Zu seinen Lebzeiten, und speziell in den 1920er- bis 50er-Jahren, war er ein gefeierter Bestsellerautor, dessen Bücher — zumeist englisch geschrieben und sofort in mehrere Sprachen übersetzt — zu hunderttausenden verkauft wurden. Die Regale der Antiquariate legen davon Zeugnis ab: kaum eines, das nicht wenigstens seinen größten Erfolg, den Roman »Der Schneider himmlischer Hosen«, gleich mehrfach in den Beständen hätte!
Nun freilich — der Autor machte einen großen, ja einen fürwahr ganz unverzeihlichen Fehler: er wurde zwar als Diplomat (der er von Beruf war) von Mussolini kaltgestellt und mit 52 Jahren in die Rente geschickt, doch war er patriotischer Italiener genug, um auch im Ruhestand für die Interessen seines Landes einzutreten, und trotz seiner unfreundlichen Verabschiedung die Kontakte zu seinem früheren Kollegen (und späteren Vorgesetzten), Italiens Außenminister Graf Ciano, nie auf Eis zu legen, und in seinen lesenswerter Erinnerungen diesem ein ehrendes (wenngleich kritisches!) Andenken zu bewahren. Sogar ein Mussolini kommt in seinen Memoiren nicht nur als Ungeheuer vor ...
Das sind Gedankenverbrechen, die spätestens seit dem Aufkommen der 68er-Studentenrevolten mit der ewigen damnatio memoriæ geahndet werden. Und Antikommunist war er auch noch — pfui! Weg mit diesem Unhold ...
Und dennoch: es wird nicht viele Romane geben, die auf so vergnügliche Weise einen tiefen Blick in die Psyche eines uns Europäern doch so fern liegenden Volkes, wie dem der Chinesen, gewähren, wie den erwähnten »Schneider himmlischer Hosen«; und selten auch wurde eine in ihrer Leichtigkeit und Delikatesse ansprechendere (und gottlob nie sentimental ausartende) Liebesgeschichte zwischen einem erwachsenen Mann und einem Mädchen geschrieben. Der Roman findet übrigens seine — und, o Wunder, keineswegs schwächere! — Fortsetzung im »Tor der glücklichen Sperlinge«.
Daneben schrieb Varè historisch-kulturgeschichtliche Sachbücher (z.B. 1935 »Italy, Great Britain and the league in the Italo-Ethiopian conflict«, oder »Die letzte Kaiserin. Vom alten zum neuen China«), und ebenso informative wie amüsante Erinnerungsbücher: »Daniele in der Diplomatengrube«, »Der lachende Diplomat« und »Der Schatten der spanischen Treppe. Römische Erinnerungen« — eines lesenswerter als das andere!
Vielleicht aber entspricht auch nur dieser weltmännische Geist, der uns aus all diesen Büchern — den Romanen ebenso wie den Memoiren — entgegentritt, nicht mehr unserer Zeit. Und das wäre doppelt bedauerlich, mehr noch: alarmierend!
Heute vor sechzig Jahren, am 27. Februar 1956, ist Daniele Varè in seiner Geburtsstadt Rom verstorben. Wäre es nicht an der Zeit, einen zu Unrecht vergessenen Autor aus den Regalen zu holen, den Staub behutsam vom Buchschnitt zu blasen, und in (noch gar nicht so lange) vergangenen Zeiten und Kulturen zu blättern ...?
Werter Penseur,
AntwortenLöschenhabe mir aufgrund Ihres Hinweises das Buch Der Schneider himmlischer Hosen mal bestellt.
Mal sehen, ob ich mich Ihrem Urteil anschließen kann.
Grüße
Vielen Dank für den Hinweis. Mir als Dilettant in ost-und südostasiatischen Raufkünsten (Mit Graf Mager dahingegen habe ich es, naturalmente, weniger)war er mir bis dato unbekannt.
AntwortenLöschenD.a.a.T.