Sonntag, 8. November 2015

Zur siebzigsten Wiederkehr des Todestages

... ist heute noch ein weiteres Gedenken zu begehen: am 8. November 1945 starb Generalfeldmarschall August von Mackensen, wohl einer der legendärsten (und populärsten) Feldherrn im Ersten Weltkrieg:


Hier sieht man ihn als greisen Generalfeldmarschall; wie (beinahe) immer in der Uniform des 1. Leibhusarenregiments (dessen Kommandant er gewesen war), die er zu tragen ihm — als besondere Auszeichnung — vom Kaiser auf Lebenszeit gestattet worden war.

Die deutsche Wikipedia wäre nicht sie, wenn sie nicht auch bei Mackensen versuchte, den Nazi in ihm zu entdecken, oder wenigstens zu konstruieren — und schreibt deshalb gleich im Einleitungsabsatz:
Im Ersten Weltkrieg war er ein erfolgreicher Heerführer und wurde später, zur Symbolfigur geworden, von den Nationalsozialisten als Anhänger Hitlers für Propa-gandazwecke eingesetzt.
Das liest sich zwar dann im weiteren Verlauf des Artikel deutlich differenzierter und unter vielfachen Einschränkungen, aber steht nun mal als Gratisservice für den querlesenden Antifanten gleich oben. Nun: war Mackensen ein »Anhänger Hitlers«, wie da behauptet wird? Mackensen war tiefgläubiger Protestant, der unter den Nazis der »Bekennenden Kirche« nahestand (und sich z.B. für Niemöller einsetzte!) und überzeugter Monarchist, der bis zum Tod Kaiser Willhelms II diesem unverbrüchlich die Treue hielt (und auch 1941 ostentativ an seinem Begräbnis teilnahm). Ihn daher als Anhänger eines nur nebulos religiösen, jedoch recht dezidiert kirchenfernen Mannes wie Hitler, der Wilhelm II mehr als distanziert gegenüberstand, anzusehen, ist wohl etwas gewagt. Wenn es dann weiter heißt:
Sein Verhältnis zu den Nationalsozialisten war zwiespältig. Wie vielen traditions-bewussten Verfechtern der „alten“ preußischen Kultur war ihm das Gebaren und Auftreten der Nazi-Partei ausgesprochen suspekt. In einem auffälligen Widerspruch dazu steht seine persönliche Bewunderung für Adolf Hitler, wodurch sich seine Haltung deutlich von der Paul von Hindenburgs unterscheidet.
... so grenzt derlei Rabulistik an Kaffeesudleserei. Warum benutzt man nicht Quellen, die diese — angebliche — »Bewunderung für Hitler« mehr als fraglich erscheinen lassen? Bspw. August Winnig, der in aufschlußreichen Erinnerungen »Aus zwanzig Jahren. 1925-1945« über seine Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus berichtet, und ein Zusammentreffen Ende der 1930er-Jahren (jedenfalls nach der sogen. »Fritsch-Affaire«) mit dem damals beinahe neunzigjährigen Feldmarschall schildert:
Ich las in Stettin im Preußischen Hof, und man hatte mir gesagt, der alte Feldmarschall Mackensen habe Karten bestellen lassen. Als ich ihn die Treppe hinaufsteigen sah, ging auch ich nach oben. Vor dem Saaleingang traf ich ihn und machte ihm meine Reverenz. Er begann sogleich lebhaft zu sprechen, was im Nu einige Dutzend Zuhörer herbeizog. Er sprach von Telegrammen und Briefen, die er aus Anlaß des Falles Fritsch an Hitler und andere Stellen gerichtet hatte.
