Montag, 6. Januar 2014

Die Geschichte der Spätantike, oder: Wir sind alle Römer

Wer kann sich nicht an die wenigen, aber dafür umso lähmenderen Stunden erinnern, mit denen der Zusammenbruch des Römischen Reiches im gymnsialen Geschichtsunterricht abgehakt wurde!? Man hat jedenfalls nur mehr irgendeinen Wirrwarr von Soldatenkaisern, Christenverfolgungen und Völkerwanderungen im Ohr, ohne jemals wirklich verstanden zu haben, warum das alles ein so mächtiges und durchorganisiertes Staatsgebilde wie das Römerreich in wenigen Generationen vernichten konnte. Ludwig von Mises wird auf misesde.org mit einem Abschnitt aus seinem Werk »Nationalökonomie. Theorie des Handelns und Wirtschaften« zitiert — und seine klare, unprätentiöse Darstellung macht uns vieles klar, was zuvor nur ein unentwirrbarer Knäuel von Ereignissen und Jahreszahlen zu sein schien:
Die Einsicht in das Wesen und die Wirkungen der preispolitischen Eingriffe erschließt das Verständnis für die ökonomischen Ursachen eines großen geschichtlichen Vorganges, des Unterganges der antiken Kultur.

Man mag verschiedener Meinung darüber sein, ob es berechtigt ist, von antikem Kapitalismus zu sprechen. Unbestritten ist aber, dass das römische Imperium im Jahrhundert der Antonine, der «guten» Kaiser, eine hohe Stufe der Entwicklung der Arbeitsteilung und des Handels erreicht hatte. Einige Großstädte, eine beträchtliche Anzahl von Mittelstädten und zahlreiche kleine Städte waren der Sitz einer verfeinerten Kultur geworden. Die Bevölkerung dieser Zentren deckte ihren Bedarf an Lebensmitteln und Rohstoffen durch die Zufuhr vom Lande, wo Groß- und Mittelbetriebe Überschüsse eigener Erzeugung abgaben, um dafür gewerbliche Erzeugnisse einzutauschen. Die Auflösung dieser Wirtschaftsverfassung, nicht das Eindringen der Barbaren ließ das römische Imperium und mit ihm die antike Kultur zerfallen. Die Angriffe von Außen nützten nur eine Gelegenheit aus, die die innere Schwäche des Reiches bot. Militärisch waren die einfallenden Heere im vierten und fünften Jahrhundert nicht gefährlicher als die, denen die Römer in früheren Jahrhunderten mit Erfolg entgegengetreten waren. Doch die Eindringlinge hatten es nicht mehr mit dem alten Reich zu tun. Sie stießen gegen eine Welt vor, die in ihrer wirtschaftlichen Struktur schon mittelalterlich war.

(Hier weiterlesen)
Natürlich ist die Frage der Wirtschaftsordnung nicht die einzige Ursache für den Verfall des Römerreiches — wer mit Marx alles nur auf die ökonomische Basis — und noch dazu: falsch — reduzieren will und alles andere als bloßen »Überbau« abtut, der vergewaltigt die Geschichte ebenso sehr wie der klassische Schulbetrieb, der aus ihr ein Sammelsurium von falschen Anekdoten, von seitens der politischen Generallinie jeweils vorgegebenen Bewertungen, und im übrigen von sinnlosen Jahreszahlen macht.

Dennoch: das Deprimierende an der Geschichte ist, daß die Menschen aus ihr nichts lernen. Weil sie aus ihr nichts lernen wollen! Sonst müßte ihnen doch längst aufgefallen sein, daß wir heute in Europa auf dem besten — nein: dem dem schlechtesten! — Weg sind, Römer zu werden ...



1 Kommentar:

  1. Ein brillanter Satz im verlinkten Artikel:

    "Eine Gesellschaftsordnung muss untergehen, wenn die Handlungen, die ihren regelmäßigen Ablauf bilden, von den geltenden Moralauffassungen als unsittlich verworfen, von der Rechtsordnung als rechtswidrig erklärt und von den Behörden und Gerichten als Verbrechen verfolgt werden."

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