Freitag, 23. Januar 2015

Daß von diesem Blog auf »Die Zeit« verlinkt wird

... ist ein Ereignis von beträchtlichem Seltenheitswert. Doch wenn es einmal einen interessanten, lesenswerten Artikel dort gibt — warum dann nicht? Im Gegensatz zu all den Flachdenkern, die bei Gedanken zwar genau darüber nachgrübeln, von wem sie geäußert wurden, damit sie sich dann nicht wirklich damit auseinandersetzen müssen, versucht (sic! Mit einem etwas reumütigen »mea culpa« sei's gesagt!) LePenseur Gedanken unabhängig vom Denkenden zu bewerten (was bei »schnellen« Lesern dieses Blogs bisweilen zu Schluckauf führt) ...

Es ist ein nachsinnender, und — das sei zugegeben — manchmal verstörender Artikel. Und zwar LePenseur verstörend teils wegen einer Sichtweise, die er als ungewohnt, aber durchaus angebracht empfindet, teil wegen solcher, die ihm einfach fehlsichtig vorkommen. Aber darauf kommt es nicht an: wichtig ist — es ist eine andere Sicht, wenn auch vielleicht mit anderen Brillen. doch die eigenen mit ihren Verzerrungen und Filtern kennt man ja ohnehin schon längst ...

Sind die Terroristen nun Feinde oder Bürger?

Befinden wir uns wirklich im Krieg mit dem Islamismus? Wenn ja: Sind wir auch im Krieg mit dem »Christianismus«? Unsere Rechtskolumne über Terrorismus und Völkerrecht von Thomas Fischer
Dank an Nereus im »Gelben Forum«, dessen Hinweis uns querständige Gedanken vermittelt, die einem in dieser Präzision nicht immer präsent sind, wie z.B.:
In den letzten zwanzig Jahren hat der Bonner Strafrechtsprofessor Günther Jakobs, einer der scharfsinnigsten, gnadenlosesten und gründlichsten Denker seiner Zunft in der europäischen Nachkriegszeit, das Bild eines sogenannten Feindstrafrechts entworfen – zunächst vorsichtig, kritisch, distanziert; später auf irritierende Weise bestätigend und fordernd. 

Jakobs geht davon aus, dass es zunächst ein Bürgerstrafrecht gibt (und geben muss), also ein Strafrecht des Staates, das für all diejenigen gemacht und auf diejenigen angewandt wird, die innerhalb der (jeweiligen) staatlichen Gemeinschaft – im Sinne einer gemeinsamen Kultur – leben, leben wollen und als solche anerkannt werden. So ein Strafrecht für seine Bürger entwickelt jede staatlich verfasste Gemeinschaft zur Regulation und Verfolgung von abweichendem Verhalten in ihrem Inneren. 

Daneben aber gibt es (oder sollte es nach Jakobs geben) ein Strafrecht für "Feinde", also für Personen, die nicht bloß einzelne Gesetze übertreten, deren Geltung sie im Grunde anerkennen (auch der Dieb möchte durch das Bürgerstrafrecht geschützt und nicht bestohlen, der Vergewaltiger nicht vergewaltigt werden) und die daher auch wir als Mitbürger anerkennen. Sondern für Personen, die die jeweilige Rechtsordnung als solche im Grunde und im Ganzen verwerfen und deshalb zerstören wollen. Nach Ansicht von Jakobs muss der Rechtsstaat, will er sich nicht in pure Vernichtung flüchten, rechtzeitig Prinzipien und Grenzen des Umgangs mit solchen Feinden entwickeln, um sich selbst nicht aufzugeben. Denn: Einerseits darf er die Rechtsgüter gegenüber einem zerstörerischen Angriff nicht preisgeben, den er mit den Mitteln der "Bürgerstrafrechts" nicht aufhalten kann; andererseits darf er Prinzipien einer zivilisierten Gesellschaft nicht opfern, welche für seine eigene Legitimität unabdingbar sind. 
Oder:
Nach allem, was wir wissen, hat sich unser Staat im "Krieg gegen den Terror" wissentlich an Aktivitäten beteiligt, die in unserem Recht nur schwerlich eine Rechtfertigung finden: An Entführungen, an Folterungen, an Ermordungen. Wir, die wir doch vor siebzig Jahren geschworen haben, dass niemals mehr Schweigen herrschen dürfe über staatliches Unrecht: Was sagen wir nun, nachdem wir die verflossene DDR empörungsmäßig abgearbeitet haben, zu unserem eigenen Unrecht? "Ich bin froh, dass es gelungen ist, Osama bin Laden zu töten". Ein großer Satz, ein Satz für die Ewigkeit und die Geschichtsbücher. Die deutsche Bundeskanzlerin sagte ihn über das Recht und die Gerechtigkeit. 
Oder:
Im Krieg ist vieles erlaubt, was uns hier und heute unvorstellbar erscheint: Das Zerstören fremden Eigentums. Die Tötung von Feinden. Die Opferung der eigenen Zivilbevölkerung, wenn es denn nicht anders geht. Die Tötung fremder Zivilbevölkerung, unter bestimmten Umständen. Im Krieg darf man entführte Flugzeuge abschießen, auch wenn unschuldige Geiseln darin sitzen. Man darf vorsätzlich Menschen töten, um größeren Schaden zu verhindern. Man darf die feindlichen Kombattanten von hinten erschießen, im Schlaf töten, in Hinterhalte locken. Man darf sich auch einmal irren. Man wird auch dann zum Brigadegeneral befördert, wenn man aus Versehenen – shit happens! – hundert afghanische Bauern in die Luft gesprengt hat, die Benzin klauen wollten, in der tragischen Annahme, es handle sich um hundert Feinde.  
Oder:
Warum nennen wir diejenigen, die uns angreifen, "feige" und "hinterhältig"? Sie sind es nicht. Sie sind Mörder, aber das steht auf einem anderen Blatt. "Feige" sind sie nicht. "Feige" ist vielleicht jemand, der eine satellitengelenkte Bombe in eine Hochzeit steuert und dabei in Ramstein sitzt und einen Dreifach-Burger mit den Fingern frisst. "Feige" ist vielleicht, wer den Führerbunker rechtzeitig vor der Explosion der Aktentasche verlässt. [...]

