So betitelte sich ein Text von Martin Walser, den »Die Zeit« vor über fünfzehn Jahren veröffentlichete:
Wenn die Welt uns entsprechen würde, gäbe es keine Literatur. Natürlich auch keine Religion. Die Welt entspricht uns zutiefst nicht. Wir werden hineingeboren, ohne es gewollt zu haben. Wir werden hinausbefördert, ohne es zu wollen. Die Herkunft dieser Welt: ein Nichts. Ihre Zukunft: ein Nichts.
Diese Ausdrucksweise ist natürlich nichts als Sprache. Wir haben Wörter, mit denen wir auf unser Nichtwissen reagieren, mit denen wir unserem Nichtwissen entsprechen.
Schreiben heißt, einer Welt zu entsprechen, die uns nicht entspricht. Schreibend antworten wir auf einen Mangel. Uns fällt ein, was uns fehlt.
Beispiel: das Weihnachtsevangelium. Leerer an Erfahrung, wirklichkeitsfremder kann kein Text sein. Je wirklichkeitsfremder ein Text ist, desto weiter kann er gehen; desto mehr kann er unserem Bedürfnis entsprechen; desto mehr kann er ausdrücken, was uns fehlt. Seinem Wirklichkeitsgehalt nach ist der Weihnachtstext purer Nihilismus. Da er ausdrückt, was wir bräuchten, weist er uns hin auf das, was wir nicht haben.
Eine Zumutung, solch ein Text — noch dazu an Weihnachten! Nun, »Die Zeit« hatte ihn auch am 30. Oktober 1999 veröffentlicht, und nicht etwa in ihrer Weihnachtsausgabe. Es ist ein spröder, schwer zugänglicher Text, ohne Frage — über das Schreiben, über das Wort. Ob da die Verweise auf den schwedischen Visionär, Naturwissenschaftler und Kirchengründer Emanuel Swedenborg (so schätzenswert der Autor vielfach ist) hilfreich sind? Es geht um das Schreiben — und um das Wort, also gehört der Text doch irgendwie zu Weihnachten. Auch darin, daß Walser ihn so beschließt:
Jetzt noch, altem Brauch folgend, ein Stoßgebet für den Anfang:
Führ mir die Hand, Freude, wie Not es kann.
Führ mir die Hand, Freude, wie Not es kann.
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