt heute eben nicht mehr »satanistisch«, sondern gerade umgekehrt: »katharisch« auf. »Gutmenschen« so haben sich die Katharer selbst genannt. Die »Gutmenschen« sind Sünden-bockjäger zweiter Ordnung. Der Sachverhalt klingt kompliziert, wird aber sofort evident, wenn man ihn in theologische Begriffe übersetzt: Satan ahmt Christus nach. Die »Gutmenschen« sind die antichristliche Macht unserer Zeit; sie pervertieren die Sorge um die Opfer, die Toleranz und den Frieden. Mit anderen Worten: Der Teufel spricht heute die Sprache der Opfer.

Um das zu verstehen, ist es hilfreich, sich noch einmal daran zu erinnern, daß Satan der Ankläger ist - eine außerordentlich attraktive Position. J' accuse! Und spätestens seit den Nürnberger Prozessen ist es gerade unter deutschen Intellektuellen eine Klugheitsregel, sich in die Anklägerposition zu bringen. War zu Zeiten der Theodizee noch Gott der Angeklagte, so sind seit der Erfindung der Geschichtsphilosophie immer »die anderen« schuld gewesen. Im Blick auf die Anklagerituale der Massenmedien spricht man in den USA von »The Blame Game« und dieses Spiel ist des Rätsels Lösung. Perfektioniert haben es die Deutschen durch die Form der Selbstanklage: Wir sind schuld an Armut, Krieg und Umwelt-verschmutzung.

Tribunalisierung ist das satanische Ritual der »Gutmenschen«. Sie warnen, mahnen und klagen an, um das hat Odo Marquard ebenso klar wie folgenlos gezeigt das Gewissen zu sein, das sie nicht haben. Das gute Gewissen ist eine Erfindung des Teufels, sagte Albert Schweitzer einmal. Und die »Gutmenschen« haben daraus ein gut florierendes Geschäft gemacht. Der Teufel tritt heute also gerade auch als Ethiker auf, der die Wut des Anklagens und Verfolgens entfesselt und die Religion der absoluten Humanität predigt. Damit zeigt er sich auf der Höhe der Zeit, denn durch nichts lassen sich moderne Menschen leichter verführen als durch das Versprechen von »pax et securitas« Frieden und Sicherheit.

Das satanische »Gutmenschentum« hat bekanntlich eine eigene Sprache entwickelt, und sprachlich leben wir heute immer noch im Jahre 1984. Die »Politische Korrektheit« ist Orwells Newspeak, in der die Lüge zur Moral erhoben wird. Daß der Teufel der Vater der Lüge heißt, macht seine brennende Aktualität aus. Er steht für den geistigen Selbstmord durch jene »Politische Korrektheit«, in der die Diffamierung als Aufklärung auftritt.

Mit den Worten, die Arnold Gehlens Buch über Moral und Hypermoral beschließen: »der Antichrist trägt die Maske des Erlösers, wie auf Signorellis Fresco in Orvieto. Der Teufel ist nicht der Töter, er ist Diabolos, der Verleumder, ist der Gott, in dem die Lüge nicht Feigheit ist, wie im Menschen, sondern Herrschaft. Er verschüttet den letzten Ausweg der Verzweiflung, die Erkenntnis, er stiftet das Reich der Verrücktheit, denn es ist Wahnsinn, sich in der Lüge einzurichten.«





  Kommentar zum Artikel »Merkels Heilsbotschaft«  auf Chaos mit System.


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