»Aber was meinen Sie, der Mann hat mir nicht einmal geantwortet. Nun ist keine Antwort ja auch eine, und eigentlich brauchte ich  keine, denn ich weiß seit zwei Jahren, wohin unser Weg geht. Damals war ich das letzte Mal bei ihm. Er ließ sich sprechen, und ich stellte ihm vor, daß diese schrankenlose Herrschaft der Polizei viel böses Blut mache und uns in den Augen des Auslandes herabsetze. Ich habe viel Korrespondenz mit ausländischen Militärs, auch mit früheren Kriegsfeinden, denn Soldat und Soldat verstehen sich nach dem Kriege ganz gut. Im Felde zeigt man sich die Zähne, nachher bietet man sich die Hand; so ist das; und darum weiß ich, wie man im Auslande von dieser Polizeiherrschaft denkt. Ich habe Hitler gesagt: Herr Reichs-kanzler, Sie gehen einen falschen Weg. Ziehen Sie die Polizei zurück und lassen Sie Recht und Gericht wieder sein, was sie früher waren. Die Allmacht der Polizei führt ins Unheil und ist nicht deutsch. Sie sind ein deutscher Mann und müssen das wissen. Der Deutsche kann nicht unter solchen Zuständen leben. So habe ich zu ihm gesprochen, ernst und eindringlich. Darauf hat er eine Weile geschwiegen und dann hat er mir geantwortet: Vielleicht haben Sie recht. Aber ich kann nicht anders, ich kann nicht mehr zurück. — Sie werden einst ein Buch über diese Zeit schreiben. Ich kenne Ihre ganze Lebensbeschreibung und sie ist mir viel wert. Sie und ich, wir sind zwei selfmade- men. Wenn Sie über diese Zeit schreiben, dann erwähnen Sie, was ich Ihnen eben erzählt habe, daß Hitler gesagt hat: ich kann nicht mehr zurück. Für die Wahrheit steht der alte Mackensen ein, der letzte Feldmarschall Seiner Majestät des Kaisers.« 
(Winnig, a.a.O. S. 114 ff.)
Da das Bestreben, August von Mackensen zum Krypto-Nazi zu modellieren durch zu viele störende Fakten offenbar nicht so recht gelingen wollte, behalf man sich bei Wikipedia mit dem beliebten Mittel des subtilen Rufmords, indem man durch den ganzen Artikel durchscheinen läßt, daß dieser Mackensen eigentlich ein gewiegter Karrierist war (z.B. »Mackensen verstand es, Vorgesetzte für sich zu gewinnen« — das ist nicht justiziabel, aber wie wir wissen: semper aliquid hæret ...), der sich über seinen Schwiegervater geschickt nach oben turnte. Nur: der Schwiegervater war bei Bismarck in Ungnade gefallen und wurde auf dessen Druck 1882 in den Ruhestand versetzt — nur drei Jahre, nachdem der »Karrierist« seine Tochter geheiratet hatte ... erfolgreiches Karriereschmieden per Heirat sieht wohl anders aus! Aber vielleicht speisen sich auch manche der Unterstellungen aus den Lebenserinnerungen des Hofmarschalls Graf Zedlitz-TrützschlerZwölf Jahre am deutschen Kaiserhof«), der darin, nur ein einziges Mal allerdings, Mackensen eine kritische Bemerkung widmet:
Als wir auf der Rückkehr von Rominten über Königsberg und die Marienburg nach Danzig kamen, wurde Seine Majestät auf dem Bahnhof vom Generalleutnant v. Mackensen empfangen und bei der Meldung auf die behandschuhte Rechte geküßt. So etwas pflanzt sich fort, und so sah ich, wie im Kasino der Leibhusaren ein Leutnant Seiner Majestät die Hand küßt, weil er einen Orden bekommen hatte. […] Beim Abschied auf dem Bahnhof brachte es der General v. Mackensen sogar so weit, einige Tränen in den Augen erscheinen zu lassen. 