Wenn wir also mit denen, die uns da angreifen, als gehe es um die Rettung der Welt, tatsächlich reden und sie nicht nur vernichten wollen wie Ungeziefer, müssen wir ihren Mut anerkennen – einen Mut, der uns selber längst abhandengekommen ist. Träumt Euch, Ihr Steuerberater und Wirtschaftsstrategen, Ihr Halbmarathonläufer und Porsche-Besteller, Vertriebsberater und Servicekräfte, einen einzigen Tag lang hinein in die Unendlichkeit eines Lebens als Dreck. Und sagt mir dann, was "mutig" ist. 
Nochmals: der Autor hat nach LePenseurs subjektiver Ansicht nicht »einfach recht«. In einigem würde er ihm sogar entschieden widersprechen, in manchem Befunde nochmals nachprüfen wollen, oder Gewichtungen hinterfragen. Doch er ist Jurist genug, den Wert eines Plädoyers auch dann zu schätzen, wenn für die andere Partei das Wort ergriffen wird. Und ist schon gespannt auf den zweiten Teil, der in einer Woche erscheinen wird.


3 Kommentare:

  1. Werter Penseur,

    dazu möchte ich doch mal ein paar Anmerkungen machen:

    Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht:
    Hört sich ja erst mal ganz „verlockend“ an. Aber wie und vor allem von wem wird denn entschieden, welches Strafrecht bei einem Täter anzuwenden ist.
    Stellt sich der Täter selbst als Gesellschaftsfeind dar, dann erscheint das ja noch einfach. Aber im allen anderen Fällen eröffnet sich dadurch doch der politisch genehmen Willkürentscheidungen Tür und Tor??

    Feige Angriffe:
    Der Begriff „feige“ wird heutzutage ja leider ziemlich inflationär für alles und jedes gebraucht. Aber ab wann meint denn der Autor einen Angriff nicht als feige zu betiteln. Also nur noch wenn es um einen duellartigen Kampf Mann gegen Mann handelt? Mit Messer, Degen und vielleicht noch einschüssiger Pistole??

    Grüße

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  2. Cher SF-Leser,

    wie bereits im Artikel gesagt:

    der Autor hat nach LePenseurs subjektiver Ansicht nicht »einfach recht«. In einigem würde er ihm sogar entschieden widersprechen, in manchem Befunde nochmals nachprüfen wollen, oder Gewichtungen hinterfragen.

    »Feindstrafrecht« wird wohl (will man nicht die von Ihnen befürchteten Willkürentscheidungen — und das traue ich den Autor irgendwie nicht zu!) nur gegenüber dem »bekennenden Feind« gehen. Abgrenzungen in der Praxis werden sicher haarig — aber der prinzipielle Gedanke ist schon durchaus faszinierend weiterzudenken!

    ad »feige«:

    Hier z.B. gehe ich mit dem Autor eher nicht konform. Mit der Kalaschnikow (wenn's überhaupt so war! Zweifel sind durchaus angebracht, spätestens seit dem »zufällig« vorlorenen Personalausweis, der fatal an die unzerstörbaren Reisepässe von 9/11 und MH 17 erinnert!) in der Hand pensionsreife — größtenteils von 60 bis 80! — bis auf ihren Bleistift unbewaffnete Redakteure niederzumähen finde ich eher nicht sehr mutig.

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  3. einverstanden

    Grüße

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