(Zedlitz-Trützschler, a.a.O. S. 84)
Das sieht in der Tat auf den ersten Blick nach Byzantinismus aus! Doch — ist es nicht ebenso möglich, daß dieser Mackensen tatsächlich ein so überzeugter Monarchist war, daß ihm ein Handkuß bei Seiner Majestät einfach selbstverständlich erschien, und ihn echte Tränen der Rührung beim Abschied übermannten? Und in der Tat — spätere Schilderungen legen das nahe, so bspw. die in Sigurd von Ilsemanns Werk »Der Kaiser in Holland«, wo dieser unter dem 9. Februar 1927, dem 50. Militär-jubiläum Wilhelms II, folgendes schreibt:
[...] Die Tür tat sich auf und mit rüstigen Schritten trat der greise Feldmarschall von Mackensen in seiner Leibhusaren-Uniform ein. Der Vertreter der ehemaligen deutschen Armee kam zu dem verbannten ehemaligen Obersten Kriegsherrn in die Fremde. Besonders sympathische Züge in diesem greisen Kindergesicht. Aus den Augen spricht Güte, Menschenfreundlichkeit und Energie. Drei Schritte vor dem Kaiser blieb er stehen und überbrachte die Grüße und das Gedenken der Offiziere der alten Armee. Es war ein malerisches Bild. Der große schlanke Mann in der schönsten aller früheren Uniformen mit schwerem Kavalleriesäbel und Pelzmütze in der Linken, den Marschallstab in der Rechten, in den hohen Reiterstiefeln, der silberbestickten Attila, mit allen Orden, Ordensbändern, und den goldenen Schnüren. In warmen Worten sprach er von dem Eintritt des Kaisers in die Armee vor fünfzig Jahren, von der schweren Aufgabe, die der Kaiser mit dem Regierungsantritt übernommen, von den großen Verdiensten um Armee und Marine im Frieden und besonders im Kriege, wie S.M. uns vor dem Einfall der Feinde in die Heimat bewahrt, wie das deutsche Heer sich fast fünf Jahre siegreich gegen eine Welt von Feinden gehalten, daß ein Entente-Heerführer gesagt habe: das deutsche Heer, das 1914 in den Krieg gezogen ist, sei das beste und schlagfertigste gewesen, das die Welt je gesehen habe, und schließlich zitierte er: »Wenn tausend einen niederschlagen, so ist das wenig Ruhm und Ehr’, nach hundert Jahren wird man sagen „gesiegt hat doch das deutsche Heer!“«
Als er geendet, führte er seinen Marschallstab an seine Stirn und verbeugte sich tief vor seinem König.
(Ilsemann, a.a.O. Bd. 2, S. 48)
Oder sein Auftreten zum 80. Geburtstag Kaiser Wilhelms im Jahr 1939, welches von Ilsemann wie folgt geschildert wird:
[...] Erst 12.45 Uhr erschien er*) in der Halle, wo der Feldmarschall von Mackensen in seiner Husaren-Uniform ihm die Glückwünsche der Armee überbrachte. Vorher hatte der Feldmarschall mir gesagt, wie alt er geworde, könne man daran sehen, daß er für seine Rede einen Zettel bei sich haben müsse, zur Unterstützung des Gedächnisses. Dabei hat er die lange Ansprache gehalten, fast ohne in seinen Zettel hineinzuschauen, und dabei so kräftig und mit so viel Begeisterung, als wenn er noch Leutnant und nicht ein 89jähriger alter Herr wäre.
(Ilsemann, a.a.O. Bd. 2, S. 317)
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*) Wilhelm II

Auch wer die monarchistischen Anschauungen August von Mackensens nicht teilen kann oder will, muß doch zugeben: so handelt kein Opportunist! Denn in den späten 1920er-Jahren (und erst recht 1939) war jedes Bekenntnis zu Wilhelm II mehr als odios in den Ohren der damaligen politischen Eliten. Nicht weniger odios sind Mackensens Worte freilich für unsere heutigen Machthaber — die freilich längst nicht mehr in Deutschland sitzen, sondern sich ein gefügiges Satrapenregime in Berlin halten, um die autochthonen, »re-educated« Heloten in Deutschland nach Möglichkeit klein und demütig zu halten.

1927 meinte der greise Feldmarschall: »Nach hundert Jahren wird man sagen ...« — das wäre also 2027, mithin in zwölf Jahren. Wer sich die Weicheier in unserer »männlichen« Jugend so ansieht, wird bezweifeln, ob die dann außer politkorrektem Gendersprech und selbsthassendem Antirassismus-Gelaber noch irgendwas zu sagen wissen. So sie dann »dank« Muttis Umvolkungspolitik überhaupt noch etwas zu sagen haben ...

Eine hirn- und rückgratlose Berliner Stadtverwaltung hat 1998 mit der Begründung, auf Grund von Forschungsergebnissen sei Mackensen als »Wegbereiter des Nationalsozialismus« anzusehen, die bis dahin in Schöneberg bestehende Mackensenstraße in Else Lasker-Schüler-Straße umbenannt. Nun sei Else Lasker-Schüler, die fraglos (auch durch die Nazis) kein leichtes Leben hatte, und ein überaus bedeutendes dichterisches Werk hinterließ, eine Straßenbenennung von Herzen gegönnt — nur das mit einem Akt von Leichenfledderei an August von Mackensen zu verbinden, und noch dazu mit einer aberwitzigen Begründung, die elemantarsten Begriffen von Anstand und Gerechtigkeit ins Gesicht schlägt: nein, das muß nicht sein! Oder vielleicht mußte es gerade sein, um so dem späteren Betrachter die Verkommenheit und totale Schäbigkeit unserer derzeitigen Macht»eliten« drastisch vor Augen zu führen. In jener besseren Welt, die wir uns nach unserem Tode erhoffen, ist es leicht vorstellbar, daß der ritterliche, alte Feldmarschall aus dem sächsischen Dahlenberg, und die zwanzig Jahre jüngere Dichterin aus Elberfeld an der Wupper kopfschüttelnd diese Umbenennungs-Posse besprachen ...

Beendet sei der Gedenkartikel mit einem Stück Volksdichtung aus der Zeit des Ersten Weltkriegs — natürlich nicht vergleichbar mit den dichterischen Höhenflügen einer Lasker-Schüler! —, einer Neutextierung auf die Melodie des alten Prinz-Eugenius-Liedes:

Mackensen, der edle Ritter
fuhr wie Sturm und Ungewitter
   übers falsche Ostland her.
Neben Hindenburg, dem Riesen
sei sein Name hochgepriesen,
   Dank und Ehre seinem Heer!


Ostmark, rühm’ ihn als Befreier,
der vor Schande dich und Feuer
   der Kosaken treu bewahrt!
Bei Wlozlawek ward gerungen
und der wilde Bär bezwungen
   von dem Helden eisenhart.


Dann in jenen Maientagen
hat er ihn aufs Haupt geschlagen,

  
da er sich aufs neu gestellt.
Auf den Höhen der Karpathen
ist ein Durchbruch ihm geraten,

  
wie ihn nie gesehn die Welt.


Marschall Vorwärts, rüst’ger Streiter
kühner Donau-Überschreiter,
   nichts hemmt deinen Siegslauf.
Mit den Mäusen und den Ratten,
die uns überfallen hatten,
   räumtest du gar gründlich auf.


Sei bedankt, du wack’rer Degen
Heil sei dir auf allen Wegen,
   der du treu warst bis zuletzt.
Sieh, wie unsre Fahnen wehen
und in jedem Herzen stehen
   Male, die du dir gesetzt!


Anm.: »Ostmark« meint in dem Lied natürlich das, was man damals so nannte — die Ostgebiete des Königreichs Preußens, also v.a. die Provinzen Posen, Ost- und Westpreußen. 

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